Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde Klaus H***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall aF StGB (I und II), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (III/1) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (III/2) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Demnach hat er in Linz
I. die am 4. Oktober 1988 geborene Kerstin A*****, somit eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und zwar
1. von 1996 bis 30. September 1998 in wiederholten Angriffen dadurch, dass er sich auf sie legte und seinen Unterleib an ihrem Körper rieb, sie aufforderte, seinen Penis in die Hand zu nehmen und er das Mädchen im Scheidenbereich streichelte, wobei er teilweise ejakulierte;
2. zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 1997 dadurch, dass er den Kopf des Mädchens zu seinem Penis drückte und es solcherart zum Oralverkehr bis zum Samenerguss veranlasste;
II. zwischen 1997 und 30. September 1998, indem er ohne Vorsatz auf Durchführung eines Beischlafes zumindest einmal seinen Penis an die Scheide des Mädchens ansetzte und ejakulierte;
III. mit der unmündigen Kerstin A***** dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er
1. von Oktober 1998 bis Anfang Juni 2000 ca einmal wöchentlich sowie am 29. Juni 2000 ihre Brust streichelte, sie mit seiner Zunge im Genitalbereich berührte und sie dort streichelte sowie seine Zunge in ihre Scheide einführte;
2. zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Jahr 1999 sie im Genitalbereich streichelte und mit der Zunge berührte sowie mit seinem Penis kurz die Scheide berührte,
wobei die unter Punkt I bis III geschilderten Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Kerstin A*****, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung über zumindest sechs Wochen nach Aufdeckung des Missbrauchs sowie ein schweres seelisches Trauma zur Folge hatten;
IV. durch die unter I bis III bezeichneten Taten unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Kerstin A*****, diese zur Unzucht missbraucht.
Die Geschworenen hatten die dem Schuldspruch entsprechenden Hauptfragen 1, 2 und 5 (zu I/1. und 2., III/1. und IV), ebenso bejaht wie nach Verneinung der auf die Verbrechen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 bzw Abs 3 erster Fall alte und neue Fassung StGB gerichteten Hauptfragen 3 und 7, die schuldspruchkonformen Eventualfragen 4 (II) und 8 (III/2.).
Die Abweichung der im Punkt III/2. des Schuldspruchs dargestellten Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von der dieser zugrundeliegenden Eventualfrage 8 beruht offenbar auf einem Versehen der Vorsitzenden bei der Urteilsausfertigung, zumal der Ausspruch über die dadurch verwirklichte strafbare Handlung (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) dem Verdikt entspricht.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil aus Z 6, 8, 9, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Durch die Ablehnung seines Antrages, nach der qualifizierenden Tatfolge jeweils uneigentliche Zusatzfragen zu den einzelnen Haupt- und Eventualfragen zu stellen, hat der Schwurgerichtshof entgegen der Beschwerde (Z 6) das ihm eingeräumte Ermessen (§ 317 Abs 2 StPO) nach Lage des Falles nicht überschritten, weil die Geschworenen durch den ausdrücklichen Hinweis der Rechtsbelehrung (1) auf die - in einem anderen Zusammenhang (Hauptfrage 1) auch tatsächlich wahrgenommene - Möglichkeit der einschränkenden Fragebeantwortung (§ 330 Abs 2 StPO) an der vollständigen Prüfung des Sachverhaltes und dessen klaren und erschöpfenden Beurteilung nicht behindert waren (Mayrhofer StPO4 § 317 E 6a).
Auch die geltend gemachte Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8) liegt nicht vor.
Die subjektive Vorhersehbarkeit des Eintritts einer besonderen Tatfolge als Voraussetzung für deren Zurechnung wurde bei der Erläuterung des Begriffes der Fahrlässigkeit zusammenfassend rechtsrichtig dargestellt (11) und auf diese Instruktion bei der Belehrung zur Hauptfrage 5 hingewiesen (27 iVm 22). Von den geforderten Erläuterungen zur Anwendung dieser Rechtsausführungen auf den zu beurteilenden Sachverhalt hat der Schwurgerichtshof allerdings zu Recht Abstand genommen, weil Gegenstand einer Rechtsbelehrung nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände zu sein haben. Es trifft weiters nicht zu, dass zur Hauptfrage 3 der Tatbestand des § 206 StGB allein nach der Rechtslage vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 dargelegt wurde (20 f). Bei der Instruktion zu der auf die neue Rechtslage abstellenden Hauptfrage 5 konnte demnach sehr wohl auf diese Rechtsbelehrung verwiesen werden. Mit dem aus der Niederschrift der Geschworenen abgeleiteten Einwand einer mangelnden beweismäßigen Deckung des zur Hauptfrage 5 ergangenen Wahrspruchs der Geschworenen, wonach der Angeklagte seine Zunge in die Scheide der unmündigen Kerstin A***** eingeführt hat, wird der damit geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO nicht prozessordnungsgemäß dargestellt, weil sich die dort bezeichneten Mängel aus dem Wahrspruch selbst, nicht aber aus dessen Vergleich mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens ergeben müssen. Aber auch die gegen die selbe Tatsache gerichtete Tatsachenrüge (Z 10a) versagt.
Abgesehen davon, dass das Tatopfer insoweit ausdrücklich ein Eindringen in die Scheide behauptete (49/I), betrifft dieser Umstand gar keine entscheidende Tatsache. Denn die Erfüllung des Tatbestandes des § 206 Abs 1 StGB verlangt bloß das Unternehmen des Beischlafs oder einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, wofür ein mit Penetrationsvorsatz verbundenes "Ansetzen" zur qualifizierten geschlechtlichen Handlung genügt (vgl Schick, WK2 § 206 Rz 12). Demnach ist die Tat bereits dann unternommen und das Delikt vollendet, wenn es zwar noch zu keinem Eindringen in die Scheide des Tatopfers, wohl aber mit darauf gerichtetem Vorsatz bereits zur diesbezüglichen Berührung gekommen ist.
Ein Lecken an der Scheidenöffnung hat aber der Angeklagte sowohl vor der Polizei (103/I) als auch in der Hauptverhandlung (116/II) zugegeben. Der Penetrationsvorsatz ließ sich fallbezogen nicht nur aus den vom Tatopfer angegebenen Modalitäten des äußeren Tatgeschehens und jenen Gründen ableiten, die den Beschwerdeführer vorübergehend zur Abstandnahme von bis dahin an dem Kind geübten Sexualpraktiken bewog, sondern auch aus dessen Äußerung selbst, wonach er in die Scheide nicht "reingekommen" sei (116/II). Unberechtigt ist ferner der Einwand (Z 12), das Einführen der Zunge in die Scheide stelle keine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung iSd § 206 StGB dar, weil die Zunge ihrer Beschaffenheit nach als ungeeignet zu betrachten sei, von der Intensität her eine mit einem normalen Geschlechtsverkehr vergleichbare sexuelle Inanspruchnahme des Opfers herbeizuführen.
Entgegen der Beschwerdesicht ist diese Frage allerdings keinesfalls abstrakt, sondern an Hand einer Gesamtbetrachtung der fallspezifischen geschlechtlichen Handlung von Täter- und Opferseite her zu beantworten, wobei auch das geringe Alter des Tatopfers in die Beurteilung miteinzubeziehen ist (Schick, WK2 § 201 Rz 41 und 42). Bei Anlegung dieses Beurteilungsmaßstabes ist nach allgemeinem Verständnis angesichts des mit der in Rede stehenden Tathandlung jeweils verbundenen massiven und besonders widerwärtigen Eingriffs in die Intimssphäre des Kindes, zu dem sich der Angeklagte wegen der vom Tatopfer vorgegebenen Geschlechtsreife unter Abkehr bis dahin geübter und die Gefahr einer Schwangerschaft nicht ausschließen lassender Missbrauchspraktiken als Substitution für einen zumindest unternommenen Beischlaf veranlasst sah (166, 167/I), eine diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung nach Lage des Falles zu bejahen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art sowie deren Fortsetzung über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren, innerhalb dessen der Angeklagte das nach § 206 StGB qualifizierte Verbrechen (III/1.) während einer Zeit von fast zwei Jahren in Wochenabständen wiederholte. Als mildernd beurteilte es demgegenüber den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, sein Teilgeständnis sowie die Zahlung von 8.000 S als Aktontierung des begehrten Schmerzengeldes.
Davon ausgehend verhängte das Erstgericht über Klaus H***** nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren.
Die gegen dieses Strafausmaß gerichtete Berufung ist nicht berechtigt.
Auch wenn die qualifizierende Tatfolge auf das Missbrauchsgeschehen in seiner Gesamtheit zurückgeht, war es dem Erstgericht unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbotes nicht verwehrt, der oftmaligen Wiederholung gerade der am schwersten strafbedrohten Sexualangriffe (III/1.) erschwerende Bedeutung beizumessen. Dass gerade diese Handlungen im Gesamtgeschehen wertungsmäßig eine weitaus untergeordnete Rolle spielen sollen, ist eine anhand des Akteninhaltes nicht nachvollziehbare Berufungsthese. Insgesamt ist das zu schwerem Leid und beträchtlicher psychischer Schädigung (wenn nicht überhaupt zu seelischer Zerstörung) des Tatopfers führende Verhalten des Angeklagten als derart skrupellose und schwerwiegende sexuelle Ausbeutung eines ihm wehrlos ausgelieferten Kindes zu bewerten, dass eine Strafreduktion auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die herabgesetzten Kontrollmechanismen des Angeklagten als Folge seines Alkoholabusus, sein nunmehriges, allerdings erheblich verspätetes Bemühen um eine Therapie und Wiedereingliederung sowie eine nachträgliche weitere Schadenersatzleistung von 400 EUR berücksichtigt werden. Allen weiteren von der Berufung aufgezeigten Faktoren hat das Geschworenengericht ohnehin in angemessener Weise Rechnung getragen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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