OGH 12Os39/81

OGH12Os39/8123.4.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Dezember 1980, GZ. 4 d Vr 10.563/80-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.September 1932 geborene Walter A des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. schuldig erkannt. Den Urteilsannahmen nach hat der homosexuell veranlagte Angeklagte, der als Unzuchtspartner gleichgeschlechtliche unmündige und jugendliche Personen bevorzugt, am 3.November 1980 in seiner Wohnung den am 28.Juni 1966

geborenen Herbert B in der Absicht, mit diesem Unzucht zu treiben, nachdem er ihn zunächst gefragt hatte, ob er sich etwas verdienen wolle, und ihm eine Zeitschrift mit darin abgebildeten nackten weiblichen Personen gezeigt hatte, plötzlich fest an dessen Glied (über der Kleidung) gepackt und ihn aufgefordert, sich auszuziehen. Der Jugendliche verhielt sich zum Schein so, als ob er dieser Aufforderung nachkäme, flüchtete jedoch in einem unbeobachteten Augenblick aus der Wohnung des Angeklagten.

Mit der allein auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte diesen Schuldspruch mit der Argumentation, sein Tatverhalten sei, zumal (seiner Meinung nach) das bloße Betasten des Geschlechtsteils für die Annahme ausführungsnahen Versuches des Deliktes der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nicht ausreiche, mangels erfolgter (freier) Willensübereinstimmung mit dem Jugendlichen über die Unzuchtshandlungen, bloß als straflose Vorbereitungshandlung zu werten.

Rechtliche Beurteilung

Diese Beschwerdeeinwände versagen.

Zunächst setzt der Begriff des (sei es vollendeten oder nur versuchten) Unzuchttreibens im Sinne des Tatbildes der gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 209

StGB., der Beschwerde zuwider, keineswegs notwendigerweise die freie Einwilligung des Tatobjektes, d.h. einer jugendlichen Person männlichen Geschlechtes, die das vierzehnte, aber noch nicht das 18. Lebensjahr zur Tatzeit vollendet hat, voraus (vgl. Pallin, Wiener Kommentar Rz. 4 zu § 209 StGB.). Denn § 209 StGB. dient - wie schon seinerzeit der inhaltlich gleichgestaltete Tatbestand des § 129 StG. 1945 (i.F. StRÄG. 1971), dem Schutz männlicher Personen in noch prägbarem Alter vor jedweden gleichgeschlechtlichen Erlebnissen, die sie in der Entwicklung ihrer Triebrichtung beeinflussen und sie auf Homosexualität festlegen könnten (vgl. EBRV. zu Punkt 4 bis 6 /§§ 128 bis 130 StG. / des StRÄG. 1971, 39 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XII GP., S. 13 ff.). Unter dem Gesichtspunkt dieses Schutzzweckes kommt es daher bei der Frage der Tatbildlichkeit eines Verhaltens im Sinne des § 209 StGB. nicht darauf an, ob Täter und Opfer willenseins sind, d.h. ob dem Täter die Verführung des Opfers gelingt oder ob dieses bereits von sich aus zur gleichgeschlechtlichen Unzucht bereit ist. Demgemäß hat die oberstgerichtliche Rechtsprechung schon bisher an einer, im Sinne des § 209

StGB. gegebenen Tatbestandsmäßigkeit gleichgeschlechtlicher Unzuchtshandlungen, die von (männlichen) Erwachsenen an Jugendlichen durch Mittel von Zwang oder Nötigung begangen wurden, keinen Zweifel gelassen (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/31, 32 = EvBl. 1977/136 = JBl. 1977, 328; Leukauf-Steininger2, RN. 12 zu § 209 StGB. sowie neuerlich Pallin a. a.O. Rz. 9).

So gesehen bedarf es aber nach Lage des Falles keiner Prüfung der weiteren Frage, ob - wie der Beschwerdeführer allerdings ebenfalls zu Unrecht (vgl. Rittler I2 S. 338) einwendet - (auch) das Tatbild des Ehebruches (§ 194 StGB.) notwendig eine Willensübereinstimmung der (Ehebruchs-)Partner voraussetzt.

Im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen kommt der mangelnden Einwilligung des ausersehenen Unzuchtspartners schließlich aber ebensowenig die Bedeutung einer die Annahme strafbaren Versuches (§ 15 StGB.) des Verbrechens nach § 209 StGB. hindernden Ausführungsferne zu (EvBl. 1978/213), wie dem Umstand, daß es zwischen dem Beschwerdeführer und dem Jugendlichen, als jener auf dessen Glied griff, nur zu einem kurzen körperlichen Kontakt im Bereich der Geschlechtssphäre gekommen ist. Lediglich die Annahme vollendeten Unzuchttreibens nach dem § 209 StGB. erfordert eine intensive, nicht bloß flüchtige Berührung von Körperteilen der Sexualsphäre (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar zum StGB.2, RN. 5 zu § 209). Hingegen kann, der Beschwerde zuwider, ein solcher bloß flüchtiger Kontakt ebenso wie die (auch nur sinngemäße) Aufforderung zu Unzuchtakten an das hiezu nicht bereite Opfer, für sich allein, falls die Unzuchtshandlung nach dem Tatplan des Täters auch in zeitlicher Nähe hätte erfolgen sollen, strafbaren Versuch des Deliktes bedeuten (vgl. EvBl. 1978/213; ÖJZ-LSK.

1979/113; 12 Os 167/80 u.a.). Allein entscheidend ist insoweit, wie stets bei der Abgrenzung strafbaren Versuches von noch straflosen Vorbereitungshandlungen, die jeweils deliktsspezifisch zu prüfende Ausführungsnähe (§ 15 Abs. 2 StGB.), die in Ansehung von Handlungen, die bereits Ausführungshandlungen sind, regelmäßig gegeben ist (vgl. SSt. 46/24 und 37; Leukauf-Steininger2, RN. 19

zu § 15 StGB. und RN. 7 zu § 209 StGB.).

Vorliegend stellt das festgestellte Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, nämlich zunächst sein Unterfangen, beim Jugendlichen durch das Betrachten von Bildern nackter Frauen sexuelle Erregung hervorzurufen, der darauffolgende plötzliche und kräftige Griff auf dessen Glied (wenn auch über der Kleidung) und die Aufforderung, sich zu entkleiden, schon den spezifisch tatbildbezogenen Anfang eines gleichgeschlechtlichen Unzuchttreibens und damit eine begonnene Tatausführungshandlung im Sinne des § 209 StGB. dar, bei welcher auch in subjektiver Beziehung das Täterverhalten bereits in ein Stadium getreten war, das die Annahme rechtfertigt, daß der Angeklagte die entscheidende Hemmstufe vor der Tat bereits überwunden hatte.

Der Beurteilung der festgestellten Handlungsweise des Angeklagten als Verbrechen der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht haftet mithin ein Rechtsirrtum nicht an.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 209 StGB. zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist, als mildernd, die zahlreichen (fünf) einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, das an der Grenze der Unmündigkeit gelegene Alter des Jugendlichen und den Umstand, daß die Qualifikation des § 39 StGB. 'fast' gegeben ist, dagegen als erschwerend.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung und

die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die vom Berufungswerber ins Treffen geführten (weiteren) Milderungsgründe liegen nicht vor. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann hiezu auf die (im Verfahren 5 e Vr 2950/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergangene) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 3.August 1978, GZ. 12 Os 106/78-8, verwiesen werden. Obzwar der Umstand, daß die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB. 'fast' gegeben sind, vom Schöffengericht zu Unrecht neben den ohnehin herangezogenen Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten als zusätzlicher Erschwerungsgrund gewertet wurde, erweist sich die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten bei sachgemäßem Abwägen der gegebenen Strafzumessungsgründe - zumal unter Bedacht auf die Höhe seiner erfolglos gebliebenen einschlägigen Vorstrafen - jedenfalls als seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) durchaus angemessen, sodaß zu einer Strafherabsetzung kein Anlaß bestand.

Die Anordnung bedingter Strafnachsicht hinwieder kam schon im Hinblick auf das durch das belastete Vorleben des Berufungswerbers begründete Fehlen einer bei ihm auch diesfalls gebotenen Gewähr für künftiges Wohlverhalten (§ 43 Abs. 2 StGB.) nicht in Betracht. Es war darum auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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