OGH 12Os14/84

OGH12Os14/842.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Geczi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Oktober 1983, GZ. 6 g Vr 1830/83-22, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen - nämlich im Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB laut Punkt I. des Urteilssatzes sowie in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt II. des Urteilssatzes und im Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz A des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt I. des Urteilssatzes) und des Verbrechens der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 StGB (Punkt II.) schuldig erkannt.

Das zuletzt bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er am 29. Dezember 1982 in Wien Walter B durch gefährliche Drohung, indem er zu ihm ins Geschäft kam und zu ihm sagte 'er solle froh sein, daß er ihn gestern nicht gefunden habe, denn er hätte abgedrückt' und weiters, 'paß auf, gib mir 17.000 S, dann zeige ich dich - gemeint wegen Diebstahls eines Brillantringes - nicht an, denn du hast ein großes Geschäft', zu einer Handlung zu nötigen versuchte, die B durch die übergabe des genannten Geldbetrages an seinem Vermögen schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern. Der Sache nur den zuletzt bezeichneten Schuldspruch (Punkt II.) bekämpft der Angeklagte mit einer allein auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend bemängelt der Beschwerdeführer, daß der Gerichtshof bei der Prüfung der Frage, ob er mit dem für den Tatbestand der Erpressung erforderlichen Bereicherungsvorsatz gehandelt habe, vollkommen unberücksichtigt ließ, daß er auf Grund der am Vortag bei der Auseinandersetzung mit Walter B 'erlittenen Schäden (zerrissener Mantel, verschwundener Ring) berechtigt war, eine Schadenersatzpflicht des Zeugen B anzunehmen'.

Rechtliche Beurteilung

Das Ersturteil enthält hiezu lediglich die Passage (vgl. S. 121), daß der Angeklagte (am 29.Dezember 1982) von Walter B durch Drohung ungerechtfertig Geld, 'das ihm in diesem Ausmaß (der begehrten 17.000 bzw.

17.500 S) sicherlich nicht zustand', erhalten wollte. Solcherart läßt das angefochtene Urteil jede Feststellung vermissen, ob sich der Angeklagte zumindest subjektiv zu der von ihm geltend gemachten Ersatzforderung berechtigt gefühlt hat. Hiezu wäre das Schöffengericht schon deshalb verpflichtet gewesen, weil zur Verwirklichung des Tatbestandes der Erpressung ein Handeln mit dem (erweiterten) Vorsatz des Täters erforderlich ist, sich (oder einen Dritten) durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern; dieser Bereicherungsvorsatz kann indes (auch) dann fehlen, wenn der Täter (bloß) glaubt, einen Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zu haben (vgl. (Leukauf/Steininger Kommentar 2 § 144 RN. 13; Kienapfel, BT. II RN. 79 zu § 144).

Nach der Verantwortung des Angeklagten (S. 41, 84) habe er sich auf Grund des Vorfalles vom Vortag (bei dem er von B zu Boden geschlagen und verletzt wurde, wobei ihm auch ein Brillantring im Wert von angeblich 6.000 S, den er an diesem Tag getragen haben will, abhandengekommen sei) zu Schadenersatzforderungen gegenüber B berechtigt gefühlt. Er berief sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die ihm von B am 28.Dezember 1982

zugefügten Platzwunden am linken Auge, die ärztlich versorgt und genäht werden mußten (vgl. S. 40, 49, 83), aber auch darauf, daß bei diesem Vorfall sein Anzug und sein Mantel beschädigt worden seien (S. 41, 83, 84); außerdem machte er B noch für das Abhandenkommen des vorerwähnten Brillantringes verantwortlich (S. 84). Auch nach der Darstellung des Zeugen B in der Hauptverhandlung (S. 93, 95) stützte der Angeklagte sein Begehren auf Bezahlung von 17.500 S darauf, daß sein Ring weggekommen und sein Mantel zerrissen worden sei.

Der dem Ersturteil insoweit anhaftende, vom Beschwerdeführer zu Recht gerügte Feststellungsmangel steht einer abschließenden Beurteilung, ob der Angeklagte mit dem zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung gehandelt hat, entgegen, weshalb es schon darum einer Verfahrenserneuerung zum Faktum II. bedarf.

Die Beschwerde ist aber auch im Recht, soweit sie zum selben Urteilsfaktum (Punkt II.) die Eignung der dem Angeklagten - neben der Drohung mit einer Anzeige - vom Erstgericht gleichfalls als (weitere) gefährliche Drohung angelasteten Äußerung (B solle froh sein, daß er - der Angeklagte - ihn gestern nicht gefunden habe, denn er hätte abgedrückt) bestreitet, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen. Denn nach dem Wortlaut dieser Drohung nahm der Angeklagte auf ein bereits in der Vergangenheit ('gestern') liegendes Ereignis Bezug. Eine gefährliche Drohung im Sinn der Begriffsbestimmung des § 74 Z. 5 StGB setzt aber unter anderem die Ankündigung eines bevorstehenden (also erst in der Zukunft liegenden) übels voraus. Der Hinweis auf ein bereits in der Vergangenheit liegendes Ereignis (als übel) allein würde an sich nicht genügen (vgl. 10 Os 175/81), soweit nicht nach dem Sinngehalt der Äußerung zugleich auch ein zukünftiges übel in Aussicht gestellt wird. Ob aber der Angeklagte mit der vom Erstgericht dem bezüglichen Schuldspruch zugrundegelegten Äußerung ('er hätte abgedrückt') nach deren Sinngehalt dem Walter B (indirekt, allenfalls verklausuliert) zugleich auch ein zukünftiges übel (durch Erschießen) in Aussicht stellen wollte und dies von Walter B auch so zu verstehen war, betrifft eine Tatfrage, wobei für die Bedeutung und Tragweite einer Äußerung nicht allein deren Wortlaut, sondern ihr für den Adressaten erkennbarer Sinngehalt maßgebend ist (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/97, Leukauf/Steininger a.a.O. RN. 20 zu Par 74; 10 Os 119/83 u.a.). Da das Ersturteil auch im zuletzt aufgezeigten Umfang jede Feststellung vermissen läßt, war nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO).

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