European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00032.19A.1015.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das in Bezug auf den Freispruch und das Einziehungserkenntnis unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I./ und II./, demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie im Verfalls‑ und im Konfiskationsausspruch, sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung und der implizierten Beschwerde wird der Angeklagte ebenso auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert K***** jeweils der (nicht näher bezeichneten) „Verbrechen“ nach § 28a „Abs 1, Abs 2 Z 3 SMG“ (I./) sowie „nach § 28a Abs 1 SMG“ (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in G***** und anderen Orten vorschriftswidrig
I./ zur Erzeugung von Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmengedes § 28b SMG übersteigenden Menge beigetragen, indem er im Jahr 2017 den abgesondert Verfolgten Mathias S***** und Kevin P*****, die im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in W***** mindestens 3.150 Gramm Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut (315 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz)in einer Indoor-Anlage erzeugten, im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Hanfshops „L*****“ und „Lu*****“ zumindest 45 Cannabisstecklinge, fünf LED-Paneele sowie diverses anderes Zubehör, wie es für die Aufzucht von Cannabispflanzen zum Zwecke der Suchtgiftgewinnung verwendet wird, verkaufte, wobei er die beiden Genannten hinsichtlich der Anwendung der LED-Lampen beriet und auch instruierte, um einen möglichst hohen Ertrag bezüglich der Aufzucht der Pflanzen zu erzielen;
II./ bis zur Sicherstellung am 6. Juni 2018 Cannabispflanzen zum Zwecke der Gewinnung einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge von Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass es durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr gesetzt werde, indem er neun Cannabispflanzenin einer Indoor-Anlage im Keller seines Hauses am *****, anpflanzte, betreute, kultivierte und hochzog, „wodurch insgesamt 357,4 Gramm brutto sowie 305,3 Gramm brutto an Cannabisblüten, netto 342,2 Gramm und 290,1 Gramm mit 10,20 +/- 0,43 bzw 10,75 +/- 0,35 % Gehalt an Delta 9 THC bzw 34,90 +/- 1,47 und 31.19 +/- 1,03 Gramm an Delta 9 THC entstanden bzw wuchsen“.
Gleichzeitig wurde der Genannte gemäß § 259 Z 3 StPO – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft von Relevanz – vom Vorwurf freigesprochen, er habe Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er im Zeitraum von zumindest Anfang 2017 bis Februar 2018 einen Teil des von Dominic M***** im Auftrag des Kevin P***** und des Mathias S***** wiederholt aus Holland importierten Suchtgifts, nämlich mindestens 5.000 Gramm Amphetamin (250 Gramm Amphetamin-Base in Reinsubstanz bzw 25 Grenzmengen), das zu Punkt A./I./ selbst erzeugte Delta-9-THC-haltige Cannabiskraut sowie eine unbekannte Anzahl an MDMA‑hältigen Ecstasy-Tabletten an nicht ausgeforschte Abnehmer im Großraum G***** und in Oberösterreich gewinnbringend weiterveräußerte, wobei sein Vorsatz jeweils auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Begehung über einen längeren Zeitraum sowie den daran geknüpften Additionseffekt und die Überschreitung des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge mitumfasste.
Gegen die Schuldsprüche I./ und II./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, während sich die zu dessen Nachteil aus § 281 Abs 1 Z 5 und 7 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den oben angeführten Freispruch (Anklagepunkt C./ in ON 21) wendet.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Beschwerde richtet sich inhaltlich allein gegen den Freispruch vom Vorwurf des Überlassens von (ua) 250 Gramm Amphetamin-Base und einer unbekannten Anzahl von MDMA-hältigen Ecstasy-Tabletten in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge und behauptet im Rahmen der Mängelrüge insoweit Unvollständigkeit, Widerspruch sowie eine „gänzlich“ fehlende Begründung (Z 5 zweiter, dritter und vierter Fall).
Mit sich in Widerspruch (Z 5 dritter Fall) steht ein Urteil dann, wenn das Gericht entscheidende Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder nicht nebeneinander bestehen können. Eine Gesamtschau der Urteilsausfertigung kann jedoch die Möglichkeit bieten, einen (bloß vermeintlichen) Widerspruch klarstellend aufzulösen (RIS‑Justiz RS0117402 [T17]).
Im vorliegenden Fall führten die Tatrichter im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zum Schuldspruch I./ zwar aus, der Angeklagte habe „als Pfand für die Bezahlung des Kaufbetrags eine nicht näher bekannte Menge amphetaminhältiger Substanzen“ übernommen (US 1), und trafen in den Entscheidungsgründen auch die Feststellung, dem Angeklagten sei „eine nicht näher bekannte Menge an amphetaminhältigem Speed übergeben“ worden (US 8 dritter Absatz). Noch im selben Absatz konkretisierten die Tatrichter jedoch, es könne nicht festgestellt werden, „welchen Reinheitsgrad an Amphetamin dieser Stoff“ gehabt habe, und ebenso wenig, „ob es wirklich Amphetamin oder ein Amphetaminderivat war“, und erörterten in weiterer Folge, dass sich ein (wiederholter) Bezug von Amphetamin […] „aus keinem Verfahrensergebnis mit der im Strafrecht erforderlichen Sicherheit ableiten“ ließe (US 16 erster Absatz).
Aus der gebotenen Gesamtschau der Urteilsgründe (vgl RIS‑Justiz RS0119089 [T6], RS0099636) ist demnach ersichtlich, dass die Tatrichter eine (positive) Feststellung, wonach es sich um Amphetamin oder ein Amphetaminderivat gehandelt habe, gerade nicht getroffen haben, sodass entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin diesbezüglich ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) hinsichtlich entscheidender Tatsachen nicht vorliegt.
Dem im Hinblick auf die Negativfeststellungen zum Erhalt von Amphetamin (Amphetaminderivat) oder von Ecstasy-Tabletten, zum Weiterverkauf dieser Substanzen (US 8) oder zu einem mit dem Vorsatz nachfolgender Inverkehrsetzung erfolgten Erwerb (US 8 f und 14) erhobenen Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit den – insoweit als unglaubwürdig erachteten – Angaben der Zeugen Mathias S***** und Kevin P***** auch in Bezug auf eine allfällige Übergabe von Amphetamin oder Ecstasy-Tabletten an den Angeklagten (ON 2 S 20, 35 und 43 f) ausreichend auseinandergesetzt, indem sie deutlich zum Ausdruck brachten, dass diese keine verlässlichen Anhaltspunkte für die Annahme weiterer (demnach über die vorliegenden Schuldsprüche hinausgehender) Tathandlungen des Angeklagten enthielten (US 15). Gleiches gilt für die entsprechenden Angaben des Angeklagten (ON 14 S 7 und ON 32 S 8), welche die Tatrichter in Bezug auf die „sonstige Teilnahme am Drogenhandel“ bzw Involvierung „in diesem Business“ und damit auf weitere Tathandlungen als inhaltlich „bloß [gemeint:] vage“ bezeichneten und dabei dem Gebot gedrängter Darstellung folgend (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428) insgesamt ausreichend würdigten (US 19).
Im Übrigen stehen die von der Beschwerdeführerin angeführten Angaben der genannten Zeugen und des Angeklagten in Bezug auf den Vorwurf der Übernahme von Amphetamin der Urteilsannahme, wonach der Reinheitsgehalt an Amphetamin und die Tatsache, ob es „wirklich Amphetamin oder ein Amphetaminderivat war“ und ob diese Übernahme mit einem auf Inverkehrsetzung gerichteten Vorsatz erfolgte, nicht festgestellt werden könne (US 8 dritter Absatz und US 9 erster Absatz), nicht entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).
Schon im Hinblick auf die erwähnten Urteilserwägungen blieben die von der Beschwerdeführerin bekämpften Negativfeststellungen somit auch nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall).
Angesichts der erfolglosen Bekämpfung der (Negativ‑)Feststellungen zur Übernahme und Überlassung von Amphetamin und Ecstasy-Tabletten durch den Angeklagten erübrigt sich ein Eingehen auf die zur subjektiven Tatseite geltend gemachten Feststellungsmängel (Z 9 lit a).
Der weitere Einwand, angesichts des konstatierten Besitzes einer „nicht näher bekannte[n] Menge an amphetaminhältigem Speed“ wäre ein entsprechender Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu fällen gewesen (nominell Z 7, inhaltlich Z 9 lit a), ignoriert die – wie oben dargelegt – insgesamt mängelfreie Negativfeststellung zur Entgegennahme eines entsprechenden Suchtgifts (US 8 dritter Absatz) und verfehlt damit seine gesetzmäßige Darstellung (RIS‑Justiz RS0099810).
Soweit die Anklagebehörde ausdrücklich und uneingeschränkt „Punkt 4. des Freispruchs (Punkt C./ der Anklageschrift)“ bekämpft, wurden hinsichtlich der weiteren von diesem Freispruchspunkt umfassten Tathandlungen Nichtigkeitsgründe weder bei der Anmeldung noch in der Ausführung des Rechtsmittels deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass die Schuldsprüche mit nicht geltend gemachten, sich jedoch zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirkenden Rechtsfehlern mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) behaftet sind.
Denn die Tatrichter trafen keine ausreichenden Feststellungen dazu, dass sich der auf einen Beitrag zur Erzeugung von Suchtgift gerichtete Vorsatz des Angeklagten auch auf die Erzeugung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) – hier um mehr als das Fünfzehnfache – übersteigenden Suchtgiftmenge bezog. Solche lassen sich auch nicht mit der notwendigen Sicherheit aus den zu einem Freispruchfaktum getroffenen Urteilsannahmen ableiten, wonach eine Kenntnis des Angeklagten vom Vorhaben von Mathias S***** und Kevin P*****, „Suchtgift in weiteren (großen) Mengen“ zu erzeugen, nicht festgestellt werden könne (vgl US 7), sodass es dem erwähnten Schuldspruch insoweit am erforderlichen Tatsachensubstrat für die Subsumtion unter das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG mangelt (vgl RIS‑Justiz RS0089884, RS0103984).
Die zum Schuldspruch II./ getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte in einer Indoor-Anlage im Keller seines Hauses in G***** Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge von Suchtgift mit dem „Vorsatz“ anbaute, dass es durch gewinnbringenden Verkauf in Verkehr gesetzt werde, indem er bis zur Sicherstellung am 6. Juni 2018 neun Cannabispflanzen anpflanzte, betreute, kultivierte und aufzog (US 9), tragen wiederum die Subsumtion unter „das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG“ (US 2 und 20, jeweils Mitte) nicht, zumal auch die Beurteilung des Tatgeschehens als versuchte „Erzeugung“ iSd § 28a Abs 1 erster Fall SMG die fallaktuell nicht erfolgte Konstatierung einer dem Abschneiden der Pflanzen unmittelbar vorangehenden Handlung erfordern würde (vgl US 9 vorletzter Absatz; RIS‑Justiz RS0124029). Eine Entscheidung in der Sache selbst durch Unterstellung der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen unter das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG kam schon deshalb nicht in Betracht, weil ein auf die Überschreitung der Grenzmenge gerichteter Vorsatz im Ergebnis unbegründet geblieben ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 415).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden war das angefochtene Urteil, welches in Bezug auf den Freispruch und das Einziehungserkenntnis unberührt zu bleiben hatte, daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung in den Schuldsprüchen I./ und II./, demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie im Verfalls- und im Konfiskationsausspruch ebenso wie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO sofort aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
Ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erübrigt sich damit.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und impliziten Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Gleiches gilt für die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
Für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO in Ansehung des Einziehungserkenntnisses besteht mangels eines Nachteils des Fehlens einer Determinierung des „sichergestellte[n] Suchtgift[s]“ für den Angeklagten (§ 34 SMG; vgl RIS‑Justiz RS0088115) kein Anlass (vgl 15 Os 76/12h).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)