European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00018.21W.0729.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Dr. Tilo B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. August 2017 (ON 627) wurde– soweit hier relevant – Dr. Tilo B***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I./1./ und I./2./) und des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 9. März 2020, AZ 12 Os 39/18d, wurde – soweit hier von Interesse – in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Dr. B***** das angefochtene Urteil, das den Genannten betreffend im Punkt I./1./ des Schuldspruchs unberührt blieb, in den Punkten I./2./ und II./, demzufolge auch in der zu I./ gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
[3] Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil des zweiten Rechtsgangs, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten Josef K***** und Mag. Heinrich P***** enthält, wurde Dr. Tilo B***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I./2./ und [insoweit als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB] II./) schuldig erkannt.
[4] Danach hat er
I./2./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Josef K***** als Mittäter zwischen Mai 2007 und Jänner 2008 (insbesondere am 14. Jänner 2008) in K***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, die V***** AG [kurz: V*****] unrechtmäßig zu bereichern, die Geschäftsführerin der H*****B***** GmbH [kurz: H*****B*****] Mag. Lisa T***** und die Prokuristin Mag. Isabella Ku***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, dass die H*****C***** AG ***** [kurz: HC*****] aus einer Vertragsverpflichtung von 2007 an die V***** einen Betrag von 1.250.000 Euro bezahlen muss, daher die H*****B***** (als deren Muttergesellschaft) einen (weiteren begründeten) Liquiditätszuschuss dafür an die HC***** zu überweisen hat, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Auslandsüberweisung von 1.250.000 Euro „und damit zur Bezahlung der Scheinrechnung 'Adam', datiert mit 11. Jänner 2008, verleitet“, die das genannte Unternehmen (gemeint: die H*****B*****) in eben diesem, 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte;
II./ am oder kurz nach dem 21. Dezember 2007 (US 33 f, 45) durch die mit Informationen untermauerten Anweisungen dahingehend, Scheinrechnungen durch die V***** („Floating“) zu erstellen und vorzulegen, Josef K***** als unmittelbaren Täter (vgl US 2) dazu bestimmt, die Geschäftsführer der H***** K***** GmbH & Co KG [kurz: H*****K], Mag. Peter Ka***** und Verenad*****, durch die wahrheitswidrige Behauptung, es habe im Jahr 2007 im Zuge der Übernahme und Refinanzierung des Kreditnehmers DD***** unter dem Projektnamen „Floating“ eine Vereinbarung mit der V***** gegeben, wonach diese 2 % von der Kreditvalutasumme von 40.400.000 Euro als Success Fee zu erhalten habe, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung der Scheinrechnung „Floating“ datiert mit 31. Dezember 2007 in der Höhe von 969.600 Euro zu verleiten, wobei Dr. B***** mit dem Vorsatz handelte, die V***** unrechtmäßig zu bereichern sowie das genannte Unternehmen [gemeint: die H*****K] in einem Betrag von 969.600 Euro (808.000 Euro plus 161.600 Euro USt), also in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen zu schädigen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen vom Angeklagten Dr. Tilo B***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 8 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
[6] Zu I./2./ behauptet die Mängelrüge, dass die Feststellung zur Kausalität der Täuschungshandlung des Dr. B***** (US 39 ff) offenbar unzureichend begründet wäre (Z 5 vierter Fall), weil der Beschwerdeführer „nach der Gesamtheit der Entscheidungsgründe“ gegenüber der Geschäftsführerin der H*****B***** im Zusammenhang mit der Rechnung „Adam“ gar nicht in Erscheinung getreten sei. Insbesondere ergebe sich aus der Aussage der Zeugin Mag. T***** kein Hinweis, dass der (auch) von Dr. B***** mit „Ok“ abgezeichnete Aktenvermerk an sie rückübermittelt worden sei.
[7] Damit orientiert sich die Beschwerde nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, wonach die genannte Zeugin in der Hauptverhandlung aussagte, die Auszahlungsanordnung über Weisung des Rechtsmittelwerbers und des Josef K***** erteilt zu haben (US 56; ON 533 S 15 iVm ON 725 S 17 f, 24).
[8] Im Übrigen spricht die Beschwerde im Ergebnis (nur) einen für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung maßgeblichen Umstand (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 3), nicht aber eine den Ausspruch über die Schuld oder die Subsumtion tragende (und damit eine entscheidende Tatsache betreffende) Feststellung an (RIS‑Justiz RS0122137).
[9] Dem zu II./ erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider war das Erstgericht zu einer Auseinandersetzung mit den einzelnen Entwürfen der (Schein‑)Rechnungen, (Schein‑)Mandats-verträge und Begleitschreiben betreffend das Projekt „Floating“ nicht verhalten. Denn entgegen dem sich in eigenständigen Beweiswertüberlegungen ergehenden Beschwerdevorbringen stehen diese von Dr. R***** (als Absender) per E‑Mail an Josef K*****, Rechtsanwalt Dr. L***** und Mag. Christina M***** übermittelten Entwürfe– ebenso wie der Umstand, dass in einem von Mag. M***** an Dr. R***** versendeten E‑Mail keine „Firmendetails“ der H*****K angegeben wurden – der Konstatierung, wonach der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Telefonats mit Josef K***** (US 33 f, 45) eine Betrugshandlung (konkret) zum Nachteil der H*****K für gewiss hielt, gar nicht erörterungsbedürftig entgegen. Der Rechtsmittelwerber lässt außer Acht, dass nach der weiteren Urteilsbegründung Josef K***** vom Beschwerdeführer die Vorgabe erhalten hat, die Scheinrechnungen zu „erstellen“ bzw zu „plausibilisieren“ (US 45, 72), also – bei verständiger Lesart – diese dergestalt zu korrigieren oder anzupassen, dass die Scheinrechnungen (auch) in Tochtergesellschaften untergebracht werden können (US 44). Im Übrigen haben die Tatrichter den von Dr. B***** bereits im Rahmen der Hauptverhandlung vorgebrachten Einwand, dass keiner der Rechnungsentwürfe auf die H*****K lautete, ohnehin berücksichtigt (US 72), daraus jedoch nicht den vom Beschwerdeführer gewünschten Schluss gezogen.
[10] Bleibt schließlich festzuhalten, dass der Umstand, ob Dr. B***** zum Zeitpunkt der Bestimmungshandlung einen Betrug konkret zum Nachteil der H*****K für gewiss hielt, keine entscheidende Tatsache betrifft. Denn unter dem Blickwinkel der hinreichenden Individualisierung der angesonnenen Tat (vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 58; Öner/Schütz in Leukauf/Steininger, StGB4 § 12 Rz 33) ist es (bereits) ausreichend, dass der Beschwerdeführer – der dabei eine (nachfolgende) Täuschung durch den unmittelbaren Täter für gewiss hielt und mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz agierte (US 45 f) – Josef K***** dazu bestimmte, die Verantwortlichen einer Konzerngesellschaft (US 34, 44 f) mittels Vorgabe der Rechtmäßigkeit der (Schein‑)Rechnung zu deren Bezahlung zu verleiten, ohne dass er zu diesem Zeitpunkt bereits einen Betrug konkret zum Nachteil der H*****K in seinen Vorsatz aufgenommen haben müsste.
[11] Dem zu beiden Schuldspruchpunkten erhobenen weiteren Einwand der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider betreffen die Feststellungen zur Vorgabe des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zahlung der V***** in Höhe von zwei Millionen Euro aus der Ablöse der Medienbeteiligung (US 33) keine entscheidende Tatsache (vgl die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite auf US 41 ff und US 45 f). Schadenskompensation kommt nämlich nur hinsichtlich solcher Gegenleistungen in Betracht, die im unmittelbaren Gegenzug zur Vermögensverfügung des Getäuschten erbracht wurden (RIS‑Justiz RS0094217). Die Zahlung der V***** in Höhe von (insgesamt) zweiMillionen Euro beruhte jedoch auf einem anderen Geschäft (vgl Kert, SbgK § 146 Rz 240; US 29 ff; vgl auch US 70 f) und kann daher für die Frage des aus den (Teil‑)Zahlungen für die Fairness Opinion resultierenden Schadens der H*****B***** und der H*****K keine Relevanz haben.
[12] Unter § 281 Abs 1 Z 8 StPO rügt der – die Identität von Anklage- und Urteilssachverhalt nicht bestreitende – Beschwerdeführer, das Erstgericht habe zu I./2./ eine abweichende rechtliche Beurteilung ohne vorangehende Information des Angeklagten nach § 262 StPO vorgenommen. Die Anklage habe (nach Modifizierung in der Hauptverhandlung [ON 725 S 26 f]) den Sachverhalt als Verbrechen der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB qualifiziert, das Schöffengericht habe ihn jedoch des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
[13] Jedoch steht die strikte Einhaltung der von § 262 StPO beschriebenen Form als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS‑Justiz RS0113755). Fallaktuell wurde der Angeklagte auf den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt zum einen durch die Ausführungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Nichtigkeitsbeschwerde im ersten Rechtsgang aufmerksam gemacht (12 Os 39/18d). Zudem wies auch die Staatsanwaltschaft zu Beginn der Hauptverhandlung – unter Bezugnahme auf die genannte (teil‑)kassatorische Entscheidung – auf eine allfällige rechtliche Beurteilung des Tatgeschehens als (schwerer) Betrug hin (ON 717 S 3), wobei der Verteidiger des Beschwerdeführers auf diese Ausführungen – wenngleich unter ausdrücklicher Ablehnung einer Unterstellung unter den Betrugstatbestand – replizierte (ON 717 S 4 f). Solcherart wurde dem Schutzzweck des § 262 StPO (hinreichend) Rechnung getragen (vgl RIS‑Justiz RS0113755 [T16]; RS0123609).
[14] Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider liegt in der Heranziehung der „Mehrfachqualifikation“ als Erschwerungsgrund kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot. Denn die Beschwerde übergeht, dass der Angeklagte – neben der Untreuehandlung – zwei als schwerer Betrug (§§ 146, 147 Abs 3 StGB) qualifizierte, trotz Zusammenfassung in einer Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) rechtlich selbständige Taten beging, sodass der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB schon durch die Tatwiederholung erfüllt ist (vgl RIS‑Justiz RS0116020).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung des Angeklagten (§ 24 StPO) – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)