Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** je zweier Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (Z 1) StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er zu nicht genau bekannten Zeitpunkten zwischen 26. September 2006 und 19. September 2007 in St. M*****
I./ mit einer unmündigen Person, nämlich seiner Tochter L*****, geboren am *****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er
1./ sie aufforderte, sich die Hose hinunter zu ziehen und ihr dann eine Rumkugel in die Scheide einführte, diese anschließend mit der Zunge wieder hervorholte und dabei auch seine Zunge zum Teil in ihre Scheide einführte;
2./ vermutlich im Sommer 2007, indem er sie zur Durchführung eines Oralverkehrs an ihm veranlasste, wobei er ihr als Gegenleistung die Bezahlung eines Bauchnabelpiercings in Aussicht stellte;
II./ durch die zu I./ geschilderten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) beanstandet die Abweisung des Antrags auf Einholung eines weiteren psychologischen (Glaubhaftigkeits-)gutachtens, weil die von Mag. Dr. E***** erstellte Expertise nicht dem Stand der Wissenschaft entspräche. Die nach der Vernehmung dieser Sachverständigen im reklamierten Antrag erhobenen Einwände erschöpfen sich darin, die bei der Ausarbeitung eines aussagepsychologischen Gutachtens anzuwendenden wissenschaftlichen Grundsätze darzustellen und die Arbeit der beigezogenen Expertin mit Verweis auf diese Prinzipien pauschal als unzureichend zu bezeichnen, ohne damit einen konkreten Mangel iSd § 127 Abs 3 StPO darzutun. Bleibt anzufügen, dass die Sachverständige die angeführten Kriterien für die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens ihrer Expertise ausdrücklich zugrunde gelegt hatte (vgl S 15 in ON 32).
Die im Antrag zusätzlich vorgebrachte Kritik am Gutachten im Sinn einer fehlenden Überprüfung möglicher Projektionen früher erlebter Missbrauchshandlungen durch eine andere Person auf den Angeklagten übergeht die genau darauf abstellenden Ausführungen der Sachverständigen (S 29 ff in ON 49 S 53 und S 77 ff in ON 32 iVm S 24 und S 43 in ON 49). Der daran anschließende Vorwurf einer im Gutachten fehlenden Kompetenzanalyse im Sinn der Abklärung einer durch parallele Erlebnisse oder eine reine Erfindung erklärbaren Schilderung des Tatopfers zeigt nicht auf, welche über die im schriftlich und mündlich ausgeführten Gutachten genau dazu zu findenden Erwägungen hinausgehenden Ausführungen der Psychologin nach Auffassung des Angeklagten geboten gewesen wären.
Der weitere Beweisantrag auf ergänzende Vernehmung der Zeuginnen L***** (Tochter des Angeklagten) und La***** (Mutter des Tatopfers) legt nicht dar, weshalb die beiden kontradiktorisch vernommenen Zeuginnen, welche nach ihrer Vernehmung jeweils erklärt hatten, im Fall einer Hauptverhandlung nicht noch einmal aussagen zu wollen (S 35 in ON 19 und S 25 in ON 20), nunmehr zu einer derartigen Aussage bereit wären, sodass die Abweisung dieses Beweisbegehrens zu Recht erfolgte (vgl 14 Os 7/06w, SSt 2006/19; RIS-Justiz RS0117928).
Der in der Rüge zusätzlich reklamierte Antrag auf Einholung der Ergebnisse einer vom Rechtsmittelwerber in Anspruch genommenen Behandlung in der Justizanstalt Sonnberg „zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die Therapie erfolgreich absolviert hat, dieses Ergebnis jedenfalls für eine allfällige Einweisung nach § 21 StGB relevant ist“ und das in der Hauptverhandlung eingeholte psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R***** „nicht ausreicht, um eine allfällige Einweisung nach § 21 zu begründen“, lässt jegliche Konkretisierung dahingehend vermissen, welche nichtigkeitsrelevanten, nicht bloß die Gefährlichkeitsprognose betreffenden Umstände damit unter Beweis gestellt werden sollten. Soweit damit eine Kritik an der Expertise des psychiatrischen Sachverständigen zum Ausdruck gebracht werden sollte, verfehlt das Beweisbegehren jegliche Konkretisierung eines Mangels iSd § 127 Abs 3 StPO.
Der Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die kontradiktorische Einvernahme der L***** (ON 19), weil diese zur Tatzeit laut Niederschrift angab, „es sei hin und wieder am Wochenende gewesen“, währenddessen sie nach der Videoaufzeichnung zur Tatzeit antwortete, „es war meistens am Wochenende“, betrifft keine inhaltlich unrichtige Wiedergabe in einem Resümeeprotokoll. Soweit der Rechtsmittelwerber darüber hinaus die wortwörtliche Übertragung der aufgezeichneten Vernehmung begehrte, lässt er außer Acht, dass eine solche nur dann geboten wäre, wenn dies für die Beurteilung der Sache oder der Ergebnisse der Amtshandlung erforderlich ist (§ 96 Abs 3 StPO). Diesbezüglich finden sich im Antrag des Nichtigkeitswerbers in der Hauptverhandlung vom 13. Juli 2010 keinerlei Ausführungen.
Soweit der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge mehrfach auf Argumente zurückgreift, die bei der jeweils reklamierten Antragsstellung nicht vorgebracht wurden, konnte darauf nicht Rücksicht genommen werden, weil allein der in der Hauptverhandlung vorgebrachte Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Schöffengerichts bildet und daher auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen überprüft (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325 mwN).
Weshalb die Angaben des Zeugen B*****, wonach er von La***** kontaktiert worden sei, dass er allenfalls vor Gericht aussagen müsste, mit den Depositionen der zuletzt genannten Zeugin, die davon weder bei ihrer Einvernahme vor der Polizei noch in ihrer kontradiktorischen Vernehmung berichtet hatte, in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch stehen sollten, wird in der Mängelrüge (Z 5) nicht näher ausgeführt. Im Übrigen betreffen diese aus der Sicht des Beschwerdeführers „fehlenden“ Aussagenteile keine entscheidungswesentliche Tatsache.
Die weiters hervorgehobenen Divergenzen zwischen den Angaben des Tatopfers vor der Polizei und bei der kontradiktorischen Vernehmung fanden ebenso Eingang in die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 6) wie die Darstellungen der Zeugin C***** zur Ankündigung des Tatopfers, ihren Vater ins Gefängnis zu bringen (US 8), sodass die in der Rüge behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung nicht vorliegt. Die mit Hinweis auf auszugsweise Zitate vorgebrachten Widersprüche zwischen den Schilderungen der Zeuginnen La***** und L***** vor der Polizei zum Bauchnabelpiercing liegen mit Blick auf die dazu erfolgten Klarstellungen in den kontradiktorischen Vernehmungen (vgl S 15 ff und S 19 ff in ON 19 iVm S 9 ff in ON 20) nicht vor. Auch insoweit wird ein Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht aufgezeigt.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich im Wesentlichen in einer Wiederholung der bereits in der Mängelrüge dargestellten Kritik. Damit bringt der Nichtigkeitswerber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vor.
Dass B***** Schwierigkeiten hatte, die ersten Schilderungen der inkriminierten Vorfälle durch L***** ihm gegenüber zeitlich einzuordnen, wurde vom erkennenden Gericht gewürdigt (US 8); weshalb aus diesem vom Zeugen unsicher dargestellten Zeitfaktor erhebliche Bedenken abzuleiten wären, wird in der Beschwerde nicht dargetan.
Mit dem unsubstantiierten Hinweis, dass die Erläuterungen der Sachverständigen Mag. Dr. E***** zu einem „Flashback“ der L***** in Bezug auf einen früheren sexuellen Missbrauch „nicht logisch nachvollziehbar sind“, ignoriert die Rüge einerseits die entsprechenden Darstellungen der Expertin in der Hauptverhandlung vom 13. Juli 2010 (S 29 in ON 49). Andererseits verfehlt der Nichtigkeitswerber mit dieser auf die Erklärungen der Gutachterin nicht eingehenden Kritik die Anfechtungskriterien des § 281 Abs 1 Z 5a StPO.
Vielmehr versucht der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge die Beweisergebnisse insgesamt nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in einer für ihn günstigen Weise zu interpretieren.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich in einer Wiederholung der Kritik der Mängelrüge mit der Schlussfolgerung, dass die Zeuginnen La***** und L***** falsch ausgesagt hätten. Solcherart wird ein Rechtsfehler im Sinne des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §390a Abs 1 StPO.
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