OGH 12Os165/07t

OGH12Os165/07t31.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hakan S***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 Abs 1 und Abs 3 erster und zweiter Fall FrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 18. Juni 2007, GZ 28 Hv 88/06x-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der Schlepperei nach § 104 Abs 1 und Abs 3 erster und zweiter Fall FrG schuldig erkannt.

Danach hat er gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise von Fremden vorwiegend türkischer Staatsangehörigkeit nach Österreich mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen Vermögensvorteil in der Höhe von etwa 5.000 bis 8.000 EUR pro geschleppter Person für ihn oder andere geschieht, indem er

(1) in der Zeit vom Jänner 2005 bis Mitte Juni 2005 zumindest drei Fremde, die zuvor von einem anderen Mitglied der Vereinigung nach Rumänien gebracht worden waren, nach Ungarn begleitete und für deren sowie die Unterbringung weiterer, vom abgesondert verfolgten Mustafa D***** von Rumänien nach Ungarn geschleuster, insgesamt zumindest acht Fremder und deren Weiterschleppung nach Österreich sorgte und

(2) am 23. Juni 2005 zwei Fremde, die zuvor von einem weiteren Mitglied der Vereinigung nach Ungarn geschleust worden waren, zur Weiterschleppung nach Österreich an einen LKW-Fahrer übergab.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 8 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 4), das Erstgericht habe den - ersichtlich auf den Entschlagungsgrund des § 152 Abs 1 Z 1 StPO aF bezogenen - Antrag auf (neuerliche) zeugenschaftliche Vernehmung Mustafa D*****s nach rechtskräftiger Beendigung des gegen diesen geführten Strafverfahrens zu Unrecht abgewiesen (S 744), geht schon im Ansatz fehl, weil sich der Genannte nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 56) unter Berufung auf § 152 Abs 1 Z 2 StPO aF der Aussage entschlagen hat (S 744).

Hinzu kommt, dass der Antrag nicht erkennen ließ, aus welchem Grund Mustafa D***** bei neuerlicher Vorladung auf sein Entschlagungsrecht verzichten werde, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331).

Das ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass der Gerichtshof über den Antrag auf Verlesung des Protokolls über eine Vernehmung Mustafa D*****s als Beschuldigter (S 745) nicht entschieden hat, obwohl der Vorsitzende dem Antragsbegehren nicht gefolgt ist (vgl § 238 Abs 1 StPO aF). Diese Formverletzung konnte aber auf die Entscheidung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluss üben (§ 281 Abs 3 StPO), weil die begehrte Verlesung ohnedies nach dem Gesetz unzulässig war. Gemäß § 252 Abs 1 StPO dürfen nämlich ua gerichtliche und sonstige amtliche Protokolle über die Vernehmung von Zeugen sowie andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen festgehalten worden sind, grundsätzlich bei sonstiger Nichtigkeit nicht verlesen werden. Verweigert ein Zeuge die Aussage, ist die Verlesung nur dann zulässig, wenn er dazu nicht berechtigt ist (§ 252 Abs 1 Z 3 StPO) oder wenn die Parteien bei berechtigter Aussageverweigerung die Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligten (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO). Da hier keiner der genannten Ausnahmefälle vorlag, stand somit das prinzipielle Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO der begehrten Beweisaufnahme entgegen.

Der Ansatz der Mängelrüge (Z 5), Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) seien in Bezug auf die Anzahl der geschleppten Personen widersprüchlich (Z 5 dritter Fall), bezieht sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Beschwerde die diesbezüglichen Urteilsannahmen sinnentstellend rudimentär wiedergibt. Nach den insoweit wesentlichen Konstatierungen der Tatrichter organisierte der Beschwerdeführer nämlich die Unterbringung von acht Fremden in Ungarn sowie deren Weiterschleppung nach Österreich (US 5), was mit dem diesbezüglichen Teil des Erkenntnisses (US 2) korreliert.

Mit dem Einwand, in den Urteilsfeststellungen seien mehr dem Begriff der Schlepperei zuzuordnende Handlungen enthalten als im Erkennntnis, bezieht sich die Beschwerde erneut nicht auf entscheidende Tatsachen. Hinzu kommt, dass das Zurverfügungstellen eines PKW zwecks Durchführung der Schleppungsfahrten (US 4) von der im Urteilstenor gewählten Formulierung, der Beschwerdeführer habe für die Weiterschleppung „gesorgt" (US 2), durchaus umfasst ist und dass die nach den Urteilskonstatierungen Mitte Juni 2005 vorgenommenen Schleppungen eines 30jährigen Kurden sowie einer Person, die einen auf Sachmetin S***** lautenden Ausweis verwendete (US 5), nicht Gegenstand des Schuldspruchs sind.

Die Beschwerdebehauptung, die angefochtene Entscheidung gründe die Feststellungen zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (solcherart mangelhaft) auf nicht von der Anklage umfasste Taten, entfernt sich vom Urteilsinhalt. Das Erstgericht nimmt insoweit vielmehr auf die Erhebungen der österreichischen und der ungarischen Polizeibehörden, die Aussagen des Zeugen Alhan M*****, die Vielzahl an Tathandlungen, das enge persönliche Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und Mustafa D***** sowie die Ergebnisse der Telefonüberwachung (US 6) Bezug, was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Soweit die Rüge aus Z 8 die schon im Rahmen der Mängelrüge relevierten Konstatierungen als die Anklage überschreitend moniert, verkennt sie das Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, Anklage und Urteil daraufhin zu vergleichen, ob die Summe der dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen der Summe der im Urteil durch Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erledigten entspricht, womit die Erwähnung von Umständen bloß in den Entscheidungsgründen insoweit bedeutungslos ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 f). Korrespondierendes gilt für die Beschwerdeprämisse, die angefochtene Entscheidung enthalte Feststellungen zum auf die Verwirklichung des Tatbestands nach § 114 Abs 2 FPG gerichteten Vorsatz, weil der Schuldspruch gerade nicht nach dieser Norm, sondern - zutreffend (§ 61 StGB) - nach § 104 FrG erfolgt ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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