OGH 12Os25/03

OGH12Os25/038.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ali P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. Oktober 2002, GZ 22 Hv 70/02i-152, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 11. Oktober 2001 in Hartberg und an anderen Orten zusammen mit dem gesondert verfolgten Tuncay Ü***** als Mittäter Dr. Kalbisen A***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er ihr vor ihrer Wohnung auflauerte, sie gegen ihren Willen und trotz ihrer Gegenwehr durch Anwendung von Körperkraft in seinen Personenkraftwagen zerrte und sie gegen ihren Willen in einer etwa 15 Minuten dauernden Fahrt, wobei er als Fahrer fungierte, zu einem von den Tätern bereits zuvor bereitgestellten Wohnmobil brachte und sie dann durch Anwendung von Körperkraft in das Innere des Wohnmobils verbrachte, wo Tuncay Ü***** an Dr. Kalbisen A***** unter Anwendung weiterer Gewalt (Fesseln, Versetzen von Schlägen und Tritten) den Beischlaf vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt. Der Antrag auf Einvernahme des (flüchtigen Tatverdächtigen) Tuncay Ü***** "zum Beweis dafür, dass der Angeklagte mit den Tathandlungen in keinem Zusammenhang steht und weder an der Freiheitsentziehung noch an der Vergewaltigung beteiligt war" (S 443/II), wurde - der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - schon deshalb zu Recht abgewiesen (S 451/II), weil der Genannte trotz des gegen ihn bestehenden internationalen Haftbefehls (ON 102) nicht ausgeforscht werden konnte. Da bei Antragstellung ferner keine ladungsfähige Anschrift genannt wurde, war die begehrte Vernehmung aussichtslos und undurchführbar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 102, 104). Soweit der Rechtsmittelwerber zur Relevanzbeurteilung auf den in der Hauptverhandlung am 13. September 2002 vorgelegten (S 419/II) Brief des Tuncay Ü***** (Beilage l in der im Aktenband I erliegenden Mappe "Gleichschriften Beilagen") verweist, in welchem der Genannte seine Alleintäterschaft behauptet, wird - abgesehen von prozessordnungswidriger Ergänzung des erstinstanzlichen Antragsvorbringens (Ratz WK-StPO § 281 Rz 325) - nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb diesem Schriftstück für die Durchführbarkeit der beantragten Beweisaufnahme Bedeutung zukommen soll. Der (inhaltlich) damit erhobene Einwand der Unvollständigkeit wird später erörtert.

Der in der Mängelrüge (schwerpunktmäßig) erhobene Vorwurf einer unvollständigen bzw unzureichenden Urteilsbegründung (Z 5 zweiter, vierter Fall) geht gleichfalls fehl: Die Tatrichter haben nach sorgfältiger Beurteilung der Verfahrensergebnisse im Rahmen der umfangreichen Beweiswürdigung formell einwandfrei begründet, weshalb sie den Aussagen des Opfers gegenüber der leugnenden Verantwortung des Angeklagten den Vorzug gaben und diese für zuverlässig befundenen Belastungen in Verbindung mit den im Urteil aufgelisteten weiteren Indizien und Beweisresultaten (US 21 bis 23) als tragfähige Schuldspruchsgrundlage erachteten (US 16 ff). Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat sich das Schöffengericht eingehend mit den zentralen Aspekten des Identifizierungsvorganges befasst und im Zusammenhang mit den dazu aufgenommenen Kontrollbeweisen logisch und empirisch einwandfrei dargelegt, dass es auch den Depositionen Dris. A***** betreffend die für die sukzessive Bekanntgabe des vollen Namens des Angeklagten ausschlaggebenden Gründe (schwerer Schockzustand unmittelbar nach der Tat) Glauben schenkte (US 17 bis 19). Mit Blick auf das eindeutige Ergebnis der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung am 13. September 2002 (S 431/II) musste in der gedrängt abzufassenden Urteilsbegründung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht jedes Detail der insgesamt als zuverlässig beurteilten Wiedererkennung gesondert erörtert werden (Ratz aaO § 281 Rz 428). Da die eine Tatbeteiligung kategorisch leugnende Verantwortung des Angeklagten nach vollständiger Auswertung zahlreicher gegenteiliger Beweisresultate mit unbedenklicher Argumentation verworfen wurde, war die im Rahmen der Z 4 geforderte Auseinandersetzung mit dem bereits bezeichneten, den Angeklagten pauschal entlastenden Schriftstück seines Komplizen, des (flüchtigen) Tuncay Ü*****, entbehrlich. Soweit der Nichtigkeitswerber - offensichtlich unter Verkennung eines formellen Begründungsmangels - weitwendig durch eigenständige Beweiswertinterpretationen und Plausibilitätserwägungen vorwiegend die Richtigkeit der Aussagen des Tatopfers bezweifelt, wird - ebenso wie mit Spekulationen, wonach (resümierend) "Tuncay Ü***** zufolge seiner Mentalität den Angeklagten keineswegs umfassend über sein Vorhaben informiert hätte", bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

Dem weiteren Beschwerdestandpunkt (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht mit Bezugnahme auf die von Dr. A***** geschilderten Dialoge der Täter anlässlich der gewaltsamen Verbringung des Opfers zum Wohnmobil, den konkreten Tatablauf und die zum Vorfeld der Tat erhobenen Beweise zureichend begründet, dass der Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, durch seine deliktsspezifischen Nötigungshandlungen Tuncay Ü***** die Vornahme des nur gewaltsam erzwingbaren Beischlafes mit Dr. A***** zu ermöglichen (US 7, 9 bis 11).

Die Beitragstäterschaft reklamierende Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) verkennt zunächst, dass die Art strafbarer Beteiligung nach § 12 StGB angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen und des sich daraus ergebenden Fehlens eines Nachteils weder aus Z 5 noch aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden kann (Fabrizy WK2 § 12 Rz 120 ff; Ratz aaO § 281 Rz 398, 646).

Ferner wird mit der allgemeinen Behauptung, der Angeklagte hätte "lediglich als Beitragstäter mitgewirkt, da er selbst nach der Aussage von Dr. A***** einerseits das Wohnmobil nie betreten hat und während der Vergewaltigung auch nicht anwesend war", nicht aus dem Gesetz abgeleitet, warum seine Tathandlungen, womit er Tuncay Ü***** die Vornahme des erzwungenen Beischlafes durch deliktsspezifische Nötigungen ermöglichte, keine unmittelbare (Mit-)Täterschaft iSd § 201 StGB darstellen sollen (Leukauf/Steininger Komm3 RN 26; Fabrizy StGB8 Rz 7; Schick WK2 Rz 58 jeweils zu § 201 StGB; vgl auch Ratz WK-StPO § 281 Rz 588).

Mit dem abschließenden Vorbringen, wonach die Kenntnis des Angeklagten vom Vergewaltigungsvorsatz des Tuncay Ü***** "aus den Beweisergebnissen nicht ableitbar ist", weshalb "ihm höchstenfalls der Tatvorwurf nach § 99 Abs 1 StGB gemacht werden kann", wird mangels strikter Beachtung des gesamten Feststellungssubstrates ein materieller Nichtigkeitsgrund (gemeint: Z l0) abermals nicht prozessordnungsgemäß dargelegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die außerdem ergriffene Berufung (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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