OGH 12Os134/95

OGH12Os134/9528.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler und Dr.E.Adamovic als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer in der bei dem Landesgericht Salzburg zum AZ 26 Vr 1273/95 anhängigen Strafsache gegen Johann H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 4.August 1995, AZ 9 Bs 268/95 (= 26 Vr 1273/95-59), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Johann H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Dem am 3.Mai 1995 festgenommenen (93 I), seit 5.Mai 1995 gemäß § 180 Abs 7 StPO in Untersuchungshaft angehaltenen (156 I) Johann H***** wird in der noch nicht rechtswirksamen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (ON 73) das Verbrechen des Mordes zur Last gelegt; er ist dringend verdächtig, in der Nacht zum 27.April 1995 in Salzburg seine Ehefrau Irene H***** durch stumpfe Gewaltanwendung gegen den Halsbereich getötet zu haben.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab der Gerichtshof zweiter Instanz der Haftbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Untersuchungsrichters vom 24.Juli 1995 auf Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund des § 180 Abs 7 StPO (ON 45 II) nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis längstens 4.Oktober 1995 an.

Rechtliche Beurteilung

Mit der gegen diesen Beschluß erhobenen Grundrechtsbeschwerde bekämpft der Beschuldigte (allein) die Annahme des angeführten Haftgrundes. Er bringt dazu im wesentlichen vor, selbst im Falle einer Verurteilung wegen Mordes sei in seinem Fall eine Freiheitsstrafe von höchstens zehn Jahren, allenfalls bei Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes eine (noch) geringere Freiheitsstrafe und seine Entlassung aus der Haft nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe zu erwarten, sodaß er "im schlechtesten Fall einer Verurteilung wegen Mordes mit einer tatsächlich zu verbüßenden Haftstrafe von höchstens fünf Jahren zu rechnen hätte". Für die im bekämpften Beschluß getroffene Annahme, die Strenge der zu besorgenden Strafe stelle einen so starken Fluchtanreiz dar, daß frühere Auslandskontakte durchaus dazu benützt werden könnten, sich dem weiteren Strafverfahren zu entziehen, fehle daher - auch unter Berücksichtigung der Kriegsverletzungen des Beschwerdeführers - jede Grundlage. Für Aktivitäten, aus denen Rückschlüsse auf Fluchtintentionen gezogen oder für Verfahrensergebnisse, auf deren Grundlage auf fluchtbezogene Auslandskontakte geschlossen werden könnten, lägen keine Anhaltspunkte vor.

Mit keinem dieser Argumente ist er im Recht.

Die Beschwerde versagt zunächst mit auf spekulativer Basis angestellten Überlegungen zu der vom Geschworenengericht im Falle eines anklagekonformen Schuldspruchs des Beschwerdeführers zu verhängenden gesetzlichen Mindestsanktion; die dazu relevierte, in der Beschwerde aber nicht näher substantiierte Anwendung der Bestimmung des § 41 StGB liegt nach Lage des Falles jedenfalls nicht auf der Hand. Damit können aber Erörterungen zur Frage einer allfälligen bedingten Entlassung des Beschuldigten und ihres Zeitpunktes, deren Prämissen erst nach Rechtskraft des Urteils und sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat, gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG ausschließlich vom Vollzugsgericht zu prüfen sind (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 265 E 1 a), auf sich beruhen.

Im übrigen verkennt der Beschwerdeführer, daß anders als im Falle des (hier nicht aktuellen) nach § 180 Abs 2 Z 1, Abs 3 StPO eingeschränkten Haftgrundes der Fluchtgefahr die bedingt-obligatorische Untersuchungshaft nach § 180 Abs 7 StPO nicht - wie die Beschwerde vermeint - voraussetzt, daß der Beschuldigte bereits Anstalten zur Flucht getroffen hat; im Sinne der von der Beschwerde zitierten Entscheidung EvBl 1972/214 ist vielmehr unter Anlegung eines strengen Maßstabes zu untersuchen, ob besondere Gründe mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Haftgrundes ausschließen.

Dies trifft im Falle des Beschwerdeführers nicht zu. Der Beschuldigte gab vor der Sicherheitsbehörde an, ab (und nicht wie die Beschwerde vermeint bis) 1958 mehrere Jahre in Deutschland gelebt zu haben (97 I), verfügt somit über entsprechende Auslandserfahrungen und ist körperlich zwar behindert, zB aber durchaus in der Lage, als Autolenker am Straßenverkehr teilzunehmen (101 I). Diese Verfahrensergebnisse in Verbindung mit dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen (ON 29), wonach die Persönlichkeit des Beschuldigten unter anderem durch erhöhte narzißtische Selbstbezogenheit bei niedriger Frustrationstoleranz geprägt ist, lassen im Sinne der bekämpften Entscheidung des Oberlandesgerichtes einen Ausschluß des Haftgrundes der Fluchtgefahr nicht zu.

Da sohin Johann H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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