Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef S*** jun. (geb. am 9.Oktober 1959) wird zur Gänze, jener des Angeklagten Josef S*** sen. (geb. am 28.Jänner 1931) hingegen teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes (wegen versuchten schweren Betruges zum Nachteil der A***-E***-Versicherungs-AG) sowie demgemäß in den beide Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef S*** sen. wird im übrigen, die des Angeklagten Erwin M*** zur Gänze zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Josef S*** sen. und jun. und die Staatsanwaltschaft (hinsichtlich der genannten Angeklagten) auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Die Berufung des Angeklagten Erwin M*** wird zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Erwin M*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josef S*** sen. des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB (Punkt 1 und 2 des Urteilssatzes), Erwin M*** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (Punkt 1) und Josef S*** jun. des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.
Darnach haben sie mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten den Josef S*** sen. unrechtmäßig zu bereichern, Angestellter der nachbezeichneten Versicherungsgesellschaften zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung von Schadenersatzbeträgen, welche diese Versicherungen am Vermögen schädigen sollten, 1.) verleitet, und zwar Josef S*** sen. und Erwin M***
in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken am 13.Dezember 1982 in Heidenreichstein, indem vorerst am 7.Dezember 1982 Erwin M*** den für drei Monate vollkaskoversicherten PKW der Marke Citroen Visa
II Super E mit dem behördlichen Kennzeichen N 505.566 bei Krumau vorsätzlich seitlich über eine Böschung stürzte und sodann Josef S*** sen. am 13.Dezember 1982 in Heidenreichstein eine Versicherungsmeldung über einen angeblich von Erwin Mayerhofer fahrlässig verschuldeten Verkehrsunfall an die D***-Allgemeine Versicherungs-AG erstattete, dessen unrichtige Sachverhaltsdarstellung Erwin M*** bestätigte, Angestellte der D***- Allgemeine Versicherungs-AG zur Auszahlung eines Schadenersatzbetrages von S 83.600;
2.) zu verleiten versucht, und zwar am 3.September 1983 in Frauenhofen Josef S*** sen. und Josef S*** jun. in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken, indem vorerst am 2.September 1983 Josef S*** jun. den PKW Citroen Visa Super E mit dem Kennzeichen N 565.989, der bereits 14 Monate alt und unverkäuflich war und für den am 16.Juni 1983 für drei Monate eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen worden war, auf der Straße zwischen Hötzelsdorf und Frauenhofen vorsätzlich über eine Böschung kippte und Josef S*** sen. diesen Vorfall als fahrlässig von Josef S*** jun. verursachten Unfall am 3.September 1983 der "A***-E***- Versicherungs-AG" meldete, einen Schadenersatz von S 109.100 forderte, wobei er unrichtigerweise angab, das Fahrzeug sei am 16. Juni 1983 angemeldet, mit Sonderzubehör im Wert von S 9.500 ausgestattet worden, die Ankaufsrechnung sei unauffindbar und wobei er auch den ihm gewährten Händlerrabatt außer acht ließ, zur Bezahlung eines Betrages von S 109.100.
Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit jeweils getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die vom Angeklagten Josef S*** sen. auf die Gründe der Z 5, Z 9 lit a und lit b, vom Angeklagten Erwin M*** auf jene der Z 5 und 9 lit a und von Josef S*** jun. auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden.
Rechtliche Beurteilung
1./ Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Erwin M*** und Josef S*** sen. zum Faktum 1 des Urteilssatzes:
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte M*** vom Erstangeklagten Josef S*** sen. den Auftrag erhalten, am Fahrzeug PKW Citroen, Kennzeichen N 505.566, einen Totalschaden herbeizuführen. In der Folge fuhr M*** am 7.Dezember 1982 mit diesem Fahrzeug bei Krumau auf einer engen und steilen Waldstraße bis zu einer Stelle, bei welcher er mit den linken Rädern auf eine unmittelbar an die Straße anschließende Böschung fahren konnte. Sodann verließ er das schräg stehende Fahrzeug und kippte dieses nach rechts, sodaß es sich über das Dach überschlug und dabei beschädigt wurde. Josef S*** sen. erstattete sodann eine falsche Schadensmeldung, die er von M*** unterfertigen ließ, und veranlaßte durch diese Täuschung Angestellte der D***-Allgemeine Versicherungs-AG zur Auszahlung der Versicherungssumme über S 83.600. Aus diesen Urteilskonstatierungen über den Hergang bei der Beschädigung des Fahrzeuges und der Abgabe der falschen Schadensmeldung durch Josef S*** sen. unter Mitwirkung des Zweitangeklagten hat das Erstgericht den Schluß auf eine vorher erfolgte Verabredung der Vorgenannten gezogen.
Soweit nunmehr diese Angeklagten in ihren Mängelrügen (Z 5) behaupten, die Feststellung über eine solche Vereinbarung sei aktenwidrig, übersehen sie, daß eine Sachverhaltsfeststellung des Gerichts niemals aktenwidrig sein kann, setzt doch dieser Anfechtungsgrund das Aufzeigen der unrichtigen Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch formalen Vergleich von Zitat und Aktenlage voraus, sodaß mit der Behauptung, es bestehe zwischen den vom Gericht getroffenen Konstatierungen und dem diesen zugrundeliegenden Beweismaterial ein Widerspruch, der Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht wird (12 Os 71/86 ua). Mit dem Einwand, diese Konstatierung finde in den Ergebnissen des Beweisverfahrens keine Deckung, übergehen die Beschwerdeführer die hiefür maßgeblichen, oben angeführten, den Denkgesetzen entsprechenden Urteilsüberlegungen, sodaß auch insoweit keine prozeßordnungsgemäße Ausführung der Beschwerden vorliegt. Das Gericht nahm ferner auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing. Gottfried P*** als erwiesen an, daß sich der Unfall nicht so ereignet haben konnte, wie dies vom Angeklagten M*** behauptet worden war und erachtete dadurch dessen Verantwortung, er sei mit dem Fahrzeug bei Befahren einer Kurve ins Schleudern gekommen, für widerlegt. Der genannte Sachverständige hat in seinem Gutachten dazu ausgeführt, daß die Darstellung des Angeklagten M*** in bezug auf die von ihm beim Lokalaugenschein beschriebene "Bewegungskinematik" des Fahrzeuges unwiderlegt bleibe, daß die Folgeschäden des Überrollens auf der Fahrbahn jedoch einige technisch nicht erklärbare Ungereimtheiten aufweisen (vgl. S 261). Wenn sich das Erstgericht den letzteren Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen und der vom Angeklagten M*** gegebene Schilderung des Unfallsherganges keinen Glauben geschenkt hat, stellt dies einen Akt freier Beweiswürdigung der Tatrichter dar. Alle Einwände der Mängelrügen der Angeklagten, daß nach dem Gutachten dieses Sachverständigen ein Unfallshergang, wie vom Angeklagten M*** geschildert, nicht auszuschließen sei, laufen im Ergebnis auf eine Bekämpfung eben jener Beweiswürdigung hinaus. Denn daß im Hinblick auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens auch andere, für die Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen ableitbar waren, das Gericht sich dennoch für die für die Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist als Akt freier Beweiswürdigung der Anfechtung im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde (Z 5) nicht zugänglich. Die Rechtsrüge des Angeklagten M*** hinwieder geht nicht von den Feststellungen des Erstgerichts, sondern davon aus, daß weder eine Vorbereitungshandlung zum Betrug noch eine tatsächliche Mithilfe zur Schadensliquidierung vorlag. Weil der geltend gemachte Subsumtionsirrtum demnach nicht, so wie dies für die Relevierung materieller Nichtigkeitsgründe erforderlich, aus einem Vergleich des als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit den in Betracht kommenden Tatbeständen des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, liegt auch hier eine prozeßordnungsgemäße Ausführung nicht vor. Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M*** und Josef S*** sen. (- soweit jene den Pkt. 1 des Urteilssatzes betrifft -) waren daher in diesem Umfang gemäß §§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Im übrigen hat der Angeklagte Erwin M*** die Berufung nach Verkündung des Urteils bloß angemeldet (S 297), aber weder bei der Anmeldung noch in einer Ausführung ausdrücklich erklärt, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde (§ 294 Abs 2 und 4 StPO), sodaß dieses Rechtsmittel gleichfalls zurückzuweisen war (§ 296 Abs 1 StPO).
Mangels gesetzmäßiger Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin M*** waren die Akten in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs 6 StPO dem zur Entscheidung über die noch zu erledigende Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten zuständigen Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
2./ Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Josef S*** sen. und jun. zum Faktum 2 des Urteilssatzes:
Das Urteil war in diesem Umfange in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden dieser Angeklagten aufzuheben und insoweit die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 285 e StPO), weil es mit Feststellungsmängeln (iS des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) behaftet ist, die eine abschließende rechtliche Beurteilung (unter dem Gesichtspunkt des § 16 StGB) nicht zulassen.
Nach den Verfahrensergebnissen wären nämlich - unbeschadet des endgültigen Sachausgangs - Feststellungen darüber geboten gewesen, aus welchen Motiven die beiden Beschwerdeführer den Forderungsverzicht abgegeben und damit den Erfolgseintritt (betrügerische Schädigung der Versicherung) abgewendet haben. Freiwillig iS § 16 StGB bedeutet frei von psychischem oder physischem Zwang, mithin Rücktritt ohne zwingende Hinderungsgründe aus autonomem Motiv, für den Entschluß, die Tatausführung aufzugeben oder den Erfolgseintritt abzuwenden, brauchen nicht ausschließlich innere Erwägungen maßgebend sein, auch äußere Umstände können hiefür mitbestimmend sein, sofern nur beim Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten bleibt, daß eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre; unter dieser Voraussetzung kann auch Furcht vor Strafe als Motiv des Rücktritts strafaufhebend sein (vgl. zu all dem etwa Leukauf-Steininger Komm. 2 § 16 RN 2 f). Das Urteil stellt in diesem Zusammenhang (S 293) lediglich fest, daß der Versicherungsangestellte M*** (auf der Rückfahrt von der Besichtigung der angegebenen Unfallstelle) den Drittangeklagten davon informierte, daß die Versicherung bereits wisse, wann der PKW tatsächlich ausgeliefert wurde; in den Betriebsräumen der Fa. S*** informierte M*** sodann - über Ersuchen des Drittangeklagten, mithin also über dessen Initiative (ohne daß - nach dem Urteilsinhalt - zuvor eine weitere Information über die sonstigen Zweifel der Versicherung an der Richtigkeit der Unfallversion erfolgt wäre) - den Erstangeklagten "vom Stand der Erhebungen" (wobei offen blieb, ob sich das nur auf den Zeitpunkt der Auslieferung des PKW oder auch auf die Bedenken gegen die Unfallversion bezog), wobei er ihm einen Forderungsverzicht als Alternative zu einer Anzeige anbot; daraufhin wies der Erstangeklagte den Drittangeklagten an, diesen Forderungsverzicht abzugeben (also den contrarius actus zu setzen). Bei dieser Sachlage wären somit entsprechende Feststellungen über die dem geschilderten Vorgang (seitens des Erst- und des Drittangeklagten) zugrunde gelegte Motivation der Beschwerdeführer zur Abgabe des Forderungsverzichts geboten gewesen, zumal der Sachverhalt einen Rücktritt aus (überwiegend) autonomen Motiven (mögen auch die Äußerungen des M*** mitbestimmend gewesen sein) nicht unter allen Umständen ausschließt und die fehlenden Konstatierungen im Nichtigkeitsverfahren nicht nachgeholt werden können. Ein fehlgeschlagener Versuch kann aber nach Lage des Falles nicht angenommen werden, weil nicht gesagt werden kann, daß es den Tätern, was sie wußten, tatsächlich unmöglich war, in unmittelbarem Fortgang des Geschehens den Erfolg noch herbeizuführen. Da das Erstgericht in Richtung § 16 StGB überhaupt keine Konstatierungen getroffen hat, fehlt es demnach an einer verläßlichen urteilsmäßigen Grundlage zur Entscheidung, ob freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt oder nicht. Wegen dieser Feststellungsmängel ist somit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden (§ 285 e StPO), weshalb ohne Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Josef S*** sen. und jun. und die Staatsanwaltschaft (hinsichtlich der genannten Angeklagten) auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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