OGH 12Os32/18z

OGH12Os32/18z19.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 12. Dezember 2017, GZ 37 Hv 115/17v‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00032.18Z.0419.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas S***** zweier Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./) und eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. März 2017 in K***** Katharina P*****

I./ außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung von geschlechtlichen Handlungen genötigt, und zwar

A./ im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung, indem er sie an den Händen erfasste und diese verdrehte, wodurch die Genannte auf die Knie gehen musste, „woraufhin er ihr seine mit einer Arbeitshose bekleideten Genitalien ins Gesicht drückte“;

B./ einige Zeit nach der unter Punkt II./ beschriebenen Tat, indem er sie am Hals packte und würgte, nachdem er auf die Couch gefallen war, am Oberarm erfasste, zu sich herunterzog und weiterhin festhielt, sodass er mit der Hand unter ihr T-Shirt fahren, ihr auf die Brust greifen und an ihrer Brustwarze ziehen konnte;

II./ kurze Zeit nach der unter Punkt I./A./ beschriebenen Tat mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie an den Händen festhielt und, nachdem beide infolge des Gerangels zu Boden gegangen waren und er auf der Genannten zu liegen gekommen war, mit einer Hand an der Schulter niederdrückte, woraufhin er trotz ihrerseitiger Gegenwehr seine Hand unter ihre Hose schob, zunächst ihre Scheide mit der Hand massierte und in Folge mit dem Mittelfinger in sie eindrang und sie fortwährend digital penetrierte, wobei er aufgrund der anhaltenden Gegenwehr nach etwa drei Minuten seine Hand aus ihrer Hose zog, auf ihre bekleidete Brust griff und sodann von ihr abließ.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die (vom Schöffensenat im Übrigen zutreffend begründete [ON 20 S 23 f]) Abweisung einer Reihe von Beweisanträgen Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verkürzt.

Die im Zusammenhang mit dem Antrag auf Vernehmung des Polizeibeamten W***** als Zeugen (ON 20 S 21) angegebenen Beweisthemen, und zwar „der Zustand der Katharina P***** unmittelbar nach der vermeintlichen Tat“, „was sie von sich gegeben hat“, „wie das Gespräch abgelaufen ist, ob man ihr eine Einvernahme durch eine Frau angeboten hat oder nicht“, weiters, dass „sie zu keinem Zeitpunkt von einer Penetration oder irgendwelchen geschlechtlichen Handlungen gesprochen hat“, bezogen sich auf keine entscheidenden Tatsachen. Davon abgesehen waren diese Beweisbegehren auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (vgl RIS‑Justiz RS0118123).

Entsprechendes gilt auch für die Anträge auf „Ladung“ des behandelnden Arztes „zum Beweis, dass es zu keinen sexuellen Übergriffen gekommen sei“, und „die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychologie, zum Beweis dafür, dass bei Frau P***** eine Falschbezichtigungstendenz vorliegt“. Im Hinblick auf die begehrte Zeugenvernehmung gab der Antragsteller nicht bekannt, über welche relevanten Wahrnehmungen der Arzt hätte berichten können. Das weitere mit diesem Beweisantrag verbundene Tatsachenvorbringen, wonach sich das Opfer diesem Zeugen gegenüber nicht zu einem sexuellen Übergriff des Angeklagten geäußert habe, haben die Tatrichter ohnedies als erwiesen angesehen (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl ON 20 S 24). Was den weiters begehrten Sachverständigenbeweis betrifft, behauptete der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Sachverhaltskonstellation, in welcher die Beiziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ausnahmsweise erforderlich gewesen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0097733), nicht.

Das in der Beschwerdeausführung nachgetragene Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) die Erwägungen der Tatrichter, dass die leugnende Verantwortung des Angeklagten durch das Beweisverfahren widerlegt sei, als inhaltsleer kritisiert, nimmt sie nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370) und erschöpft sich solcherart selbst in einem unsubstantiierten Vorbringen.

Tatmotive betreffen keinen für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand (RIS‑Justiz RS0088761), sodass der Einwand, die Tatrichter hätten dem Angeklagten mehrere solche zu Unrecht unterstellt (Z 5 vierter Fall), von Vornherein ins Leere geht.

Dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend, war der Schöffensenat nicht verpflichtet, sämtliche Details der– insgesamt als unglaubhaft verworfenen – Einlassung des Angeklagten (zu seinem fehlenden sexuellen Verlangen und seinen Einschätzungen zu den Beweggründen für die belastenden Angaben der Zeugin Katharina P*****) zu erörtern.

Indem die Beschwerde die vom Schöffensenat (unter anderem) aus der Schilderung eines „verworrenen“ Lebenssachverhalts abgeleitete Glaubwürdigkeit der Angaben des Opfers (US 7 f) auf Basis eigener Beweiserwägungen kritisiert, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Solcherart unzulässige Beweiswürdigungskritik übt der Beschwerdeführer auch, soweit er die Glaubwürdigkeit der Zeugin Katharina P***** mit Überlegungen in Zweifel zu ziehen sucht, wonach diese den Angeklagten anlässlich ihrer kriminalpolizeilichen Vernehmung (noch) nicht belastete, und weiters unwesentliche Details der Aussage des Opfers zum genauen Ablauf der zu II./ angelasteten Digitalpenetration hervorkehrt.

Dass der Angeklagte anlässlich des ihm zu I./A./ angelasteten Verhaltens äußerte, Katharina P***** solle ihm einen „blasen“ (US 4), ist ebenso wie die (zu II./) getroffene Konstatierung, dass dieser dem Opfer auch noch auf die bekleidete Brust griff, nicht entscheidend, weshalb das darauf bezogene Beschwerdevorbringen auf sich beruhen kann.

Soweit die gegen den Schuldspruch I./A./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur Intensität des Kontakts zwischen dem Geschlechtsteil des Angeklagten und dem Körper des Opfers (vgl dazu RIS‑Justiz RS0095810 [T1]; Hinterhofer/Rosbaud BT II 6 § 202 Rz 10 f mwN) vermisst, übergeht sie prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die Urteilsannahmen der Tatrichter, die im Drücken der Genitalien des Angeklagten in das Gesicht des Opfers eine nicht bloß flüchtige Berührung erblickten (US 13 f).

Die Kritik am Unterbleiben von Feststellungen zum fehlenden Einverständnis des Opfers (zu I./A./ in objektiver und zu sämtlichen Schuldspruchfakten in subjektiver Hinsicht) berücksichtigt nicht die Gesamtheit der darauf bezogenen Urteilsannahmen (vgl US 4, 5, 6, 14). Diesen lässt sich die vom Angeklagten auch erkannte Ablehnung der erzwungenen geschlechtlichen Handlungen durch Katharina P***** unmissverständlich entnehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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