OGH 12Os37/89

OGH12Os37/896.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.April 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald P*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 10.November 1988, GZ 10 b Vr 442/88-122, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 285 i StPO werden die Akten zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der 30jährige Harald P*** wurde des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3, Z 3 SGG und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 WaffenG schuldig erkannt, weil er - zusammengefaßt wiedergegeben - von August bis Oktober 1986 750 Gramm Heroin (darin rund 600 Gramm Reinsubstanz; sonach eine übergroße Menge dieses Suchtgiftes im Sinne des § 12 Abs. 3 Z 3 SGG) in Verkehr gesetzt (A I) und im Oktober 1986 Franz Z*** dazu bestimmt hat, 70 Gramm Heroin (darin mindestens 42 Gramm Reinsubstanz) aus Holland nach Österreich einzuführen, wobei er zur Tat insofern beitrug, als er Z*** die Fahrt bezahlte, in Amsterdam das Heroin besorgte und Z*** anwies, wie er das Heroin über die Grenze zu bringen hätte; ferner hat er im November 1987 vorsätzlich unbefugt eine Faustfeuerwaffe besessen und geführt (B).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten allein gegen den Schuldspruch nach dem Suchtgiftgesetz aus § 281 Abs. 1 Z 4 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt nicht durch.

Gegenstand der Verfahrensrüge sind vom Angeklagten in der

Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge, die der Ablehnung

verfielen. Das Hauptbegehren zielte auf die Ladung eines

psychiatrischen bzw neurologischen Sachverständigen zum Beweis

dafür, "daß Drogensüchtige über Jahre oder Jahrzehnte über ihre

Aussagetüchtigkeit geprüft wurden und die Glaubwürdigkeit solcher

Zeugen sehr in Frage gestellt ist"; ferner auf die Untersuchung des

(Belastungs-)Zeugen Z*** darüber, "wie weit man seinen

Ausführungen mit Rücksicht auf seine Drogensüchtigkeit Glauben

schenken kann." Für den Fall, daß Z*** mit einer Untersuchung

nicht einverstanden sein sollte, werde beantragt, "einen

Sachverständigen im allgemeinen über die Glaubwürdigkeit oder

Unglaubwürdigkeit von Aussagen, die Drogensüchtige machen, zu

befragen, weil dies (für die Beweiswürdigung) eine Rolle spielen

wird." Weiters wurde die Einvernahme des Harald M*** (als Zeugen)

zum Beweis dafür begehrt, "daß sein Schwager ... (der Angeklagte)

mit Suchtgiftgeschäften in keiner Weise zu tun hatte und er

(M***) dies unter allen Umständen wissen müßte und ... als Zeuge

obige Angaben zu machen bereit ist" (Band IV S 73). Vor Schluß der Verhandlung wurde vom Angeklagten noch ergänzend die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur "Merkfähigkeit vom Standpunkt des Neurologen und Psychiaters hinsichtlich des Zeugen Z***" (richtig Z***) beantragt (Band IV S 77).

Das Schöffengericht hatte die Beweisanträge abgewiesen und dies in Ansehung der Psychiatrierung des Zeugen Z*** im wesentlichen damit begründet, daß in den Aussagen sowohl des vernehmenden Polizeibeamten als auch der zuständigen Untersuchungsrichterin kein Hinweis dafür zu finden sei, daß Z*** zum Zeitpunkt seiner Vernehmung unter Entzugserscheinungen gelitten habe und er selbst anläßlich seiner Befragung am 26.Jänner 1988 dem vernehmenden Beamten erklärte, er befinde sich derzeit (zur Zeit der Vernehmung: Band III S 369) weder in einer psychischen noch physischen Beeinträchtigung. Die Vernehmung des Harald M*** als Zeugen hinwieder erscheine deshalb überflüssig, weil er über irgendwelche Suchtgiftgeschäfte innerhalb der Strafvollzugsanstalt Stein überhaupt keine Angaben mache bzw jeglichen Kontakt mit Heroin in der genannten Anstalt bestreite, sodaß keine Änderung dieser Verantwortung auch bei seiner Vernehmung als Zeuge zu erwarten sei. Über Vorgänge außerhalb der Strafvollzugsanstalt Stein, wie sie dem Angeklagten zur Last gelegt würden, könne er aber zumindest aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen (Band IV S 79). All dem ist mit der grundsätzlichen Ergänzung beizutreten, daß die Psychiatrierung eines Zeugen - soll sie nicht auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises hinauslaufen - konkret erhebliche Bedenken gegen dessen allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit (§ 151 Z 3 StPO) voraussetzt, d. h. objektive Momente, die seine geistige Gesundheit und damit seine Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnisgetreu wiederzugeben, in Frage stellen, wobei solche Zweifel ganz erheblich sein und somit ihrem Gewicht und ihrer Artung nach den im § 11 StGB erfaßten Geistesstörungen gleichkommen müssen, wogegen bloße Charakteranomalien in der Regel noch keinen Anlaß für eine Psychiatrierung abgeben (Mayerhofer-Rieder2 § 150 StPO Nr 41, 43 und 44). Solche Umstände wurden aber vorliegend auch nicht annähernd dargetan, sondern nur auf die Süchtigkeit des Zeugen Z*** im allgemeinen Bezug genommen, was aber nach dem oben Gesagten keineswegs hinreicht, dem Beweisbegehren den Charakter eines unzulässigen Erkundungsbeweises zu nehmen. Im übrigen hätte der Zeuge Z*** - wie vom Antragsteller selbst richtig vorausgesetzt (Band IV S 73) - nur mit seiner Zustimmung psychiatriert werden dürfen (SSt 29/85, SSt 49/55, LSK 1976/151 u.a.).

Die Einvernahme des in der Strafvollzugsanstalt Stein einsitzenden Zeugen M*** jedoch konnte - wie die Tatrichter zutreffend erkannten - schon deshalb ohne weitere Begründung sanktionslos unterbleiben, weil dem Beschwerdeführer nur solche Suchtgiftdelikte zur Last gelegt werden, die außerhalb der genannten Strafvollzugsanstalt begangen wurden. Falls der Angeklagte der Ansicht gewesen sein sollte, daß M*** auch hierüber zielführende Angaben zu machen vermöchte, hätte dies im Beweisantrag einen substantiierenden Niederschlag finden müssen, um dem Schöffengericht eine sachbezogene Behandlung des Beweisbegehrens zu ermöglichen. Da sonach Verteidigungsrechte des Angeklagten durch das bekämpfte Zwischenerkenntnis nicht beeinträchtigt wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen fußen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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