OGH 12Os32/85

OGH12Os32/8518.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Loidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. September 1984, GZ 2 a Vr 1152/84-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Stöhr zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zur Gänze, jener des Angeklagten hingegen teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, sowohl in seinem freisprechenden Teil als auch in seinem Ausspruch, wonach der Angeklagte bei dem ihm angelasteten Betrug Inge B um einen 100.000 S übersteigenden Betrag geschädigt hat, und demzufolge auch in der Unterstellung dieser Tat unter die Bestimmung des § 147 Abs. 3 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil er am 26. April 1982 und am 10. Mai 1982 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Inge B durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung, Eigentümer der Wohnung Wien 21., Leopoldauer Platz 1/5/3, und der darin aufgestellten Möbel zu sein, zur übergabe von Bargeld im Gesamtbetrag von 200.000 S und damit zu Handlungen verleitet hat, welche die Genannte an ihrem Vermögen um etwa 120.000 S schädigten.

Von der weiteren Anklage, einen Betrug auch dadurch begangen zu haben, daß er in der Zeit von September bis November 1982 in Wien den Alfred B*** durch die Vorlage eines von ihm selbst verfertigten (fingierten), auf Franz C in Waidhofen an der Ybbs lautenden Lieferauftrags, mithin unter Verwendung einer falschen Urkunde, zur Ausfolgung einer Provision von insgesamt 22.000 S verleitete, wodurch Alfred D an seinem Vermögen um einen 5.000 S übersteigenden Betrag geschädigt wurde, wurde Helmut A gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dieses Urteil wird im Schuldspruch vom Angeklagten (aus den Gründen der Z 5, 9 lit.a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO) und im Freispruch von der Staatsanwaltschaft (aus dem Grund der Z 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle) mit Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft. Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Gesichtspunkt eines formellen Begründungsmangels (Z 5) wendet sich der Angeklagte zunächst gegen die Annahme eines Betrugsvorsatzes mit der Behauptung, das Erstgericht habe es unterlassen, auf verschiedene für die Beurteilung der inneren Tatseite wesentliche Tatumstände einzugehen; zudem werde seine Verantwortung in der Hauptverhandlung in den Urteilsgründen unrichtig wiedergegeben. Die Rüge versagt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte die Wohnung Wien 21., Leopoldauer Platz 1/5/3, in einer Wiener Tageszeitung zur Hauptmiete angeboten, obwohl sie im Eigentum des Valentin E stand und vom Angeklagten einschließlich der kompletten Kücheneinrichtung und der Garderobe (mit Schrank) im September 1981 lediglich gemietet und dabei ausdrücklich vereinbart worden war, daß jede 'Untervermietung, Weitervermietung oder Verpachtung' an Dritte unzulässig ist. Im April 1982 trat der Angeklagte mit der kaufmännischen Angestellten Inge B in Kontakt und verhandelte mit ihr über einen Hauptmietzins, über die Ablöse der Wohnungseinrichtung und über einen allfälligen Verkauf der Wohnung an sie. Hiebei war ihm bewußt, daß Inge B ihn zufolge seiner Vortäuschung, Wohnungseigentümer zu sein, auch als Eigentümer aller Einrichtungsgegenstände und daher als befugt ansah, das Eigentum daran an sie zu übertragen. Für die in der Wohnung vorhandenen Möbel wurde sodann ein Kaufpreis von 200.000 S vereinbart, den Inge B am (20. oder) 26. April 1982 und am 10. Mai 1982 in zwei Teilbeträgen von je 100.000 S in bar entrichtet hat. Hiebei unterließ es der Angeklagte mit dem Vorsatz, seine Kontrahentin zu täuschen und sie an ihrem Vermögen zu schädigen, sich selbst aber durch die von ihm geplante Vermögensverschiebung (unrechtmäßig) zu bereichern, Inge B darüber aufzuklären, daß ein wesentlicher Teil der Wohnungseinrichtung, nämlich die Küche, ein Geschirrspüler, eine Waschmaschine, ein Elektroherd und ein Eisschrank sowie die Garderobe mit Schrank, nicht ihm, sondern dem Valentin E gehört und er darüber nicht verfügen darf. Das Erstgericht folgte hiebei den für beweiskräftig erachteten Zeugenaussagen der Inge B und des Peter B, wonach die 200.000 S für den Kauf der gesamten Wohnungseinrichtung hingegeben worden sind. Hingegen lehnte es die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachte Verantwortung, von Inge B bloß 150.000 S erhalten und ihr ausschließlich ihm gehörige Einrichtungsgegenstände verkauft zu haben, mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf seine wechselnden Angaben vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter als unglaubwürdig ab. Den Beschwerdeausführungen zuwider ging diese Verantwortung des Angeklagten sehr wohl dahin, er habe seine Möbel mitsamt dem Vorkaufsrecht an Inge B verkaufen wollen (vgl. S 144 d.A); eine Aktenwidrigkeit ist dem Gericht demnach bei der Wiedergabe der Angaben des Angeklagten nicht unterlaufen. Als unzutreffend erweist sich auch der Beschwerdeeinwand, der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen sei unvollständig geblieben, weil in den Urteilsgründen jene Verfahrensergebnisse unerörtert geblieben seien, denen zufolge der Angeklagte die ihm von Valentin E eingeräumte Kaufoption an Inge B habe weitergeben wollen, die zunächst beabsichtigt hätte, die Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt (um weitere 200.000 S) zu kaufen, und ihm zu diesem Zweck eine Vollmacht für die Verkaufsverhandlungen erteilt habe. In der Urteilsbegründung wird nämlich ohnehin berücksichtigt, daß Inge B einen Kauf der Wohnung in Aussicht genommen hatte (vgl. S 135 d.A), und auch auf die Darstellung des Angeklagten verwiesen, er habe seiner Kontrahentin in dem mit ihm errichteten Mietvertrag ein Vorkaufsrecht zugestanden, weil ihm selbst vom Wohnungseigentümer ein Optionsrecht eingeräumt worden war (vgl. S 187 ff d.A). Davon abgesehen kommt der Frage, ob der Angeklagte mit Grund damit rechnen konnte, daß zwischen Valentin E und Inge B ein Wohnungskauf zustande kommen werde, durch welchen die Käuferin auch das Eigentum an der (dem Wohnungseigentümer gehörigen) Küchen- und Badezimmereinrichtung erwerben würde, vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu. Wesentlich ist vielmehr - wie das Erstgericht richtig erkannte - nur, auf welche Gegenstände sich die zwischen dem Angeklagten und Inge B getroffene Kaufvereinbarung bezogen hat. Ein Schaden ist nämlich schon dann eingetreten, wenn der Getäuschte für die Hingabe eines wirtschaftlichen Wertes kein entsprechendes öquivalent erlangt hat; weder der durch das Verhalten des Getäuschten bewirkte Vermögensschaden, noch die hiedurch auf Seiten des Täters oder eines Dritten eingetretene (unrechtmäßige) Bereicherung müssen dauernd sein (vgl. ÖJZ-LSK 1977/142; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , § 146

RN 33). Wer unter der Vorspiegelung, über eine Sache verfügungsberechtigt zu sein, die betreffende Sache verkauft und solcherart dem Getäuschten kein Eigentum verschafft, schädigt das Opfer insoweit um den Kaufpreis (vgl. ÖJZ-LSK 1984/107). Am Eintritt eines Vermögensschadens ändert es folglich nichts, wenn der Täter darauf hofft, daß durch ein weiteres künftiges Rechtsgeschäft zwischen dem Getäuschten und einem Dritten, dessen Abschluß seiner Ingerenz mehr oder minder entzogen ist, das öquivalent für den Kaufpreis seinem Vertragspartner letztlich doch noch zukommen werde.

Daß der Angeklagte Inge B nicht nur durch Verschweigen des Eigentums eines Dritten (an der Wohnung und an einem Teil der darin befindlichen Einrichtungsgegenstände) täuschen und zur übertragung von Vermögenswerten ohne entsprechende Gegenleistung verleiten wollte, sondern auch mit dem Vorsatz gehandelt hat, die Käuferin im dargelegten Sinn zu schädigen und sich selbst auf diese Weise unrechtmäßig zu bereichern, hat das Schöffengericht ausdrücklich festgestellt (vgl. S 186 f, 191 d.A) und, wie sich aus dem bereits Gesagten ergibt, auch mängelfrei begründet. Soweit sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) über diese Urteilsannahmen hinwegsetzt und einen Schädigungsvorsatz negiert, bringt er den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Berechtigt ist dagegen die Beschwerde des Angeklagten insoweit, als damit (aus den Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO) die Annahme bekämpft wird, der Inge B durch das inkriminierte Tatverhalten erwachsene und im Vorsatz des Angeklagten gelegene Vermögensschaden übersteige den Betrag von 100.000 S. Das Erstgericht ist bei diesem Ausspruch von der überlegung ausgegangen, daß der Angeklagte im Verfahren den Wert des ihm gehörigen und daher rechtmäßig an Inge B übertragenen Teils der Einrichtungsgegenstände zunächst selbst mit 50.000 S begrenzt (vgl. S 189 d.A) und den Neuwert dieses bereits gebrauchten und deshalb nach Überzeugung des Gerichtes um 25 % im Wert verminderten Mobiliars mit 125.000 S beziffert hat (vgl. S 145 f, 191 d.A), auf welcher Grundlage es einen (tätergewollten) Schaden von rund 125.000 S konstatierte.

Diese Argumentation entspricht indes nicht den Erfordernissen einer formal zureichenden, logisch einwandfreien und alle Beweisergebnisse berücksichtigenden Begründung.

Zum einen hat, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, der Eigentümer die Kücheneinrichtung samt Geräten (wozu noch die Badezimmereinrichtung, Toilette und Spannteppiche kommen) selbst mit nur 80.000 S bewertet (vgl. S 165 f d.A); indem das Gericht diese Bekundung des Zeugen E mit Stillschweigen übergangen hat, ist die Begründung des angefochtenen Urteils in Ansehung der Wertfeststellung unvollständig geblieben. Zum anderen kommt es bei der Entscheidung, welchen Schaden der Angeklagte im Rahmen des Betrugsvorwurfes zu verantworten hat, nicht allein auf die objektiven Wertverhältnisse, sondern, wie der Beschwerdeführer des weiteren zutreffend einwendet, auch darauf an, welcher aliquote wertmäßige Anteil des mit 200.000 S vereinbarten Entgeltes einerseits auf die Einrichtungsgegenstände, die im Eigentum des Angeklagten gestanden sind und daher der Geschädigten rechtsgültig übertragen werden konnten, andererseits aber auf jene Sachen des Valentin E entfällt, über die der Angeklagte nicht verfügen durfte und in Ansehung derer er der Getäuschten Eigentum nicht verschaffen konnte; insoweit wären auch opferbezogene Aspekte in die Schadensberechnung einzubeziehen (vgl. Kienapfel, BT II, Allg. Vorbem. RN 92 ff und § 146 RN 175 ff). So gesehen erweist sich die Begründung des Gerichtes für seinen Ausspruch, der Angeklagte habe Inge B vorsätzlich an ihrem Vermögen um einen 100.000 S übersteigenden Betrag geschädigt und daher die (Verbrechens-) Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB zu verantworten, als im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO mangelhaft, weshalb die Aufhebung des Urteils in diesem Umfang unvermeidlich ist. Im erneuerten Verfahren wird nach allfälliger Ergänzung des Beweisverfahrens zu prüfen sein, welcher Wert bei Zugrundelegung eines Gesamtkaufpreises von 200.000 S für sämtliche vom Kaufvertrag erfaßten Gegenstände für die zu Unrecht veräußerten Möbel zu veranschlagen ist und ob demgemäß durch die Vorspiegelung des Angeklagten, Eigentümer sämtlicher Einrichtungsgegenstände der Wohnung zu sein, der der Käuferin erwachsene (und vom Tätervorsatz erfaßte) aliquote Schaden 100.000 S zweifelsfrei übersteigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Gegen den (Teil)Freispruch wendet die Staatsanwaltschaft einen Feststellungsmangel gemäß der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO ein, indem sie reklamiert, das Beweisverfahren habe gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, daß das Verhalten des Angeklagten (jedenfalls) als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu qualifizieren gewesen wäre.

Den Freispruch hat das Erstgericht ausschließlich damit begründet, es sei nach den in der Firma des Geschädigten Alfred D gepflogenen Praktiken nicht auszuschließen, daß der Angeklagte eine telefonische Bestellung erhalten, auf Grund dieses Auftrags eine Bestellurkunde hergestellt und diese dem Alfred D weitergegeben hat. Demgemäß ist ein Handeln des Angeklagten mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz verneint worden; dies ist seitens der Anklagebehörde unbekämpft geblieben. Zu Recht weist die Staatsanwaltschaft jedoch darauf hin, daß der Angeklagte sich selbst dahin verantwortet hat, auf dem bezüglichen Auftrag eine auf Franz C lautende Unterschrift ohne Ermächtigung des Namensträgers nachgemacht und den fingierten Bestellschein dem Alfred D übergeben zu haben (vgl. S 99, 108, 149 d.A). Obwohl die Verfahrensergebnisse somit die Begehung des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB durch den Gebrauch einer (vom Angeklagten hergestellten) falschen Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes indizieren, sind vom Erstgericht weder Konstatierungen über die Ausstellung des Bestellscheines und dessen Vorlage an Alfred D, noch zur inneren Tatseite getroffen worden.

Im Hinblick auf diese (zutreffend relevierten) Feststellungsmängel war daher (auch) der Freispruch zu kassieren und insoweit ebenfalls die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen. Im zweiten Rechtsgang wird dabei zu beachten sein, daß das Wesen einer falschen (unechten) Urkunde in der Täuschung über die Ausstelleridentität besteht (vgl. ÖJZ-LSK 1983/41) und demgemäß eine falsche Urkunde im Sinne des § 223 StGB auch dann hergestellt wird, wenn der Täter die urkundliche Erklärung mit (ausdrücklicher oder konkludenter) Einwilligung des Namensträgers abgibt, soferne es sich nicht um einen für den Urkundengebrauch im Rechtsverkehr völlig belanglosen Akt einer bloß (verdeckten) stellvertretenden Erklärung handelt (vgl. ÖJZ-LSK 1983/26).

über die Nichtigkeitsbeschwerden war daher spruchgemäß zu erkennen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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