OGH 12Os150/81

OGH12Os150/8129.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Dezember 1981, GZ. 1 b Vr 10431/80-16, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Dezember 1980, GZ. 1 b Vr 10.431/80-16, verletzt im Schuldspruch zu Punkt 2.) des Urteilssatzes das Gesetz in der Bestimmung des § 146

StGB

Dieses Urteil, das im übrigen - Urteilsfakten 1.) und 3.) sowie Zuspruch eines Ersatzbetrages an die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul - unberührt bleibt, wird im Schuldspruch zu 2.), ferner im Strafausspruch - jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches nach § 38 StGB - und im Ausspruch über die Zuerkennung eines Ersatzbetrages an die Stadt Wien aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs 2 Z. 3, 292 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Adolf A wird von der Anklage, er habe in der Zeit vom 21. bis 24. Juli 1980 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte des Kaiserin Elisabeth-Spitals der Stadt Wien durch Verbergen hinter dem falschen Schein eines zahlungsfähigen und zahlungswilligen Patienten, insbesondere durch die Vorgabe, Franz A aus Enns zu sein und bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte krankenversichert zu sein, zur Aufnahme und stationären Behandlung, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die Stadt Wien an ihrem Vermögen um 5.616 S schädigten, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach den aufrecht bleibenden Punkten 1.) und 3.) des Ersturteils weiterhin zur Last fallende Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2

StGB wird Adolf A nach dem § 147 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 366 Abs 1 StPO wird die Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsabteilung 17, mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Dezember 1980, GZ. 1 b Vr 10.431/80-16, wurde der am 9.August 1938 geborene beschäftigungslose Adolf A des in drei Fällen begangenen Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem § 147 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; zwei Privatbeteiligten, nämlich der Stadt Wien und der Kongretation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, wurden gemäß dem § 369 StPO Ersatzbeträge zugesprochen.

Zu Punkt 2.) des Schuldspruchs stellte das Schöffengericht fest, daß sich der (auch damals) beschäftigungslos und nicht krankenversichert gewesene Angeklagte am 21.Juli 1980 im Kaiserin Elisabeth-Spital der Stadt Wien wegen einer Lebensmittelvergiftung in stationäre Pflege (bis 24.Juli 1980) aufnehmen ließ, wobei er sich für seinen bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte versicherten Bruder Franz A ausgab. Die genannte Gebietskrankenkasse gab auch zunächst eine Kostenübernahmserklärung ab, widerrief diese jedoch später, nachdem sich herausgestellt hatte, daß der bei ihr versicherte Franz A nicht in Spitalspflege gewesen war. Durch den Aufenthalt des Angeklagten im Kaiserin Elisabeth-Spital waren Pflegegebühren im Betrag von 5.616 S aufgelaufen.

Ein ähnlicher Sachverhalt liegt auch Punkt 3.) des Schuldspruchs zugrunde: Darnach erreichte der Angeklagte am 20.Oktober 1980 auf die gleiche Weise seine Aufnahme, stationäre Pflege und Behandlung (bis zu seiner Verhaftung am 29.Oktober 1980) in der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Wien, wodurch ein Aufwand an Pflegegebühren und ärztlichen Leistungen von 35.305,20 S entstand.

Das eingangs bezeichnete Urteil wurde nur im Strafausspruch vom Angeklagten mit Berufung angefochten; darüber hat das Oberlandesgericht Wien, dem die Akten vorgelegt wurden, noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Im Punkt 2.) des Schuldspruchs steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der Tatbestand des Betruges erfordert einerseits den Vorsatz des Täters, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, andererseits die Möglichkeit einer solchen unrechtmäßigen Bereicherung. Daran fehlt es, wenn der Täter auf die - obschon durch Täuschung - erstrebte geldwerte Leistung tatsächlich Anspruch hat (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB § 146 RN. 44 und die dort zitierte Judikatur). Das Kaiserin Elisabeth-Spital der Stadt Wien ist als öffentliche Krankenanstalt verpflichtet, unabweisbare Kranke in Anstaltspflege aufzunehmen; als unabweisbar sind Personen zu betrachten, deren geistiger oder kärperlicher Zustand wegen Lebensgefahr oder wegen Gefahr einer sonst nicht vermeidbaren Gesundheitsschädigung sofortige Anstaltsbehandlung erfordert (§ 22 Abs 3 und 4 KAG.). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Angeklagte, zumal er unter den Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung aufgenommen und in der Abgangsdiagnose eine akute Magen- und Darmentzündung festgestellt wurde (S. 105), tatsächlich sofortiger Anstaltsbehandlung bedurfte und sohin als unabweisbarer Kranker im Sinne der zitierten gesetzlichen Bestimmungen anzusehen war. In einem solchen Fall hatte er aber tatsächlich Anspruch auf die im Kaiserin Elisabeth-Spital gewährte Anstantspflege und -behandlung, sodaß folglich eine unrechtmäßige Bereicherung insoweit nicht in Betracht kam.

Die eben angestellten Erwägungen treffen, wie der Klarheit halber beizufügen ist, auf die den Gegenstand von Punkt 3.) des Schuldspruchs bildende stationäre Aufnahme und ärztliche Behandlung im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien nicht zu. Denn dieses unterliegt als Krankenanstalt ohne Öffentlichkeitsrecht nicht dem für öffentliche Krankenanstalten normierten Aufnahmezwang und mangels akuter Lebensgefahr bestand für den Angeklagten in jenem Fall auch kein Anspruch auf ärztliche Behandlung (vgl. § 6 ÄrzteG.). Die in Punkt 2.) des Schuldspruchs allerdings - wie dargetan - rechtsirrig als Betrug beurteilte Handlungsweise des Angeklagten kann auch dem im Verhältnis dazu subsidiären - im Fall der Täuschung eines Beamten in Beziehung auf ein Amtsgeschäft selbst ohne Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten verfolgbaren - Tatbestand der Täuschung nach dem § 108 StGB nicht unterstellt werden, weil hiezu auf der inneren Tatseite auf die Schadenszufügung gerichtete Absicht des Täters im Sinne des § 5 Abs 2 StGB erforderlich wäre. Aus den sich auf das Geständnis des Angeklagten (S. 104) stützenden Urteilsannahmen geht mit ausreichender Klarheit hervor, daß es dem Angeklagten primär (bloß) darauf ankam, im Kaiserin Elisabeth-Spital aufgenommen und behandelt zu werden, mag ihm dabei auch bewußt gewesen sein, daß die (gelungene) Vortäuschung seiner Personsidentität mit dem bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte versicherten Franz A letztlich zur ungerechtfertigten Übernahme der Pflegegebühren durch diese Krankenkasse und damit zu deren Schädigung an einem konkreten Recht führen werde. Nach dem § 108 Abs 1 StGB muß aber der Eintritt eines Schadens in der Zielvorstellung des Täters liegen; es genügt nicht, ein anderes Ziel - hier die Aufnahme und Behandlung des Angeklagten im Krankenhaus - mit dem Bewußtsein anzustreben, daß mit dessen Erreichung selbst notwendigerweise auch der Eintritt eines Schadens verbunden ist (vgl. RZ. 1977/69 u.a.).

Der erstgerichtliche Schuldspruch ist daher in seinem Punkt 2.) zum Nachteil des Angeklagten mit Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO behaftet, die vom Gerichtshof zweiter Instanz bei seiner Entscheidung über die Berufung des Angeklagten nicht behoben werden könnte (§ 295 Abs 1 StPO), weshalb gemäß dem § 292 StPO unter Aufhebung des von dieser Gesetzesverletzung betroffenen Teiles des Schuldspruchs sowie der Aussprüche über die Strafe und über die Zuerkennung eines Ersatzbetrages an die Stadt Wien mit Freispruch des Angeklagten von dem entsprechenden Anklagepunkt, Neubemessung der Strafe und Verweisung der Stadt Wien als Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg vorzugehen war.

Bei Neubemessung der Strafe nahm der Oberste Gerichtshof als erschwerend den raschen Rückfall, die einschlägigen Vorstrafen und die Wiederholung der Betrügereien, als mildernd das Geständnis und die offensichtlich wirklichen Erkrankungen bei Erschleichung der ärztlichen Betreuungen an. Zufolge Wegfalls eines Betrugsfaktums sowie auf Grund des Umstandes, daß vorliegend von einem hohen Schaden noch nicht die Rede sein kann, erscheint eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten tatschuldangemessen und noch vertretbar.

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