OGH 12Os1/86

OGH12Os1/8615.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Renate L*** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 1.Oktober 1985, GZ 11 c Vr 468/85-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, der Angeklagten Renate L*** und des Verteidigers Dr. Claus zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch der Angeklagten wegen Vergehens nach § 288 Abs. 1 StGB unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Renate L*** hat ferner durch die im unberührt gebliebenen Schuldspruch angeführte Tathandlung einer Behörde (§ 151 Abs. 3 StGB) die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, und zwar das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, wissentlich vorgetäuscht.

Sie hat hiedurch auch das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 298 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür und für das ihr weiter zur Last liegende Vergehen nach § 288 Abs. 1 StGB nach §§ 28 Abs. 1, 288 Abs. 1 StGB unter Anwendung der §§ 11 Z 1 JGG und 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt.

Der Tagessatz wird mit S 80,- festgesetzt.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 100 Tagen bestimmt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 389 StPO hat die Angeklagte die Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zu ersetzen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27.Februar 1968 geborene und demnach zur Tatzeit noch jugendliche Angeklagte Renate L*** des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht gemäß § 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie in der beim Bezirksgericht Poysdorf am 14.Februar 1985 in der Strafsache gegen Richard D*** wegen der Vergehen nach §§ 88 Abs. 1 und Abs. 3; 89 (§ 81 Z 1 und 2) StGB, AZ U 525/84, durchgeführten Hauptverhandlung als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Aussage: "Es hat zwischen Richard D*** und Karin K*** einen Streit gegeben, dies war vor dem Unfall. Der Beschuldigte (gemeint: Richard D***) hat Karin K*** dabei mit der Hand geringfügig an der Nase verletzt. Karin K*** erlitt die Verletzung durch einen leichten Schlag von Richard D***, jedoch vor dem Unfall" falsch ausgesagt hatte. Von dem weiteren Anklagevorwurf, durch diese falsche Beweisaussage vor dem Bezirksgericht Poysdorf am 14. Februar 1985 über das Entstehen der Verletzung der Karin K*** an der Nase (zugleich in Tateinheit) dem Bezirksgericht Poysdorf, sohin einer Behörde, die Begehung einer mit (gerichtlichen) Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung (an Karin K***) wissentlich vorgetäuscht (und hiedurch zugleich auch das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB begangen) zu haben, wurde Renate L*** mit demselben Urteil gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Feststellungen im Ersturteil hatte der damals 18-jährige Richard D*** gegen Mitternacht des 4. November 1984 als PKW-Lenker in erheblich alkoholisiertem Zustand und ohne zum Lenken des Fahrzeuges befugt gewesen zu sein, dadurch einen Unfall verschuldet, daß er im Gemeindegebiet Erdberg, Bezirk Mistelbach, NÖ, auf einem Güterweg infolge Unaufmerksamkeit in einer Rechtskurve mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn abkam und über eine 28 m hohe Böschung stürzte. Die im PKW mitfahrende Karin K*** erlitt bei diesem Unfall eine leichte Verletzung an der Nase, die gleichfalls in diesem Fahrzeug befindliche Angeklagte Renate L*** blieb unverletzt. Karin K*** hatte zunächst bei ihrer Vernehmung vor dem Gendarmerieposten Poysdorf am 6.November 1984 ausdrücklich zugegeben, ihre (damals von der Gendarmerie auch festgestellte) Verletzung an der Nase bei diesem Unfall erlitten zu haben (S 15 d.A). Da Richard D***, Karin K*** und Renate L*** nach ihrem laienhaften Verständnis in dem beim Bezirksgericht Poysdorf auf Grund dieses Verkehrsunfalls gegen Richard D*** wegen Vergehens nach §§ 88 Abs. 1 und Abs. 3; 89 (§ 81 Z 1 und 2) StGB eingeleiteten Strafverfahren wegen dieser leichten Verletzung der Karin K*** eine strengere Bestrafung des Richard D*** befürchteten, behaupteten sie nach vorangegangener Absprache dann in der am 14.Februar 1985 vor dem Bezirksgericht Poysdorf gegen Richard D*** durchgeführten Hauptverhandlung, daß Karin K*** nicht bei diesem Verkehrsunfall, sondern schon vorher bei einem Streit durch einen Schlag des Richard D*** verletzt worden sei. Die von Renate L*** in diesem Sinn als Zeugin in der Hauptverhandlung am 14.Februar 1985 abgelegte Aussage machte sogar eine Vertagung der Hauptverhandlung (zwecks Klärung der Entstehungsursache der Nasenverletzung der Karin K***) erforderlich. In der fortgesetzten Hauptverhandlung am 7.März 1985 beantragte der Bezirksanwalt wegen der angeblich vorsätzlichen Verletzung der Karin K*** an der Nase (ersichtlich gemeint: alternativ) auch die Bestrafung des Richard D*** wegen Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB (S 35 d.A). Das Bezirksgericht Poysdorf gelangte jedoch in dem Strafverfahren gegen Richard D***, AZ U 525/84, zur Überzeugung, daß die Nasenverletzung der Karin K***, so wie sie dies vor der Gendarmerie ursprünglich angegeben hatte, bei dem Verkehrsunfall entstanden ist. In dem daraufhin gegen Karin K*** und Renate L*** wegen Verdachtes der falschen Beweisaussage vor Gericht und Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung eingeleiteten Strafverfahren, AZ Z 41/85 des Bezirksgerichtes Poysdorf, waren die beiden Mädchen, aber auch Richard D*** geständig und gaben übereinstimmend zu, daß die Verletzung der Karin K*** tatsächlich bei dem Verkehrsunfall am 4.November 1984 entstanden ist und die zwischen ihnen abgestimmte und in der Hauptverhandlung am 14.Februar 1985 vor dem Bezirksgericht Poysdorf vorgebrachte Version nicht den Tatsachen entsprach sondern frei erfunden worden war. In der im vorliegenden Strafverfahren gegen Renate L*** durchgeführten Hauptverhandlung hielt die Angeklagte Renate L*** dieses Geständnis aufrecht. Das Verfahren gegen Karin K*** war inzwischen ausgeschieden worden (S 1 b).

Das Erstgericht verurteilte Renate L*** wegen Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB, sprach sie aber von dem Anklagevorwurf, hiedurch auch das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB begangen zu haben, mit der Begründung frei, daß der wesentliche Kern dieser Aussage in der - an sich den Tatsachen entsprechenden - Verursachung der Verletzung der Karin K*** durch Richard D*** zu erblicken sei und nur die Begleitumstände dieser Tat geändert worden seien, sodaß letztlich von einer erfundenen (mit gerichtlicher Strafe bedrohten) Tat, wie sie § 298 Abs. 1 StGB voraussetze, nicht gesprochen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der - sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO - Berechtigung zukommt:

Vorweg sei bemerkt, daß der vom Erstgericht gefällte formelle Freispruch der Angeklagten Renate L*** gemäß § 259 Z 3 StPO von dem - in Tateinheit (Idealkonkurrenz) mit dem vom Schuldspruch der Genannten wegen Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB verwirklichten - Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB rechtlich verfehlt ist, weil es hier nur darum geht, ob die Angeklagte durch ein und dieselbe Tat (in Idealkonkurrenz) neben dem Delikt der falschen Beweisaussage vor Gericht zugleich auch noch den Vergehenstatbestand nach dem § 298 Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Ein formeller Freispruch von dieser weiteren rechtlichen Beurteilung (Qualifikation) derselben Tat ist verfehlt (Mayerhofer-Rieder 2 , Nr 52 bis 54 zu § 259 StPO).

Wie auch das Erstgericht zutreffend ausführt, kann von einem Vortäuschen im Sinne des § 298 Abs. 1 StGB nur dann gesprochen werden, wenn eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung gar nicht begangen, also erfunden wurde (Foregger-Serini, StGB 3 , Erl I zu § 298 StGB; Leukauf-Steininger 2 , RN 2 zu § 298 StGB; Pallin, WK, Rz 2 zu § 298 StGB). Richard D*** hat nun zwar die Nasenverletzung der Karin K*** durch eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung (§ 88 Abs. 1 und Abs. 3 StGB in Verbindung mit dem § 81 Z 1 und 2 StGB) herbeigeführt, doch kann in diesem Fall nicht gesagt werden, daß durch die hier in Rede stehende (falsche) Aussage der Angeklagten Renate L*** im Strafverfahren gegen Richard D*** bloß unwesentliche Umstände der tatsächlich begangenen (Fahrlässigkeits-)Tat verändert wurden. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes wurde von der Angeklagten Renate L*** bei ihrer (wahrheitswidrigen) Aussage über die Entstehung der Nasenverletzung der Karin K*** ein vom tatsächlichen Geschehen gerade in den wesentlichen Punkten abweichender Sachverhalt, also ein anderes historisches Ereignis behauptet. Denn die falsche Darstellung der Angeklagten Renate L*** über die Ursache der Verletzung der Karin K*** weicht, ganz abgesehen von der Unterschiedlichkeit in der behaupteten Schuldform bei der Zufügung dieser Verletzung durch Richard D*** (Vorsatz statt Fahrlässigkeit), nicht nur dadurch vom tatsächlichen Geschehen (Verkehrsunfall) ab, daß sie eine völlig andere Tathandlung des Richard D*** (: Schlag mit der Hand in das Gesicht der Karin K***; zu beurteilen nach § 83 Abs. 1 StGB) wiedergab, sondern auch insoweit, als sie die vorgegebene, vorsätzliche Tathandlung (Schlag) wahrheitswidrig überdies in zeitlicher Beziehung vor dem tatsächlichen Ereignis (Verkehrsunfall) einordnete. Sie schilderte somit bei ihrer falschen Aussage über das Zustandekommen der Verletzung der Karin K*** letztlich ein von der Wirklichkeit abweichendes erfundenes (zusätzliches) Ereignis und Tatverhalten, das gegenüber dem tatsächlichen zur Verletzung der Karin K*** führenden Geschehen (: Verkehrsunfall mit Verletzungsfolgen durch einen unter Alkoholeinwirkung stehenden Fahrzeuglenker) - faktisch und strafrechtlich - ein aliud darstellt, und täuschte solcherart eine nicht begangene Straftat vor (vgl Pallin, WK, Rz 2 zu § 298 StGB). Von einer - zur Herstellung des Vergehenstatbestandes nach § 298 Abs. 1 StGB allerdings noch nicht

ausreichenden - Veränderung bloß unwesentlicher oder eine andere rechtliche Qualifkation der (an sich begangenen) Tat bedingenden Tatumständen (siehe hiezu ÖJZ-LSK 1979/268; JBl 1981, 603 und 1982,

607) kann somit im vorliegenden Fall keine Rede sein. Es war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch der Angeklagten wegen Vergehens nach § 288 Abs. 1 StGB unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß die Angeklagte Renate L*** auch des - in Tateinheit mit dem Vergehen nach § 288 Abs. 1 StGB verwirklichten - Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 298 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen wird.

Bei der nunmehr erforderlichen Neubemessung der Strafe war erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen (§ 33 Z 1 StGB), mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten der Angeklagten im auffallenden Widerspruch steht (§ 34 Z 2 StGB) sowie das reumütige Geständnis (§ 34 Z 17 StGB).

Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 StGB sind gegeben, sodaß eine Geldstrafe in einem dem Schuldgehalt der Tat entsprechenden Ausmaß von 200 Tagessätzen zu verhängen war. Bei einem unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehaltes monatlichen Nettoeinkommen von rund 6.200 S übersteigt ein Tagessatz in der Höhe von 80 S nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Angeklagten, die für niemanden zu sorgen hat.

Bei den besonderen Umständen des Falles, die Tat wurde nur aus mißverstandener Kameradschaft verübt, den vorliegenden Milderungsgründen und der Persönlichkeit der Angeklagten - die Jugendliche wächst in geordneten Verhältnissen auf und geht einem Beruf nach -, war die Annahme gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, sie vor der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Auch generalpräventive Erwägungen sprechen aus diesen Gründen trotz der besonderen Bedeutung einer Zeugenaussage für die Rechtspflege nicht gegen eine bedingte Strafnachsicht.

Die Strafe war daher unter Bestimmung einer angemessenen Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachzusehen. Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den angeführten Gesetzesstellen.

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