Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Linz wird zurückgewiesen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wie auch die Finanzstrafbehörde mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch (nach § 214 FinStrG) enthält - wurde Eike Karl G***** des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt, weil er "als Geschäftsführer und Wahrnehmender der steuerlichen Angelegenheiten der A***** GesmbH vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkte bzw zu bewirken versuchte, daß er für die Jahre 1982 bis 1984 Einnahmen aus Gewerbebetrieben bzw Umsätze aus dem Baugewerbe in der Höhe von insgesamt 23,100.000 S nicht erklärte, sodaß eine Abgabenverkürzung von insgesamt 4,368.000 S entstand, wobei es im Jahr 1984 mit einem Abgabeverkürzungsbetrag von 2,100.000 S beim Versuch blieb".
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz.
Das Finanzamt hat zwar am 19.Februar 1996 (rechtzeitig) ua Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet (ON 36a), dieses Rechtsmittel jedoch nach Zustellung einer Urteilsausfertigung nicht ausgeführt. Da Nichtigkeitsgründe auch in der Anmeldung nicht einzeln und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285 Abs 1 StPO), hätte die Nichtigkeitsbeschwerde bereits vom Erstgericht gemäß §§ 285 a Z 2, 285 b Abs 1 StPO zurückgewiesen werden sollen. Da dies nicht geschehen ist, war nunmehr nach §§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO vorzugehen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten insofern unrichtig angewendet wurde, als die Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen des ihm angelasteten Delikts die Annahme eines zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen zumindest bedingten Vorsatzes nicht decken (Z 9 lit a).
Nach herrschender Judikatur wird nämlich durch eine bloß verspätete, der Höhe nach (wie hier) nicht unter der wahren Abgabenschuld liegende Abgabenfestsetzung, mag sie auch erst nach jenem Zeitpunkt stattgefunden haben, in dem die Abgaben bei pflichtgemäßer Erstattung der vorgeschriebenen Steuererklärung normalerweise festgesetzt worden wären, objektiv noch keine Abgabenverkürzung gemäß § 33 Abs 1 FinStrG bewirkt. War daher der Vorsatz des die Abgabe von Steuererklärungen unterlassenden Täters darauf gerichtet, sich der Abgabenpflicht überhaupt zu entziehen und scheiterte dieses Vorhaben daran, daß die Abgabenbehörde (wie hier) von seiner Abgabenpflicht Kenntnis hatte und die Abgaben - wenn auch verspätet - bescheidmäßig und sogleich abgabenschuldkonform festsetzte, wodurch Haftung (nur) wegen versuchter Abgabenverkürzung, und zwar in diesem Fall in der vollen Höhe seiner Abgabenschuld als des gewollten Verkürzungsbetrags begründet wird (Dorazil-Harbich FinStrG § 33 Anm 12, ENr 21 d), bedarf es im Hinblick auf die unter diesen Prämissen zu erwartende Schätzung (§ 184 BAO) und den Umstand, daß derartige Schätzungen erfahrungsgemäß in der Regel nicht zu einem den Abgabenpflichtigen begünstigenden Ergebnis führen, bei der Feststellung des tatbestandsmäßigen Verkürzungsvorsatzes einer substantiierten Darlegung der sie rechtfertigenden besonderen Umstände des Einzelfalles (EvBl 1983/10; Dorazil-Harbich aaO E 21 b). Diesem Erfordernis werden die vom Erstgericht in subjektiver Hinsicht getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte wußte, daß die Umsätze der A*****-GesmbH von 1982 bis 1984 bei weitem höher waren als von ihm vorangemeldet und die Beträge kannte (US 7), nicht gerecht.
Schon dieser (vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte) von Amts wegen wahrzunehmende Feststellungsmangel macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unerläßlich, sodaß bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§§ 290 Abs 1, 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des Beschwerdevorbringens bedarf.
Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte ebenso wie das Finanzamt Linz mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
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