OGH 12Os33/24f

OGH12Os33/24f16.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 7. Februar 2024, GZ 29 Hv 118/23p‑89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00033.24F.0516.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Nacht zum 7. Mai 2023 in I* auf dem Autobahnrastplatz I*/Z* den * J* vorsätzlich getötet, indem er ihm mit einem Klappmesser insgesamt zwölf wuchtige Stiche gegen die Kopfschwarte, die Schulter linksseitig, die linke Achselhöhle, den linken und rechten Oberarm, die linke Brustkorbhälfte mit Durchstich der sechsten Rippe sowie Anstich des linken Lungenoberlappens und des Herzbeutels sowie einen tiefen Einstich in die linke Herzkammer versetzte, worauf J* aufgrund von Blutverlust nach außen und innen sowie an einer Blut- und Gasbrust verstarb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben einer eigentlichen Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB (vgl Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 4). Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer jene Verfahrensergebnisse, welche die begehrte Fragestellung indizieren würden (vgl RIS‑Justiz RS0117447, RS0119417 [T1]), in ihrem inneren Sinnzusammenhang betrachtet (RIS‑Justiz RS0120766 [T6]). Diesem Erfordernis wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie beim Hinweis auf die – von ihr als Indiz für einen Zustand nach § 11 StGB bewertete – Behauptung des Angeklagten zu Beginn seiner Vernehmung, sich an Vieles nicht erinnern zu können (ON 88, 5), außer Acht lässt, dass der Beschwerdeführer im Widerspruch dazu detailreich zu den Ereignissen unmittelbar vor (zB zum Aufschneiden einer Wurst und von Salzgurken mit einem Klappmesser) und nach der Tat (zB zum Verhalten des noch lebenden Opfers) aussagte (ON 88, 9 ff).

[5] Gleiches gilt für die ins Treffen geführte Vernehmung des Sachverständigen zum Blutalkoholspiegel des Angeklagten, aus der sich nicht nur der von der Beschwerde genannte Wert, sondern aufgrund der wechselnden Verantwortung des Angeklagten ganz unterschiedliche Werte ergeben, wobei der Sachverständige letztlich zum Ergebnis kam, sich bezogen auf die Tatzeit mangels Kenntnis von den Zeitpunkten der Alkoholaufnahmen nicht auf einen bestimmten Wert festlegen zu können (ON 88, 24 ff). Zudem führte der Sachverständige – vom Beschwerdeführer vernachlässigt – aus, dass für die Beurteilung eines „Vollrausches“ weniger der Blutalkoholspiegel relevant sei, sondern vielmehr das „Tatverhalten, die Analyse der Vorfälle und das Erinnerungsvermögen“ des Angeklagten. Dessen detaillierte Schilderungen und sein Nachtatverhalten würden gegen einen „Vollrausch“ sprechen (ON 88, 25 f).

[6] Weshalb eine Schlägerei zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer vor oder im Zuge der Tötung rechtlich als Angriff iSd § 3 Abs 1 StGB zu beurteilen sei, legt die weitere, eine Zusatzfrage nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 Abs 1 [gemeint:] erster Satz StGB) und eine Eventualfrage nach (gemeint:) dem Vergehen der fahrlässigen Tötung infolge Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 80 Abs 1 StGB iVm § 3 Abs 2 StGB; vgl aber zum die Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund der Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt [§ 3 Abs 2 StGB] einschließenden Dreifragenschema eingehend Lässig, WK‑StPO § 317 Rz 11) anstrebende Beschwerde (Z 6) nicht dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0100677 [T4]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23; zu § 3 StGB 14 Os 31/06z; Lewisch in WK² StGB § 3 Rz 33).

[7] Schließlich kritisiert die Fragenrüge (Z 6) das Unterbleiben einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB. Weshalb die Verantwortung des Angeklagten über die Möglichkeit eines Streits (ON 88, 19) und dessen Behauptung, vor der Tat noch unverletzt gewesen zu sein (ON 88, 17 f), sowie die – nach dem in der Hauptverhandlung erstatteten Sachverständigengutachten – auf aktive Schläge hindeutenden Verletzungen des Opfers an der linken Hand (ON 88, 23) und das Absetzen eines (verschriftlichten) Notrufs durch den Angeklagten nach der Tat (ON 88, 27 f) nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmende Indizien (vgl RIS‑Justiz RS0100860 [T1]) für eine heftige Gemütsbewegung beim Angeklagten in Frage kommen sollten, wird jedoch nicht schlüssig dargelegt.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 iVm § 344 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i iVm § 344 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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