OGH 12Os214/10b

OGH12Os214/10b8.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen R***** und einen anderen Angeklagten wegen der Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 13. Oktober 2010, GZ 36 Hv 53/10h-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch rechtskräftige Schuld- und Teilfreisprüche des Mitangeklagten M***** enthält, wurde R***** der Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt (I./B./ und I./C./b./).

Danach hat er sich in Wiener Neustadt auf andere als die in § 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar

B./ am 3. oder 4. Mai 2009 dadurch, dass er ein Hakenkreuz auf eine Mauer einer öffentlich benutzen, im Eigentum der Ö***** stehenden Bahnunterführung sprayte;

C./b./ am 27. Juni 2009 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit M***** dadurch, dass sie vor dem Lokal „H*****“ öffentlich einander und (andere) Gesinnungsgenossen lautstark mit dem Ausruf „Heil“ und dem „Führer-Gruß“ begrüßten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4 und 9 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider kam es zu keiner Verletzung der mit Nichtigkeit bedrohten Vorschrift des § 250 Abs 2 StPO, wurde doch einerseits den Verteidigern die Möglichkeit geboten, sich nach der Befragung des A***** mit ihren Mandanten zu besprechen und mit Bezug auf diese Angaben Fragen an diesen Zeugen zu stellen (S 159 in ON 128). Andererseits wurde das Protokoll über die in Abwesenheit der Angeklagten durchgeführte Vernehmung des A***** (S 137 ff in ON 128), somit der Inhalt von dessen Angaben vor Schluss des Beweisverfahrens durch Verlesung (S 55 in ON 134) in das Verfahren eingeführt und solcherart den Angeklagten (abermals) zur Kenntnis gebracht (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 5 und Rz 11; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 248).

Darüber hinaus erachtet der Beschwerdeführer die Antworten der Geschworenen auf die Hauptfragen V./ und VI./ als in sich widersprechend (Z 9), weil im Wahrspruch zur Hauptfrage V./ festgestellt wurde, M***** habe sich am 27. Juni 2009 in Wiener Neustadt zusammen mit dem Rechtsmittelwerber als Mittäter auf andere als die in § 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn dadurch betätigt, dass er „Heil Hitler“ bzw „Heil“ ausrief und dabei den „Hitler-Gruß“ bzw „Führer-Gruß“ verwendete, während R***** im Wahrspruch zur korrespondierenden Hauptfrage VI./ - nach Streichung der Worte „Heil Hitler“ bzw „Hitler-Gruß“ durch die Laienrichter (§ 330 Abs 2 StPO) - angelastet wurde, sich zusammen mit seinem Mitangeklagten auf andere als die in § 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn dadurch betätigt zu haben, dass er „Heil“ rief und mit dem „Führer-Gruß“ agierte.

Indem die Beschwerde jedoch § 13 StGB missachtet, es als Folge dessen unterlässt, aus dem Gesetz abzuleiten, weswegen diese Bestimmung nicht gelten soll, wonach bei mehreren Tatbeteiligten jeder nach seiner Schuld zu bestrafen ist, und demnach bei Vergleich der Wahrsprüche in der Annahme nicht zur Gänze deckungsgleicher Tathandlungen bei den beiden Angeklagten ein Widerspruch liegen soll (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 70), entbehrt sie einer den Kriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entsprechenden Ausführung (vgl RIS-Justiz RS0089873).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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