OGH 12Os22/08i

OGH12Os22/08i19.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mag. Roland H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Oktober 2007, GZ 023 Hv 94/07w-196, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A) sowie zweier Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, nämlich

I) am 5. April 2005 als Leiter des Kriminalamts Wien und als

designierter Landespolizeikommandant von Wien dadurch, dass er in dem von seinem Freund Wolfgang U***** geführten Restaurant im „C*****" drei Polizeibeamte sowie diese unterstützende Kräfte der Bundespolizeidirektion Wien sinngemäß anwies, etwa vierzehn Personen schwarzafrikanischer Herkunft einer Identitätsfeststellung zu unterziehen und anschließend des Lokals zu verweisen, obgleich augenscheinlich kein Verdacht einer Verwaltungsübertretung oder strafbaren Handlung vorlag, wobei er mit dem Vorsatz handelte, den Staat und die Betroffenen an ihrem Recht, dass sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots (§§ 28a Abs 3, 29 und 87 SPG) ergriffen werden, die Betroffenen überdies in ihrem Recht auf Schutz vor Diskriminierung (Art IX Abs 1 Z 3 EGVG) zu schädigen, sowie

II) am 7. Juni 2006 als Landespolizeikommandant von Wien dadurch, dass er, nachdem er Ende März 2006 einen Datenträger (CD-ROM) mit sieben aufgezeichneten Telefongesprächen aus einer gerichtlich angeordneten Telefonüberwachung auf seine im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht sowie im Auftrag des Polizeipräsidenten zur Beweissicherung für ein allfälliges Disziplinarverfahren ergangene Aufforderung erhalten und in weiterer Folge ohne Dokumentation sowie ohne Information an das Gericht für eigene Zwecke aufbewahrt hatte, diese Telefongespräche im Zeitraum der Anhängigkeit des diesbezüglichen Gerichtsverfahrens einem Journalisten vorspielte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, den Staat an seinem Recht auf effiziente und gesetzeskonforme Strafverfolgung, die Verdächtigen an ihrem Recht auf ein faires Verfahren sowie sämtliche gesprächführende Personen an ihrem verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, weiters

(B) ihm ausschließlich kraft seines Amts anvertraute oder zugänglich gewordene Geheimnisse offenbart und verwertet, deren Offenbarung oder Verwertung geeignet gewesen ist, ein öffentliches und berechtigtes privates Interesse zu verletzen, nämlich jenes des Betroffenen nach § 1 DSG und jenes des Staats daran, dass - von gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen abgesehen - Privaten keine amtlichen Bestätigungen oder Auskünfte über dem Amtsgeheimnis unterliegende Informationen zur Verwendung im Rechtsverkehr ausgestellt werden, indem er zwei zu seinen Handen übermittelte schriftliche Anfragen der B***** AG um Stellungnahme, ob aus polizeilicher Sicht etwas gegen den Eintritt in eine größere Geschäftsverbindung mit nachgenannten Personen spreche, wobei ihm das eigentliche Ziel der Anfrage, nämlich die beabsichtigte Klärung, ob gegen den jeweils genannten behördliche Erhebungen geführt werden oder wurden, bewusst war, polizeiintern schriftlich beantwortete, wonach jeweils an das anfragende Geldinstitut die Mitteilung erging, dass derzeit keine Umstände bekannt wären, die das Eingehen einer Geschäftsbeziehung als nicht geboten erscheinen ließen, somit konkludent zum Ausdruck gebracht wurde, „dass gegen den Genannten nichts vorliege", nämlich

I) am 7. Dezember 2001 als Leiter der Wirtschaftspolizei der Bundespolizeidirektion Wien hinsichtlich des israelischen Staatsangehörigen Michael C***** sowie

II) am 3. Juli 2005 als Landespolizeikommandant von Wien hinsichtlich des serbischen Staatsangehörigen Bogoljub K*****.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) erfolgte die Abweisung (S 53/XVII) des Antrags auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der forensischen Linguistik zum Beweis dafür, dass die einzige Quelle der Veröffentlichung über die Telefonüberwachung sowohl im Profil vom 12. 6. 2006 (ON 90, AS 75), als auch im N***** vom 6. 4. 2006 (ON 90, AS 71) ein Bericht über Ergebnisse der Telefonüberwachung der PBD [sic] Wien vom 15. 3. 2006 (Band X, ON 94, AS 245 ff) gewesen sein muss, sohin Emil B***** über diesen Bericht ohnehin bereits vor dem 7. 6. 2006 verfügte und der Veröffentlichung im P***** vom 12. 6. 2006 zugrunde lag, somit durch ein Vorspielen der CD am 7. 6. 2006 das bereits offenbarte Amtsgeheimnis nicht verletzt werden konnte; sowie zum Beweis dafür, dass die bei Mag. H***** sichergestellte CD mit sieben aufgezeichneten Telefonanten nicht die Veröffentlichung über die Telefonüberwachungen im P***** vom 12. 6. 2006 erklären kann, zumal in diesem P*****-Bericht zumindest über ein weiters Telefonat berichtet wird (linke Spalte, vorletzter Absatz), das sich nicht auf der CD, wohl aber im aktenkundigen Bericht vom 15. 3. 2006 findet (Band X, ON 94, AS 249 oben, wo das Zitat lautet wie folgt: 'Freitag, schaut es ganz gut aus'), vergleiche im P***** ('Am Donnerstag schaut es gut aus')" (S 133 f/XV) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Der Beweisantrag stützte sich nämlich ausschließlich auf die bloße Behauptung, Experten des deutschen Bundeskriminalamts seien in der Lage, derartige Gutachten zu erstatten, und ließ solcherart nicht erkennen, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, womit er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Der Umstand, dass die Veröffentlichungen über die gerichtlich angeordnete Telefonüberwachung (A II) nicht wortident mit den auf den gegenständlichen Datenträgern aufgezeichneten Gesprächen sind, ist evident und solcherart - ebenso wie die daraus im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) abzuleitenden Schlüsse - dem Sachverständigenbeweis schon grundsätzlich nicht zugänglich. Ein Sachverständiger darf nämlich nur dann beigezogen werden, wenn zur Lösung einer Tatfrage besondere Fachkenntnisse notwendig sind, die das Gericht nicht aufweist (Hinterhofer, WK-StPO § 118 [aF] Rz 3)

Auch die Abweisung (S 55/XVII) des Antrags auf Vernehmung Michael C*****s im Rechtshilfeweg zum Nachweis dafür, „dass der Genannte vor der Anfrage der B***** vom 28. November 2001 gegenüber dem Vorstand der B***** auch durch seinen Rechtsvertreter Todor B***** sein Einverständnis zur Einholung und Erteilung der verfahrensgegenständlichen Auskunft durch die Polizeibehörde betreffend für erforderlich gehaltene Informationen über seine Person gegeben hat" (S 47/XVII), erfolgte zu Recht, weil dem angefochtenen Urteil ohnedies keine dem Beweisthema widersprechenden Sachverhaltsannahmen zugrunde gelegt wurden (US 16; vgl RIS-Justiz RS0099135).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) setzt sich die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Schuldspruchs A I sehr wohl mit den auf die am Einsatzort gegeben gewesene emotionale Situation bezogenen Aussagen der Zeugen J*****, N***** und Z***** auseinander (US 29). Dabei unterblieb die Erörterung der Aussagen, „es hätte was passieren können" (S 327/XVI) und „das Erscheinen der Polizei war gerechtfertigt" (richtig: S 333/XVI) zu Recht, weil der Zeugenbeweis nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht jedoch Schlussfolgerungen oder Wertungen zum Gegenstand hat (Kirchbacher, WK-StPO § 150 [aF] Rz 7). Die Deposition des Zeugen Z***** zum Grad der gezeigten Aggression wird in der Beschwerde sinnentstellend rudimentär wiedergegeben. Der Zeuge gab insoweit nämlich erklärend an, eine „ungute Stimmung" wahrgenommen zu haben (S 327/XVI), was den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen nicht entgegensteht und solcherart auch nicht erörterungsbedürftig iS des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes war. Das Erstgericht ging davon aus, dass die zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten G*****, P*****, S*****, T***** und W***** die zum Schuldspruch A I inkriminierten Weisungen des Beschwerdeführers nicht wahrgenommen haben (US 37). Da dieser Teil der Beweiswürdigung dessen Prozessstandpunkt, die Weisungen nicht erteilt zu haben, entspricht, ist auf den Einwand, einzelne Depositionen dieser Zeugen würden eine entsprechende Weisungserteilung indizieren, mangels Beschwer nicht einzugehen.

Indem die Rüge die Begründung (US 50) der Urteilsannahme, es könne nicht festgestellt werden, ob Michael C***** vor der dem Schuldspruch B I zugrunde liegenden Auskunftserteilung gegenüber Vertretern der B***** AG erklärt habe, mit jener einverstanden zu sein (US 16), angreift, geht sie schon im Ansatz fehl, weil die Konstatierung, die Ergebnisse des Beweisverfahrens lassen bestimmte Feststellungen nicht zu, dem Ausspruch gleichkommt, dass insoweit die für den Angeklagten günstigste Variante anzunehmen ist (vgl RZ 185/56)

Die Behauptung, das Erstgericht habe der Frage der Zustimmung zur Auskunftserteilung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (dem Beschwerdeführer nachteilige) Bedeutung beigemessen, entfernt sich vom Urteilsinhalt (US 62).

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A I, der Beschwerdeführer sei aufgrund seines Informationsstands davon ausgegangen, iSd § 35 Abs 1 (gemeint wohl:) Z 1 iVm § 16 Abs 2 und Abs 3 SPG rechtskonform zu handeln, übergeht die Urteilsfeststellungen, wonach objektiv kein Grund für die vom Beschwerdeführer veranlassten Amtshandlungen bestanden hat und dieser Umstand von dessen Vorsatz umfasst gewesen ist (US 10 f iVm US 33, 41 f), und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Korrespondierendes gilt für das - auf den Schuldspruch A II bezogene

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