Spruch:
Das Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 24.Juni 1988, 5 U 110/88-13, verletzt im Schuldspruch des Karl Heinz K*** wegen des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB die Bestimmung des § 167 Abs. 2 StGB.
Dieses Urteil, welches in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, wird im Schuldspruch und im Strafausspruch aufgehoben. Gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Karl Heinz K*** wird von der Anklage, am 1.April 1988 in Wien einen Brillantring, den ein anderer durch ein Verbrechen gegen fremdes Vermögen, nämlich durch einen Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Alfred H***, an sich gebracht hatte, um 1.500 S von einem Unbekannten gekauft und hiedurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 24.Juni 1988, 5 U 110/88-13, wurde der der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB angeklagte Kaufmann Karl Heinz K*** teils freigesprochen, teils des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB schuldig erkannt; verhängt wurde eine Geldstrafe.
Der Schuldspruch beruht auf folgenden wesentlichen Feststellungen:
Am 28.März 1988 wurden dem Alfred H*** bei einem Einbruch in seine Wohnung Wertgegenstände gestohlen, darunter ein durch individuelle Umarbeitung gestalteter Brillantring. Ein unbekannter Mann verkaufte am 1.April 1988 dieses Schmuckstück dem Altwarenhändler Karl Heinz K*** um 1.500 S. Beim Ankauf war sich K*** des Risikos bewußt, eine von einem anderen deliktisch erlangte Sache an sich zu bringen, vertraute aber dennoch leichtfertig auf die unbedenkliche Herkunft des Ringes. Einige Tage später wandte sich K*** an den Juwelier Ernst T***, um den Wert des Ringes zu erfahren. Der Juwelier erkannte den Ring als denjenigen wieder, den er seinerzeit für H*** umgearbeitet hatte. H***, ein ständiger Kunde des Juweliers, hatte diesem kurz zuvor von dem Diebstahl erzählt. T*** teilte hierauf dem ihm persönlich bekannten K*** mit, daß der Ring kürzlich dem Alfred H*** gestohlen worden sei. Der Juwelier lehnte das Ansinnen K***, den Ring in Verwahrung zu nehmen und dem Eigentümer zurückzustellen, jedoch ab und beschränkte sich auf eine telephonische Verständigung des Alfred H***, der noch am selben Tag K*** aufsuchte und von diesem den Ring mit der Bitte ausgefolgt erhielt, keine Anzeige zu erstatten. Alfred H*** entsprach diesem Ersuchen aber nicht, sondern informierte die Polizei, die bis dahin ,om Verhalten K*** keine Kenntnis gehabt hatte.
In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhalts vertrat das Strafbezirksgericht Wien die Auffassung, daß K*** durch den Ankauf des Brillantringes das Vergehen des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB verwirklicht habe; es vermeinte, daß tätige Reue (§ 167 StGB) ungeachtet rechtzeitiger und vollständiger Schadensgutmachung keine Anwendung finden könne, weil der Täter sich nach der Konsultation des Juweliers T***, der den Ring infolge der durch Umarbeitung bewirkten besonderen Merkmale mit Sicherheit identifizierte, in einer Zwangslage befunden habe. Denn damit wäre die Beweisführung gegen K*** selbst dann gesichert gewesen, wenn er sich des Schmuckstückes irgendwie entledigt hätte: Habe doch K*** in einer ihm durchaus bewußten ausweglosen Situation vergeblich versucht, H*** von einer Anzeigeerstattung abzuhalten; nach den Bemühungen des Juweliers, H*** telephonisch zu erreichen, sei "klar" gewesen, daß der Geschädigte "sein Eigentum zurückzubekommen hat". In dieser Lage hätte es K*** auch nichts genützt, wenn er den Ring zur Sicherheitsbehörde gebracht und Selbstanzeige erstattet hätte.
Rechtliche Beurteilung
Der Standpunkt des Strafbezirksgerichts Wien in Beurteilung der Voraussetzungen der tätigen Reue steht mit § 167 Abs. 2 StGB nicht im Einklang.
Die Strafbarkeit der hiefür in Betracht kommenden Delikte wird zwar durch tätige Reue auch bei rechtzeitiger und vollständiger Schadensgutmachung nur unter der zusätzlichen Bedingung aufgehoben, daß der Täter die Leistung erbracht hat, "ohne hiezu gezwungen zu sein", doch wird damit nicht auf eine Willensbeeinflussung wegen drohender Anzeigeerstattung und strafgerichtlicher Verurteilung, sondern auf die Unvermeidbarkeit der Gutmachung abgestellt. Ein Leistungsmotiv, das aus der Befürchtung drohender oder sogar unabwendbarer Anzeigeerstattung und strafgerichtlicher Ahndung der Tat erwächst, bedeutet demnach noch nicht einen die tätige Reue ausschließenden Zwang zur Schadensgutmachung (EvBl. 1981/139; SSt. 53/34, SSt. 56/49; Leukauf-Steininger2, RN 13 f, Kienapfel, BT II, RN 58 je zu § 167 StGB). Zwanghafter Druck der Verhältnisse, der tätige Reue ausschlösse, wäre bloß dann zu bejahen, wenn der Täter unabhängig von Erwartungen über seine Verfolgung oder Bestrafung in der Vorstellung handelt, unter den gegebenen Umständen keine Möglichkeit einer erfolgreichen Verweigerung oder einer im wirtschaftlichen Effekt einer solchen gleichkommenden nachhaltigen Verzögerung der Schadensgutmachung zu haben. Dies ist dann der Fall, wenn der betretene Täter sich außerstande sieht, die Beute in Sicherheit zu bringen, also etwa anläßlich einer Hausdurchsuchung der befürchteten Entdeckung eines Tatobjekts durch dessen spontane Herausgabe zuvorkommt oder etwa erst angesichts einer bereits im Gang befindlichen Zwangsvollstreckung Zahlung leistet. Hier indes hatte K*** auch nach jenem die spätere Aufdeckung seines Verhaltens ermöglichenden Gespräch mit dem Juwelier T*** uneingeschränkten Gewahrsam an dem betreffenden Ring und damit die Gelegenheit, dessen Herausgabe an den Eigentümer zu hintertreiben und darüber in einer Weise zu verfügen, die eine Rückstellung an den Berechtigten vereitelt oder zumindest in zeitliche Ferne gerückt hätte. Da sich K*** in Kenntnis dieser Umstände dennoch bereit gefunden hat, der Aufforderung H*** zur Herausgabe des Ringes nachzukommen, kann von einem tätige Reue (§ 167 StGB) ausschließenden Übergabeakt unter Zwang keine Rede sein. Geht man aber davon aus, dann waren vorliegend sämtliche Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 167 Abs. 1 und 2 Z 1 StGB erfüllt.
Da das Bezirksgericht dies verkannte und der unterlaufene Irrtum sich zum Nachteil des Verurteilten auswirkte, war in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.
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