OGH 12Os13/97

OGH12Os13/9713.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ojeogwu Celestine E***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 22. November 1996, GZ 35 Vr 715/96-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ojeogwu Celestine E***** wurde (1) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und (2) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in Salzburg (1) vom 18.Juni 1995 bis ungefähr 25.Juni 1995 wiederholt mit der am 5.Juni 1982 geborenen Lucy S***** den außerehelichen Beischlaf unterommen; (2) am 2.April 1996 eine falsche Urkunde, nämlich einen gefälschten sudanesischen Führerschein, indem er ihn zum Nachweis seiner Identität dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg vorwies, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die in der Hauptverhandlung am 22.November 1996 vorgenommene Verlesung des Protokolls vom 27.März 1996 über die - gemäß § 162 a Abs 1 StPO kontradiktorische - Vernehmung der Zeugin "Lucie" S***** (ON 19) gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO (339) steht aus keinem der beiden dazu geltend gemachten (erstbezeichneten) Anfechtungsgründe unter Nichtigkeitssanktion. Nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO liegt nämlich Nichtigkeit nur vor, wenn trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers ein Schriftstück über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt in der Hauptverhandlung verlesen wurde. Diese Voraussetzungen liegen bei der hier gegebenen Fallkonstellation schon deshalb nicht vor, weil sich der Angeklagte und seine Verteidigerin dem nunmehr gerügten Verlesungsvorgang gar nicht widersetzten, obwohl ihm in der Hauptverhandlung eine ausdrückliche entsprechende Beschlußfassung vorausgegangen war (339). Daß die Verteidigerin bereits zuvor die Vernehmung der Zeugin Lucy S***** beantragt hatte (337), vermochte die gesetzlich gebotene ausdrückliche Verwahrung gegen den erst danach gefaßten Verlesungsbeschluß nicht zu ersetzen. Hinzu kommt, daß auch jene Voraussetzungen, aus denen in der Beschwerdeargumentation ein Entschlagungsrecht der Zeugin S***** nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO abgeleitet wird, weder anläßlich der Vernehmung vom 27.März 1996 noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung rechtswirksam vorlagen. Da der Angehörigenbegriff nach § 72 StGB (über rein biologische Belange hinaus) aus personenstandsrechtlicher Sicht zu verstehen ist, setzt eine rechtswirksam faßbare Vaterschaft zu einem unehelichen Kind die entsprechende Feststellung durch Gerichtsurteil oder durch verbindliches Anerkenntnis voraus (Mayerhofer-Rieder4 Nr 9 und 10 zu § 72 StGB). Wenn sich der Angeklagte bisher (zuletzt in der Hauptverhandlung) bloß dazu bekannte, das Kind der Zeugin S***** "sowohl durch Zahlungen als auch durch Anerkenntnis als sein Kind zu betrachten", wenn es "tatsächlich" aus dem "einen Geschlechtsakt entstanden sein sollte" (305), so wird diese Einlassung den Anforderungen jener personenstandsrechtlich faßbaren Fundierung nicht gerecht, auf die ein von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreiendes Angehörigenverhältnis tauglich gestützt werden könnte.

Davon ausgehend trifft es aber auch nicht zu, daß die - gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO gesetzeskonforme - Verlesung der Angaben der unbekannten Aufenthaltes verzogenen Zeugin S***** in der Hauptverhandlung den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO verwirklicht hätte.

Auch mit seiner weiteren Verfahrensrüge (Z 4) ist der Angeklagte nicht im Recht. Die erstgerichtliche Ablehnung der in der Hauptverhandlung beantragten (337) Vernehmung der Zeugen Arif G*****, Lawal B***** und Pedro G***** bedeutete nämlich keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsinteressen. Der damit angestrebte Nachweis dafür, daß die ihre Beziehung zum Angeklagten betreffenden Angaben der Zeugin S***** im Vorverfahren "über den täglichen Geschlechtsverkehr nicht richtig sein können", hätte - wie in der Begründung des gerügten Zwischenerkenntnisses zutreffend ausgeführt wird (339) - eine (schlüssig vorweg kaum denkbare) jeweils für die volle Tages- und Nachtzeit durchgehende Wahrnehmungsmöglichkeit der namhaft gemachten Zeugen zur Voraussetzung gehabt, deren fallbezogene (von selbst nicht einsichtige) Aktualität schon bei der Antragstellung durch die Anführung besonderer Gründe darzulegen gewesen wäre. Mangels eines entsprechend tauglichen Antragsvorbringens unterblieben die beantragten Beweisaufnahmen demnach ohne vorgreifende Beweiswürdigung zu Recht.

Zu der gegen den Schuldspruch 2 (Urkundenfälschung) gerichteten Mängelrüge (Z 5) genügt der Hinweis darauf, daß sich die - zu Unrecht - vermißten Beweisgrundlagen für die subjektive Tatausrichtung auf Identitätsnachweis durch die Vorlage eines gefälschten Dokuments aus US 8 und 9 iVm den dort zitierten Verfahrensergebnissen (insbesondere sicherheitsbehördliche Vernehmungsniederschrift vom 25.April 1996 - 207) ergeben.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) beschränkt sich auf den Versuch einer Problematisierung der Angaben der Zeugin Lucy S***** über die vom Angeklagten (auch) nach entsprechender Kenntnisnahme ihres tatsächlichen Lebensalters fortgesetzten Beischlafshandlungen ausschließlich nach Art einer Schuldberufung, ohne damit Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Gewichtes - gegen die Richtigkeit der für den Schuldspruch 1 entscheidenden Tatsachengrundlagen auszulösen.

Mit den Einwänden wesentlicher Feststellungsmängel zur subjektiven Tatbestandsverwirklichung nach § 223 Abs 2 StGB (Faktum 2) bzw fehlender Beweisgrundlagen, die über die bloße unbeaufsichtigte Anwesenheit in einem Zimmer hinaus für die Annahme sexueller Kontakte bis hin zum Geschlechtsverkehr (Faktum 1) tragfähig wären (sachlich Z 5), setzt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) über die gerade dazu eindeutigen Klarstellungen in den Urteilsgründen hinweg und bringt den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund solcherart nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Nicht anders verhält es sich schließlich mit der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b), deren Reklamation eines (herkunftsbedingt) nach § 9 StGB entschuldigenden Rechtsirrtums - abgesehen von anderen dazu entscheidenden Beurteilungskriterien - schon daran scheitert, daß sie von einer urteilsfremden Beschränkung der Abmahnung des Angeklagten durch den Zeugen Gerhard H***** auf nicht sexuelle Belange ausgeht (anders US 4).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, teils offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO).

Über die vom Angeklagten außerdem erhobene Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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