Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB (IV 1 des Urteilsspruches) und demzufolge auch im Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG.
hinsichtlich Michael A und im Zuspruch eines Betrages von 1.000 S an Silvia B aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird Michael A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.August 1967 geborene Hilfsarbeiter Michael A der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 2, 224 StGB (I des Urteilsspruches), der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (III des Urteilsspruches) und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB (IV 1 des Urteilsspruches) sowie des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB (IV 2 des Urteilsspruches) schuldig erkannt. Hinsichtlich des Mitangeklagten Wolfgang C ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen.
Der Angeklagte Michael A bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich im Punkt IV 1 des Schuldspruchs. Seine Berufung richtet sich gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche. Als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erstem Fall StGB wird Michael A angelastet, am 16.Juni 1983 in Gleisdorf als Lenker eines PKWs, Marke Opel Kadett B Coupe, dadurch, daß er dieses Fahrzeug trotz dessen außergewähnlich desolaten Zustands in Betrieb nahm und sich mit einer überhöhten Geschwindigkeit (von 60 bis 65 km/h) einer unübersichtlichen Kreuzung näherte, wodurch er keine unfallsverhütenden Maßnahmen treffen konnte und mit dem unter Verletzung seines Vorrangs in die Kreuzung einfahrenden, von der abgesondert verfolgten Silvia B gelenkten PKW., Ford Taunus 1600, zusammenstieß, fahrlässig Silvia B, Nadja B, Brigitte D und Wolfgang C am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat eine schwere Verletzung der Nadja B, nämlich einen offenen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke und eine Gehirnerschütterung, zur Folge gehabt hat.
Rechtliche Beurteilung
Mit Recht wendet der Beschwerdeführer gegen diesen Schuldspruch ein, daß im Urteil keine Feststellungen über das Bestehen eines Kausal-(und Risiko-)zusammenhangs zwischen dem ihm angelasteten sorgfaltswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Verletzungserfolg getroffen worden sind.
Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestands der fahrlässigen Körperverletzung ist nach herrschender Rechtsprechung einerseits ein (objektiv und subjektiv) sorgfaltswidriges Verhalten des Täters und andererseits ein zurechenbarer Verletzungserfolg, d. h. der Täter muß nicht nur die Sorgfalt außer acht lassen, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, und die ihm zuzumuten ist (§ 6 StGB), sondern zwischen seinem Fehlverhalten und dem eingetretenen Erfolg muß auch ein Kausal- und Risikozusammenhang bestehen.
Im vorliegenden Fall erblickte das Erstgericht einen Sorgfaltsverstoß des Angeklagten Michael A in der Lenkung eines in außergewähnlich desolatem Zustand befindlichen PKWs und in der Annäherung mit diesem an eine unübersichtliche Kreuzung mit einer die gesetzlich zulässige Höchstgrenze von 50 km/h übersteigenden Geschwindigkeit. Im Urteil wird jedoch in keiner Weise ausgesprochen, inwiefern der Zustand des Fahrzeuges den Erfordernissen der Verkehrssicherheit (§ 60 StVO.) nicht entsprochen und zum Erfolgseintritt in seiner konkreten Gestalt beigetragen haben soll. Zudem wurde, wie in der Beschwerde zutreffend gerügt wird, das (in der Hauptverhandlung verlesene) kraftfahrtechnische Gutachten des Sachverständigen Ing. Max E völlig übergangen, wonach der PKW. zum Tatzeitpunkt trotz seines desolaten Zustands mit einer ordnungsgemäß funktionierenden Bremsanlage versehen gewesen, und das Unfallsgeschehen nicht auf technische Gebrechen zurückzuführen sein soll (vgl. S. 39 d.A.).
Zum anderen hat das Erstgericht zwar als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte Michael A eine Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h eingehalten hat, jedoch keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob diese gegen die Vorschrift des § 20 StVO. verstoßende Geschwindigkeitsüberschreitung das Risiko des hiedurch ursächlich herbeigeführten tatbestandsmäßigen Erfolges gegenüber einem rechtmäßigen Alternativverhalten (also gegenüber einem vorgestellten sorgfaltsgemäßen Verhalten) wesentlich erhöht hat (vgl. Steininger, Die moderne Strafrechtsdogmatik und ihr Einfluß auf die Rechtsprechung, ÖJZ. 1981, Heft 14/15, S. 370, Anmerkung 46, Burgstaller im WK., § 6 Rz. 74, § 80 Rz. 74 sowie Leukauf-Steininger 2 , § 80 RN. 29
ff. und die dort zitierte Judikatur). Eine Prüfung der Frage der Risikoerhöhung wäre aber gerade bei einer relativ geringen überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit, wie sie dem Angeklagten vorgeworfen wird, unbedingt erforderlich gewesen, zumal diesem weder eine verspätete Reaktion noch eine Vorrangverletzung angelastet werden konnte.
Es zeigt sich sohin, daß der Schuldspruch wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung mit Feststellungsmängeln im Sinne der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, welche eine Urteilsaufhebung im Umfang der Anfechtung unvermeidlich machen, ohne daß auf die vom Angeklagten A weiters vorgebrachten Beschwerdepunkte eingegangen werden mußte. Im erneuerten Verfahren wird, erforderlichenfalls nach Einholung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens, der gesamte Unfallsverlauf näher zu klären und auf Grund der hierüber zu treffenden Tatsachenfeststellungen im Sinne des oben Dargelegten zu prüfen sein, ob dem Angeklagten Michael A bei Vergleich seiner tatsächlichen Verhaltensweise mit einem Verhalten, welches ihm noch nicht als Sorgfaltsverstoß würde zugerechnet werden können, eine als Folge der Tat eingetretene wesentliche Risikoerhöhung anzulasten ist.
Es war somit der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael A Folge zu geben, der angefochtene Schuldspruch in seinem Punkt IV 1 und demzufolge auch der Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG. und die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche nach § 366 Abs. 2, 369 StPO aufzuheben und die Strafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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