OGH 12Os142/78

OGH12Os142/7830.11.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Juni 1978, GZ. 2 d Vr 9492/77-43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Peter Stern, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.September 1943 geborene Hausarbeiter Jürgen A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1

StGB schuldig erkannt. Den Urteilsannahmen zufolge hat er am 13. November 1977 in Wien den (am folgenden Tag verstorbenen) Johann B durch Versetzen mehrerer Faustschläge und Fußtritte gegen dessen Kopf und Körper (an sich) schwere Verletzungen, nämlich Blutungen im Bereich der Hirnhäute, Blutergüsse des rechten Augenlides, der rechten Wange, der Oberlippe, des Kinns, der rechten Halsseite, der linken Brustkorbhälfte, beider Arme, hinter dem rechten Rollhöcker und im Genitalbereich, eine Rißquetschwunde an der Oberlippe sowie eine Hodenprellung absichtlich zugefügt.

Er wurde nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 22 Abs. 1 StGB wurde die Unterbringung des Jürgen A in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Vorstrafen des Angeklagten, die dessen Aggressivität nach dem Genuß von alkoholischen Getränken zeigen, mildernd das weitgehende Geständnis. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5

und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft richten sich gegen den Strafausspruch.

Im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof nach Aufruf der Sache, Erstattung des Berichtes und Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft hat der Verteidiger des Angeklagten die Nichtigkeitsbeschwerde und seine Berufung, soweit sie sich gegen die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher richtet, zurückgezogen.

Es war somit nur mehr über die Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, und über die Berufung der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der Freiheitsstrafe begehrt, zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über die Berufung nach der Bestimmung des § 296 Abs. 1

StPO nur dann berufen, wenn außer über dieses Rechtsmittel auch über eine Nichtigkeitsbeschwerde zu erkennen ist, sodaß nach Rückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde vor Beginn des Gerichtstages die Akten in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO dem zur Entscheidung über die Berufung grundsätzlich zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu übermitteln sind. Nach Beginn des Gerichtstages widerspräche es aber dem der Bestimmung des § 296 Abs. 1 StPO zugrundeliegenden Gedanken der Prozeßökonomie auch noch in diesem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens die Akten einem anderen Gerichte abzutreten. Auch aus dem im Rechtsmittelverfahren analog anzuwendenden § 227 StPO (in Verbindung mit § 259, 261 f. StPO) ergibt sich der Grundsatz, daß nach Eröffnung der Hauptverhandlung das mit der Sache befaßte Gericht - soferne nicht die Zuständigkeit eines Gerichtes höherer Ordnung gegeben erscheint

-

das Urteil schöpft.

Aus diesen Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof über die Berufungen selbst entschieden.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt und gewürdigt. Eine Herabsetzung der ausgesprochenen Strafe ist wegen des hohen Unrechtsgehaltes der Tat, der Angeklagte hat einen fast wehrlosen Mann brutal und in der Absicht, ihn schwer zu verletzen, mißhandelt, keineswegs gerechtfertigt. Aber auch eine Erhöhung der Strafe war im vorliegenden Fall nicht notwendig. Die Tat des dem Alkohol verfallenen Angeklagten ist nur aus der im Zustand der Alkoholisierung bewirkten Enthemmung und seiner Neigung zu aggressiven Entladungen zu erklären. Der Verurteilte hat bisher noch keine Entwöhnungskur mitgemacht. Einer solchen Kur sind nach dem dem Urteil zugrundeliegenden Gutachten des Sachverständigen Dr. Heinrich C auch keineswegs Erfolgschancen von vornherein abzusprechen. Es besteht daher Grund zur Annahme, daß nach einer in der Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher durchgeführten Behandlung und nach Verbüßung der vom Erstgericht ausgemessenen Strafe von zwei Jahren die unheilvolle Neigung des Angeklagten zum Alkoholmißbrauch - und nur im alkoholisierten Zustand hat er bisher strafbare Handlungen begangen - überwunden sein wird. Es sprechen daher weder spezialpräventive Erwägungen noch unter den besonderen Umständen des Falles Gründe der Generalprävention für eine Erhöhung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe.

Es war daher beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte