OGH 12Os2/24x

OGH12Os2/24x21.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. August 2023, GZ 9 Hv 67/23h‑58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00002.24X.0321.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I.1. und II., demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), weiters im Ausspruch über die Konfiskation einer Feingrammwaage sowie im das „sichergestellte Suchtgift“ betreffenden Einziehungserkenntnis aufgehoben und in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* – soweit hier relevant – des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I.1.) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 SMG (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G*

I.1. im Zeitraum von 2006 bis Ende 2022 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, nämlich 8.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 894,4 Gramm THCA und 68 Gramm Delta‑9‑THC [25,76 Grenzmengen]), wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Tatbegehung über einen längerenZeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste;

II. ab Herbst 2022 bis zum 11. Jänner 2023 vorschriftswidrig Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift, nämlich 607,86 Gramm THCA und 46,21 Gramm Delta‑9‑THC (17,51 Grenzmengen), mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er in seiner Indoorplantage 58 Cannabis‑Stecklinge anpflanzte und kultivierte, wobei die Pflanzen letztlich noch vor der Ernte in verschiedenen Reifestadien sichergestellt wurden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung zukommt.

Zu I.1. des Schuldspruchs:

[4] Dem Vorwurf von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider bringen die Feststellungen unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Angeklagte THCA und Delta‑9‑THC in einer die Grenzmenge um (insgesamt) das 25‑fache übersteigenden Menge erzeugte (US 4) und dass sein Vorsatz das Überschreiten der 25‑fachen Grenzmenge sowie (von Anfang an) die kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste (US 6).

[5] Die Tatrichter erschlossen die Feststellungen zu den erzeugten (Teil-)Mengen THCA und Delta‑9‑THC aus der Sicherstellung von 58 Cannabispflanzen in unterschiedlichen Reifestadien, einem Sachverständigengutachten zur erzeugbaren Menge von 93,78 Gramm Cannabiskraut pro Pflanze bei vier dieser Pflanzen und dem vom Angeklagten eingestandenen Tatzeitraum ab 2006, hinsichtlich dessen das Erstgericht auf Basis dieser Verfahrensergebnisse die Erzeugung von zumindest acht Kilogramm Cannabiskraut hochrechnete (US 7 f). Dass diese Begründung den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0099413), zeigt die Rüge (Z 5 vierter Fall) mit der Behauptung, daraus und aus den Beweisergebnissen seien die Feststellungen nicht ableitbar, nicht auf. Der Vorwurf, die Tatrichter hätten die Beweisergebnisse bloß „nacherzählt“, die Feststellungen daher nur zum Schein begründet, und überdies Vermutungen angestellt, berücksichtigt nicht die geschilderten Entscheidungsgründe (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370).

[6] Im Recht ist die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) aber mit dem (erkennbar erhobenen) Einwand, dass die Tatrichter eine Begründung der Feststellung zur subjektiven Tatseite in Ansehung der erzeugten Suchtgiftmengen unterließen. Selbiges gilt im Übrigen auch (von der Beschwerde ungerügt) für die Feststellungen zum (von Anfang an) auf die kontinuierliche Tatbegehung in Teilmengen und den daran geknüpften Additionseffekt gerichteten Vorsatz des Angeklagten.

Zu II. des Schuldspruchs:

[7] An sich zutreffend macht die Subsumtionsrüge (Z 10) das Fehlen von Feststellungen zum (erweiterten) Vorsatz des Angeklagten geltend, durch Anbau von Cannabispflanzen gewonnenes THCA und Delta‑9‑THC in einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Verkehr zu setzen (vgl 15 Os 43/13g). Denn die Tatrichter stellten lediglich fest, dass der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, das durch Anbau der Cannabispflanzen zu gewinnende Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das 17,51‑Fache übersteigenden Menge „zumindest Großteils in Verkehr zu setzen“ (US 6 und 9). Damit brachten sie hinreichend deutlich den Feststellungswillen zum Ausdruck, dass der Vorsatz des Angeklagten das Inverkehrsetzen von Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erfasste, nicht jedoch, dass sich dieser auch auf eine die Grenzmenge um das 15‑Fache übersteigenden Menge bezog.

[8] Dieser die Qualifikation nach § 28 Abs 2 SMG betreffende Rechtsfehler mangels Feststellungen kann aber dahingestellt bleiben, weil – wie die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) erkennbar geltend macht – die geschilderten Festellungen zum Inverkehrsetzungsvorsatz in Bezug auf eine die Grenzmenge übersteigende Menge (§ 28 Abs 1 SMG) unbegründet blieben.

[9] Die aufgezeigten Begründungsmängel erfordern – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang, demgemäß auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO). Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass jene Feststellungen, die einen nicht erfolgten Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG und nach § 27 Abs 1 Z 2 SMG stützen würden, für sich allein nicht bestehen bleiben können (RIS‑Justiz RS0115884; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 18).

[10] Ebenso zu beseitigen (§ 289 StPO) war das Einziehungserkenntnis betreffend „das sichergestellte Suchtgift“, weil sich dieses undifferenziert auf den gesamten Schuldspruch stützt (US 3 und 11), sodass nicht beurteilt werden kann, ob es in dessen rechtskräftigem Teil Deckung findet (vgl Halswanter in WK² StGB § 26 Rz 18 und Ratz,WK‑StPO § 289 Rz 7 f). Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass die rechtliche Beurteilung von bloß vermutetem Marihuana und einer „cannabiskrautähnliche[n] Substanz“ (US 3) als (der Einziehung nach § 34 SMG unterliegende) Suchtmittel nicht möglich ist.

[11] Zudem überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde, dass das angefochtene Urteil in Bezug auf den Ausspruch der Konfiskation einer Feingrammwaage nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) zum Nachteil des Angeklagten aufweist, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[12] Wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, traf das Erstgericht nämlich keine Feststellungen zur (intendierten) Verwendung dieses Gegenstands durch den Angeklagten bei Begehung der Straftaten und zum Eigentum an ihm zur Zeit der Entscheidung erster Instanz (vgl aber § 19a Abs 1 StGB). Demzufolge war auch das Konfiskationserkenntnis bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[13] Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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