Spruch:
In der Strafsache gegen Patrick U***** und weitere Angeklagte, AZ 36 Hv 65/05s des Landesgerichtes Wr. Neustadt, verletzt das Urteil dieses Gerichts als Jugendschöffengericht vom 18. August 2005 (ON 72) hinsichtlich des Angeklagten Ekrem S***** durch die rechtliche Unterstellung der zu den Punkten A/I, II, V und VIII des Schuldspruchs beschriebenen Tathandlungen (auch) unter die Qualifikationsnorm des § 129 Z 1 StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Ekrem S***** gegen dieses Urteil sowie dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Jugendschöffengericht vom 18. August 2005 (ON 72), das auch rechtskräftige Schuld- und Teilfreisprüche anderer Angeklagter sowie einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Angeklagten Ekrem S***** enthält, wurde dieser ua des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 3, 130 vierter Fall StGB (A/I, II, V und VIII des Urteilsspruchs) schuldig erkannt. Über die von Ekrem S***** gegen dieses Urteil erhobene, mit einer Beschwerde gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss verbundene Berufung (ON 90) wurde noch nicht entschieden, der Schuldspruch ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht die im Urteil enthaltene rechtliche Unterstellung der zu den Punkten A/I, II, V und VIII des Schuldspruchs beschriebenen Tathandlungen des Angeklagten Ekrem S***** (auch) unter die Qualifikationsnorm des § 129 Z 1 StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Ausgehend von der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt vom 11. März 2005 (ON 32) bildete nämlich ausschließlich der Vorwurf, im Frühjahr 2004 in Pottendorf Verfügungsberechtigten der B***** AG drei Leergutkisten im Wert von 70 Euro durch Einsteigen in einen umzäunten Lagerplatz weggenommen zu haben (A/V; S 373/II), die Basis für die allfällige Unterstellung der von der gemäß § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit umfassten Diebstahlshandlungen (Faktengruppen A) unter die Bestimmung des § 129 Z 1 StGB. Da das Landesgericht Wr. Neustadt - gestützt auf nachträgliche Erhebungen des Gendarmeriepostens Pottendorf (ON 68) - feststellt, dass der betreffende Lagerplatz der B***** AG im Tatzeitraum „weder eingezäunt noch sonst gesichert" gewesen ist (S 153, 191/III), vermögen somit die - aktenkonformen - tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch des Angeklagten Ekrem S***** auch wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 129 Z 1 StGB nicht zu tragen. Der Umstand, dass das Erkenntnis den Ausspruch enthält, der Angeklagte habe den Diebstahl (auch) „durch Einbruch in ein Gebäude" begangen (S 157/III), ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, weil im Fall eines - wie hier - offenen Widerspruchs zwischen dem Referat der Sachverhaltsgrundlagen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Letztere für die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ausschlaggebend sind (vgl 13 Os 114/01).
Da die Bestimmung des § 129 Z 1 StGB hier nicht strafsatzbestimmend ist, würde diese unrichtige Subsumtion in concreto nur dann einen Nachteil iS des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO darstellen, wenn sie bei der Strafbemessung als aggravierend in Rechnung gestellt worden wäre (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23). Dies ist aber nicht der Fall, weil die Tatrichter bei Ekrem S***** diesbezüglich die „mehrfachen Qualifikationen zu A" (S 197/III) erschwerend werteten, an welchem Umstand durch den Entfall der Qualifikationsnorm des § 129 Z 1 StGB - infolge Fortbestehens einer Mehrzahl anderer Qualifikationsbestimmungen - keine Änderung eintritt. Die Gesetzesverletzung war daher bloß festzustellen.
Bei den (noch zu treffenden) Entscheidungen über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Ekrem S***** besteht hinsichtlich der verfehlten Subsumtion keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (13 Os 21/04, EvBl 2004/174; zuletzt 12 Os 42/05a).
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