European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00014.17A.0518.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten Mehmed H***** und Bernhard K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuld‑ und Freisprüche Mitangeklagter sowie dieser Angeklagten enthält, wurden
Mehmed H***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./ und B./), des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (D./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 „Abs 1 und 4“ (richtig: § 84 Abs 4) StGB (E./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (F./) sowie
Bernhard K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (B./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 „Abs 1 und 4“ (richtig: § 84 Abs 4) StGB (E./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (F./) verurteilt.
Danach haben sie – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – am 5. März 2016 in S***** und andernorts
D./ zwischen 2:30 Uhr und 3:45 Uhr gemeinsam als Mittäter dem Taxilenker Reinhold T***** dadurch, dass Mehmed H***** ihn in den Schwitzkasten nahm, ihm eine Softgun an die Schläfe hielt und ihm gegenüber äußerte, „das ist ein Überfall“, ihn beide in den Kofferraum seines Taxis stießen und beide ihm gegenüber wiederholt äußerten, dass sie ihn töten werden, wobei anschließend Reinhold T***** etwa eine Stunde im Kofferraum zusammengekauert ausharren musste, bis er wieder aus dem Kofferraum aussteigen durfte, mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben in mehreren Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich insgesamt 410,50 Euro Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
E./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken Reinhold T***** am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Körperverletzung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung herbeigeführt, indem ihm Mehmed H***** einen Faustschlag auf das linke Auge und Bernhard K***** einen Fußtritt gegen die Stirn versetzte, wodurch Reinhold T***** eine Schädelverletzung im Sinne einer subakuten bis chronischen subduralen Blutung erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von Mehmed H***** aus Z 5, Z 9 lit a und Z 10 sowie von Bernhard K***** aus Z 5 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mehmed H***** :
Die Tatrichter nahmen zu den Schuldsprüchen D./ und E./ unter anderem als erwiesen an, dass beide Angeklagte schon vor der Tatausführung planten, den herbeizurufenden Taxifahrer mit einer Softgun zu bedrohen, ihn nach Geld zu durchsuchen, in den Kofferraum zu verfrachten, dort einzusperren, mit dem Taxi eine Spritztour zu machen sowie dabei auch im Taxi befindliches Geld des Taxifahrers zu suchen und an sich zu nehmen; ferner, dass sie eigene und Gewaltanwendung des jeweils anderen gegen das Opfer sowie den Umstand, dass dieses dadurch am Körper verletzt werden würde, ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden (US 11).
Ferner stellten sie fest, dass Reinhold T***** entweder durch den (vor Beginn der gemeinsamen Fahrt erfolgten) Schlag des Mehmed H***** in dessen Gesicht oder durch den Tritt des Bernhard K***** gegen dessen Kopf (nachdem sie aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren) oder durch beide Gewaltanwendungen ein subakutes bis chronisches Subduralhämatom erlitt (US 12).
Angesichts des solcherart konstatierten bewussten und gewollten Zusammenwirkens als Mittäter auch in Ansehung der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (vgl US 3) steht aber die zuletzt zitierte Urteilsannahme – auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Auseinanderklaffens der Verletzungshandlungen – mit dem Urteilstenor, wonach die schwere Verletzungsfolge auf die Tathandlungen beider Angeklagter zurückzuführen ist, nicht in dem von der Rüge behaupteten Widerspruch (Z 5 dritter Fall), haften doch in einem solchen Fall die Mittäter für ihre Mitwirkung an der Tatausführung wechselseitig, sodass jedem der Beitrag des anderen zugerechnet wird ( Fabrizy in WK 2 § 12 Rz 26 mwN; RIS‑Justiz RS0090006).
Die – im Ergebnis einen unzulässigen Qualifikationsfreispruch begehrende – Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist an sich zutreffend auf einen Zitierfehler des Erstgerichts im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO hin, ist doch die in den Gründen beschriebene Tat nur dem § 84 Abs 4 StGB und nicht auch dessen Abs 1 zu unterstellen.
Da jedoch trotz irriger Bezeichnung eindeutig erkennbar ist, welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet werden sollte (vgl auch US 20, wonach § 84 Abs 4 StGB verwirklicht wurde), liegt kein Subsumtionsirrtum, sondern bloß ein Anlass zu – oben bereits erfolgter – Klarstellung vor (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 622 ff; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 32).
Auch die die Kausalität der Tathandlung des Beschwerdeführers bestreitende und eine Beurteilung seines Verhaltens nach § 83 Abs 1 StGB einfordernde Subsumtionsrüge (Z 10) negiert die vom Erstgericht angenommene Mittäterschaft und verfehlt demgemäß den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt
gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Soweit sich die Beschwerde mangels ausdrücklicher Einschränkung der Anfechtungserklärung auch gegen die Schuldsprüche A./, B./, D./ und F./ wendet, diese jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, mangelt es schon an deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO), weshalb insoweit auf sie keine Rücksicht zu nehmen war.
Der Rechtsmittelantrag, „nach §
288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten“, ist nicht nachvollziehbar, weil kein Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt hat (§ 281a StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bernhard K***** :
Die behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall, nominell auch vierter Fall) des erstgerichtlichen Ausspruchs über die den Angeklagten alternativ oder kumulativ (vgl US 12, 19) zuzurechnende Verletzungsfolge übergeht – wie bereits die Rüge des Mehmed H***** – die angenomme Mittäterschaft, orientiert sich daher nicht an der
Gesamtheit der Entscheidungsgründe und bringt demzufolge die Mängelrüge nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504).
Dass die Tatrichter die Vorhersehbarkeit des Eintritts einer derartigen Verletzung bei Angriffen auf den Kopf des Opfers auf die allgemeine Lebenserfahrung und auf das medizinische Sachverständigengutachten stützten, wonach eine solche Verletzung eine geradezu typische Folge derartiger Angriffe sei (US 19 f), ist der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Aspekt
der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Indem die Mängelrüge Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geltend macht, jedoch bloß unter isolierter Hervorhebung einzelner Passagen des medizinischen Sachverständigengutachtens, im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen und mit der in der Expertise keine Deckung findenden Behauptung, das Subduralhämatom habe sich (erst) am 26. April 2016 entwickelt (an diesem Tag fand vielmehr der medizinische Eingriff zu dessen Behandlung statt; vgl ON 207 S 11), den tatrichterlichen Erwägungen (vgl US 18 f) zuwider mangelnde Kausalität der Tathandlungen für die Entstehung der genannten Verletzung behauptet, kritisiert sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) infolge der vom Erstgericht angenommenen alternativen oder kumulativen Kausalität der Tathandlungen beider Angeklagter für den Eintritt der schweren Verletzungsfolge einen Freispruch begehrt, übergeht sie – wie bereits die Mängelrüge – die konstatierte Mittäterschaft.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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