Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.März 1964 geborene Tischlerlehrling Peter A des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und des Vergegehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen fuhr der Angeklagte am 3. März 1980 gegen 19,10 Uhr mit seinem Fahrrad, an dessen Sattel er einen zirka 1 m breiten und 1,60 m langen, mit Kleinholz beladenen Einachsanhänger mit einem Kabel- oder Kettenschloß befestigt hatte, am rechten Fahrbahnrand der Tiroler Bundesstraße 171 in Richtung Weer. Die Beleuchtungsanlage des Fahrrades war eingeschaltet, doch war das Rücklicht durch den 70 cm hohen Anhänger verdeckt und daher für nachkommende Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen. Der Anhänger selbst war nicht beleuchtet und auch mit keinen Rückstrahlern versehen.
Zur selben Zeit lenkte Albert B seinen PKW.
Marke VW mit einer Geschwindigkeit von über 80 km/h ebenfalls in westliche Richtung. Da B den Angeklagten mit seinem Fahrrad und Anhänger infolge der fehlenden hinteren Beleuchtung erst im Kegel seiner abgeblendeten Scheinwerfer vor sich wahrnahm, zog er den PKW. scharf nach links, um den Angeklagten nicht anzufahren und ihn zu überholen. Da sich aber aus der Gegenrichtung Robert C mit seinem PKW. Marke Fiat 131 S näherte, verriß Albert B wenige Meter nach Passieren des Angeklagten sein Fahrzeug nach rechts, um wieder auf die rechte Fahrbahnhälfte zu gelangen und eine Kollision mit dem entgegenkommenden PKW. zu vermeiden. Infolge dieser abrupten Lenkbewegung und des eingeleiteten Bremsmanövers kam das von B gelenkte Fahrzeug auf der im Unfallbereich übersichtlichen, geraden, 7,5 m breiten und keine wesentlichen Unebenheiten aufweisenden Fahrbahn ins Schleudern, stellte sich quer und prallte mit der linken Seite gegen das Fahrzeug des Robert C. Bei dieser Kollision erlitt Albert B tödliche Verletzungen; Robert C wurde schwer verletzt (Bruch von drei Mittelfußknochen, Fersenbeinbruch, Mittelhandknochenbruch und Kieferbruch, Rißquetschwunde am Kinn und an der Nase sowie Prellungen und Hautabschürfungen). Diesen Schuldspuch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 (gemeint: lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, daß sich im Unfallbereich Fahrrillen befinden, die Fahrbahn zur Mitte hin erhoben sei und die Fahrbahnverhältnisse zu einer Fehlreaktion des getöteten Fahrzeuglenkers geführt hätten, sowie die Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens zum Beweis, daß sich der Unfall so zugetragen haben müsse, wie ihn der Angeklagte schildert und die in der Unfallskizze eingezeichneten Brems- und Schleuderspuren Spuren wiedergeben, welche das Fahrzeug des B nach dessen überholmanöver abgezeichnet hätte (vgl. S. 153 ff., 163 d.A.).
Rechtliche Beurteilung
Durch dieses abweisliche Zwischenerkenntnis wurden jedoch Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt: Mit dem Befund des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Dipl.Ing. Dr. Ekkehard D, der die Unfallstelle besichtigt hat, den im Akt befindlichen Lichtbildern und den Gendarmerieerhebungen standen dem Gericht verläßliche Beweisgrundlagen zur Beurteilung der Fahrbahnbeschaffenheit zur Verfügung, welche die Vornahme eines Lokalaugenscheines entbehrlich machten. Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß die Fahrbahn im Unfallbereich gewisse - geringere - Unebenheiten und einen Niveauunterschied gegen die Mitte zu aufweist, so konnte daraus nach Lage des Falles nicht abgeleitet werden, daß Albert B durch diese Straßenverhältnisse irritiert und zu Fehlreaktionen veranlaßt worden wäre; eine solche Sachverhaltsvariante schloß das Gericht, dem Gutachten des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Dipl.Ing. Dr. D folgend (vgl. S. 152 d.A.), aus.
Daß dessen Gutachten Widersprüche und Mängel im Sinne der § 125, 126 StPO aufweist, vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun, sodaß der auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichtete Antrag zu Recht abgelehnt wurde.
Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 5
des § 281 Abs 1 StPO bemängelt der Beschwerdeführer zunächst als Unvollständigkeit der Urteilsbegründung, das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, daß der Angeklagte genau auf der weißen Begrenzungslinie der Fahrbahn gefahren sei, sodaß sich der Fahrradanhänger mit einem Rad außerhalb der asphaltierten Fahrbahn befunden habe, maximal 50 cm in die Fahrbahn geragt sei und daher dem B ein überholen ohne Beeinträchtigung des Gegenverkehrs möglich gewesen wäre. Daß ein Begegnen aller drei Fahrzeuge auf gleicher Höhe an sich möglich gewesen wäre, hat das Erstgericht jedoch ohnedies als erwiesen angenommen (vgl. S. 59, 152, 164 d.A.). Zudem war dieser Umstand nur für die - hier nicht entscheidungswesentliche - Frage von Bedeutung, ob den Getöteten an dem Unfall selbst ein (beträchtliches) Mitverschulden trifft; ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 7 Abs 1
und 2 StVO. wird dem Angeklagten gar nicht angelastet. Ferner erblickt der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch der Urteilsgründe darin, daß einerseits seine Verantwortung, B sei erst zu einem Zeitpunkt ins Schleudern geraten, als er ihn zur Gänze überholt gehabt habe, für widerlegt erachtet wurde, andererseits aber die Feststellung getroffen wird, daß B wenige Meter nach Passieren des Angeklagten sein Fahrzeug nach rechts verrissen habe; dies jedoch zu Unrecht.
Er übersieht zunächst in rechtlicher Hinsicht, daß das überholen im Sinne der Straßenverkehrsordnung (§ 2 Abs 1 Z. 29) die gesamte überholbewegung von der Ausgangsstellung bis zum Wiedereinordnen umfaßt (vgl. ZVR. 1972/19), was sich schon aus der Verpflichtung des überholenden ergibt, bei der Einordnung seines Fahrzeuges in den Verkehr nach der Vorbeifahrt an dem überholten andere Straßenbenützer nicht zu gefährden oder zu behindern (§ 16 Abs 1 lit c StVO.) und sich beim Wechsel des Fahrstreifens zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist (§ 11 Abs 1 StVO.). Bei der rechtlichen Beurteilung kommt es demnach hier nicht darauf an, ob das von B gelenkte Fahrzeug erst ins Schleudern geraten ist, nachdem dieser das Fahrzeug des Angeklagten bereits hinter sich gebracht hatte; wesentlich ist nur, daß Unfallsursache die Verreißlenkung des B nach links zu Beginn des überholvorganges und daran anschließend seine zu heftige Gegenlenkung nach rechts beim Wiedereinordnen in den Verkehr war und die das Unfallsgeschehen unmittelbar auslösende Fehlreaktion in einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der überholvorgang nicht schon zur Gänze abgeschlossen war und mit diesem noch in einem erkennbaren Ursachenzusammenhang stand, wie dies das Erstgericht auf Grund des vorerwähnten kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens und der Zeugenaussage des Robert C, sohin mit mängelfreier Begründung annahm (vgl. S. 162 f. d.A.). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Richtigkeit des als Feststellungsgrundlage herangezogenen Sachverständigengutachtens in Zweifel zieht, bekämpft er in einer unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die Beweiswürdigung des Jugendschöffengerichtes.
In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, das Fahrverhalten des Angeklagten stünde mit dem nachfolgenden Zusammenstoß in keinem ursächlichen Zusammenhang, der eine strafrechtliche Haftung begründen könnte.
Auch dieser Rechtsrüge muß jedoch ein Erfolg versagt bleiben. Bei seinen bezüglichen Beschwerdeausführungen geht der Beschwerdeführer zum Teil nicht von den im Urteil getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus, wie dies für eine gesetzmäßige Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, sondern von urteilsfremden Annahmen. Negiert er doch die Konstatierung des Jugendschöffengerichtes, wonach B das Fahrzeug des Angeklagten einerseits, weil dessen Anhänger nicht vorschriftsmäßig beleuchtet war, andererseits infolge der von ihm eingehaltenen überhöhten Geschwindigkeit zu spät bemerkt und daraufhin ein riskantes überholmanöver eingeleitet habe, in dessen Verlauf er (beim Verreißen seines Fahrzeuges nach rechts nach Wahrnehmung eines entgegenkommenden PKWs.) ins Schleudern geriet, wogegen er bei rechtzeitiger Wahrnehmung des Angeklagten seine Fahrweise und seine Fahrgeschwindigkeit dem Auftauchen des Hindernisses vor ihm in geeigneter Weise hätte anpassen können (vgl. S. 164 d.A.).
Ferner setzt er sich über die Urteilsannahme hinweg, das Rücklicht des Fahrrades sei durch den 70 cm hohen Anhänger verdeckt und für einen nachkommenden Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen gewesen. Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, verstieß der Angeklagte damit gegen die Vorschrift des § 67 Abs 1 StVO., indem er mit einem Fahrrad fuhr, dessen Anhänger weder mit zwei roten Rückstrahlern, welche die Breite des Anhängers erkennen ließen, noch mit einem entsprechenden Rücklicht ausgestattet war.
Die Verpflichtung zur gesonderten Anbringung eines Rücklichtes auf dem Anhänger wäre nur dann entfallen, wenn ein solches auf dem Fahrrad selbst wirksam und für von hinten kommende Verkehrsteilnehmer sichtbar gewesen wäre.
Diese Voraussetzung wurde jedoch im vorliegenden Fall vom Gericht verneint. Die Lenkung eines Fahrrades, an dessen Anhänger die vorschriftsmäßige Beleuchtung fehlte, bei Dunkelheit war demnach - mag auch bei Abwägung des Verschuldensgrades ein solcher Verstoß gegenüber einer Verletzung des Grundsatzes des Fahrens auf Sicht im allgemeinen in den Hintergrund treten (vgl. ZVR. 1968/59) - als ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten zu werten, das mit dem daraus entstandenen Erfolg auch im Risikozusammenhang steht; besteht doch der Schutzzweck des § 67 Abs 1 StVO. (wie der Vorschriften über die Beleuchtung von Fahrzeugen überhaupt /§ 60 Abs 3 StVO. /) darin, anderen Verkehrsteilnehmern, im speziellen Fall den von hinten kommenden, das Fahrzeug leichter erkennbar zu machen und das richtige Abschätzen der Fahrzeug-
(Anhänger-)breite zu ermöglichen.
Im übrigen ist dem Beschwerdeführer noch folgendes entgegenzuhalten:
Verursachungszusammenhang ist immer dann gegeben, wenn nach dem tatsächlichen Geschehensablauf das Verhalten des Täters eine der Bedingungen des Erfolges darstellt. Geht man von den Urteilsfeststellungen aus, so steht außer Zweifel, daß die Lenkung des Fahrzeuges mit unbeleuchtetem Anhänger durch den Angeklagten eine, wenn auch nicht die ausschließliche Bedingung für den Eintritt des Erfolges war, weil diese nicht hinweggedacht werden könnte, ohne daß der Erfolg in seiner konkreten Gestaltung (und nicht generell) unterblieben wäre.
Hingegen betrifft die vom Beschwerdeführer gleichfalls aufgeworfene Frage, welchen Lauf die Dinge genommen hätten, wenn sich der Angeklagte richtig verhalten hätte, die objektive Zurechnung des Erfolges. Hiefür ist hinwieder ausreichend, daß das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten des Täters, das den Erfolg herbeigeführt hat, das Risiko seines Eintrittes gegenüber dem rechtmäßigen Alternativverhalten (bezogen auf den konkreten Einzelfall) erheblich erhöht hat (vgl. Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, 139 ff.; derselbe im Wiener Kommentar, RN. 74 f. zu § 6 StGB und RN. 73 ff.
zu § 80 StGB; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN. 31 ff. zu § 80 StGB; ferner ZVR. 1980/48).
Eben dieser Fall lag hier vor, weil nach allgemeiner menschlicher Erfahrung evident ist, daß B bei vorschriftsmäßiger Beleuchtung des Fahrradanhängers diesen früher und leichter hätte wahrnehmen können und bei rechtmäßigem Verhalten des Angeklagten daher ein weitaus geringeres Risiko in bezug auf den Erfolgseintritt bestanden hätte, da B diesfalls eine reale Chance zur Vermeidung eines tödlichen Unfalls eröffnet worden wäre. Daß bei rechtmäßigem Verhalten des Angeklagten der Erfolg mit Sicherheit ebenso eingetreten wäre, kann aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht abgeleitet und nach dem Gesagten sohin auch eine Risikoerhöhung nicht negiert werden.
Da überdies für den Angeklagten, wie für jedermann voraussehbar war, daß als Folge der Verletzung der Schutznorm des § 67 Abs 1 (in Verbindung mit § 60 Abs 3) StVO.
- deren Einhaltung ihm nach den Umständen auch zumutbar war - ein schwerer, allenfalls mit tödlichen Verletzungsfolgen verbundener Unfall entstehen konnte, erweist sich die Beurteilung seines Tatverhaltens als fahrlässige Tötung und fahrlässige schwere Körperverletzung als rechtlich einwandfrei.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
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