OGH 12Os32/03

OGH12Os32/033.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Habl, Dr. Zehetner, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef und Christine P***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und weiterer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. Dezember 2002, GZ 12 Hv 59/02v-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Christine P***** betreffende, ausgeführte, jedoch nicht angemeldete Berufung der Staatsanwaltschaft werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (weiteren) Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef P***** wurde der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (A/I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A/II) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (A/III) schuldig erkannt, Christine (Erika) P***** des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 und Abs 2 StGB (B/1 und 2) schuldig erkannt. Danach haben in St. Veit an der Glan

"zu A: Josef P*****

I) an einem nicht näher bestimmbaren Tag im Sommer 1996 seine am 30. 9. 1985 geborene Stieftochter Dunja P***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er sie in zwei Angriffen mehrmals an den entblößten Brüsten und im Genitalbereich streichelte bzw betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte;

II) im Zeitraum zwischen Sommer 1996 bis 29. 9. 1999 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich an seiner am 30. 9. 1985 geborenen Stieftochter Dunja P***** vorgenommen, indem er die Unmündige in unzähligen Angriffen an den Brüsten und im Genitalbereich streichelte bzw betastete;

III) im Zeitraum zwischen Sommer 1996 und November 2000 durch die zu

I) und II) geschilderten Tathandlungen seine am 30. 9. 1985 geborene

Stieftochter Dunja P***** zur Unzucht missbraucht;

zu B) Christine (Erika) P***** im Zeitraum seit zumindest 1991 bis Sommer 2000 (gegenüber) ihre(r) am 30. 9. 1985 geborene(n) Tochter Dunja P*****, die ihrer Obhut unterstand und das 18. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hatte,

1.) dadurch, dass sie sie in unzähligen Angriffen aus ungerechtfertigen Anlässen teils mit der Hand, teils mit Gegenständen heftige Schläge versetzte, körperliche und seelische Qualen zugefügt;

2.) ihre Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut gröblich vernachlässigt, indem sie es in Kenntnis der zu A/I geschilderten Missbrauchshandlungen unterließ, geeignete Maßnahmen dagegen zu ergreifen bzw ihrer Tochter zu helfen und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, ihre Gesundheit bzw ihre körperliche oder geistige Entwicklung beträchtlich geschädigt."

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Schuldsprüche gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte (gemeinsam ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht. Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 18. Dezember 2002 zum Faktum B/1 gestellten Beweisanträge wurden - der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - Verteidigungsrechte der Beschwerdeführerin nicht verkürzt. Die beantragte Vernehmung der Zeugen Irmgard H*****, Gerlinde Po*****, Sigrid D***** und Hildegard B***** zum Beweis dafür, "dass durch die genannten Personen (Lehrerinnen der mj Dunja P*****) während der gesamten Hauptschulzeit von massiven körperlichen Misshandlungen herrührende Verletzungen (an der Minderjährigen) nicht festgestellt werden konnten, obwohl dies hätte der Fall sein müssen" (S 75/II), ist zu Recht unterblieben. Denn zum inkriminierten Tatverhalten und dessen Folgen hätte es bei Antragstellung einer entsprechenden Konkretisierung bedurft, aus welchen Gründen die genannten Lehrerinnen durch lückenlose, auch - jedenfalls oder allenfalls - von Bekleidung verdeckte Körperteile (dazu 35, 179, 210 ff/I) erfassende Beobachtung ihrer Schülerin schuldsprucherhebliche Angaben zum Beweisthema machen könnten und inwiefern die mangelnde Wahrnehmung von sichtbaren Verletzungen die durch belastende Angaben der Dunja P***** dokumentierte Täterschaft ihrer Mutter ausschließen soll (Ratz WK-StPO § 281 Rz 330, 332 f; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19).

Da die Tatrichter jenen Angaben des Tatopfers nicht folgten, wonach Schläge mit dem Schöpflöffel dessen Deformation bewirkt hätten (US 6, 26 Mitte), war sowohl die geforderte Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Materialkunde zum Beweis dafür, "dass ein Schöpflöffel (gemeint: bei einem Schlag auf den Kopf) nur durch so massive Gewalt eingedellt werden kann, dass eine ebenso massive Verletzung unvermeidlich ist" (S 75 f/II), als auch die zum selben Beweisthema begehrte Zuziehung eines Sachverständigen "aus dem Ärztefach" entbehrlich (Mayerhofer aaO E 67). Die zur Antragsbegründung nachgetragenen Ergänzungen im Rechtsmittel sind als verspätet unbeachtlich (Ratz aaO Rz 325; Mayerhofer aaO E 41). In der Tatsachenrüge (Z 5a) weist der Angeklagte Josef P***** auf den (in der Beweiswürdigung ohnedies berücksichtigten, US 10 f) Umstand hin, dass Dunja P***** seine Missbrauchshandlungen erst sukzessive als solche registrierte, und versucht damit, die Richtigkeit der Belastungen des Tatopfers in Zweifel zu ziehen. Solcherart bekämpft er bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer (hier) unzulässigen Schuldberufung und bringt demnach den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungskonformen Darstellung. Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) enthält das Ersturteil bei den Josef P***** betreffenden Schuldsprüchen A/I und II keine Scheinbegründung zur subjektiven Tatseite. Das Schöffengericht hat vielmehr aus dem objektiven Geschehen, wonach der Beschwerdeführer seine Stieftochter mehrfach an den (bereits entwickelten) Brüsten und im Schambereich intensiv trotz erkennbarer Gegenwehr berührte (US 8, 10 iVm 21), im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen die für § 207 Abs 1 StGB (alte und neue Fassung) deliktsspezifischen Vorsatzkomponenten abgeleitet (Ratz aaO Rz 452).

Die gegen die Schuldsprüche B/I und 2 gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) der Christine P***** entspricht zur Gänze nicht den Verfahrensvorschriften. Sie übergeht nämlich die von ihr zu B/I vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die im Urteil (vgl US 7 iVm 31) ausdrücklich getroffen werden. Soweit die Rechtsmittelwerberin das vom erstinstanzlich als erwiesen angenommenen bedingten Vorsatz umfasste Zufügen körperlicher oder seelischer Qualen bestreitet, bekämpft auch sie bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des erkennenden Schöffensenates. Gleiches gilt für das Vorbringen zu B/2, in welchem die zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen (US 9 iVm 32) nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung als unzutreffend bestritten werden.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde beider Angeklagten war daher ebenso wie die betreffend Christine P***** ausgeführte (S 121 f/II), aber nicht angemeldete (S 115/II) Berufung der Staatsanwaltschaft bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1; 294 Abs 4 StPO).

Über die Berufungen der beiden Angeklagten sowie jene der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Josef P***** wird gemäß § 285i StPO das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben.

Die Verpflichtung zum Kostenersatz beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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