OGH 12Os128/23z

OGH12Os128/23z23.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Besic in der Strafsache gegen * K* wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 94 Hv 25/21s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 25. Mai 2021 (ON 17) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00128.23Z.1123.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 94 Hv 25/21s des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 25. Mai 2021 (ON 17) in der Subsumtion der von I./ erfassten Tat auch als das Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB diese Bestimmung.

 

Gründe:

[1] Mit rechtskräftigem, in gekürzter Form ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Mai 2021, GZ 94 Hv 25/21s‑17, wurde * K* (insofern von der im Strafantrag vorgenommenen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB abweichend [vgl ON 9]) des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (I./) und (anklagekonform) der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 21. April 2021 in W*

„I./ Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er im Zuge einer Sicherstellung durch RevInsp * Ku* und RevInsp * Ka*, eine Schlagbewegung in Richtung des Kopfes von RevInsp * Ku* ausführte und mit seinen Beinen wiederholt gegen die genannten Beamten trat“;

II./ die Polizeibeamten Ku* und Ka* während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben durch die zu I./ geschilderte Handlung am Körper verletzt, wodurch Ku* Abschürfungen an beiden Knien und Ka* Abschürfungen am rechten Knie sowie Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens erlitt.

[3] Weitere – über das wiedergegebene Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hinausgehende – als erwiesen angenommene Tatsachen (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) enthält das Urteil nicht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt, verletzt dieses Urteil das Gesetz:

[5] Nach § 270 Abs 4 StPO (der gemäß § 488 Abs 1 erster Satz StPO auch für das Hauptverfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts gilt) hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO) sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) zu enthalten. Es muss daher auch aus einer gekürzten Urteilsausfertigung hervorgehen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0101786 [T4]). Durch ein vollständiges Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) wird dem Gesetz insoweit Genüge getan (RIS‑Justiz RS0125764 [T2]). Liegt – wie hier – nur ein solcher Ausspruch vor, ist dieser der alleinige Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung (vgl RIS‑Justiz RS0125764 [T4]; Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 60).

[6] Ein tätlicher Angriff auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB ist eine vorsätzliche, unmittelbar auf dessen Körper zielende Einwirkung (https://rdb.manz.at/document/ris.jusr.JJR_19810402_OGH0002_0120OS00023_8100000_001?execution=e3s1&source=72646223323032313034303123313134315f31385f737467625f703032373023534c2332323436313239333133 ). Steigert sich jedoch bei einem einheitlichen Tatgeschehen – wie hier – die Tätlichkeit gegen einen Beamten zu einer (zumindest mit Misshandlungsvorsatz begangenen) Körperverletzung, wird das Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB – anders als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB – durch jenes der schweren Körperverletzung nach §§ 83 (Abs 1 oder 2), 84 Abs 2 StGB konsumiert (https://rdb.manz.at/document/ris.jusr.JJR_19940510_OGH0002_0110OS00050_9400000_001?execution=e3s1&source=72646223323032313034303123313134315f31385f737467625f703032373023534c2332323436313239333133 [T2]; Danek/Mann in WK2 StGB § 270 Rz 7; Burgstaller/Schütz in WK² StGB § 84 Rz 111).

[7] Demzufolge verletzt das Urteil in der Subsumtion der von I./ erfassten Tat als das Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB, die wegen derselben Tat zusätzlich zur Subsumtion als das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./) erfolgt ist, das Gesetz in § 270 Abs 1 StGB.

[8] Die Urteilskonstatierungen zu I./ tragen eine Subsumtion wegen des Vergehens des mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedrohten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB, weil die diesen Strafsatz bedingenden Umstände (siehe dazu Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 6, 11) im Urteilstenor bezeichnet werden. Solcherart wirkt die rechtlich verfehlte Subsumtion nach § 270 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) nicht zum Nachteil des Betroffenen. Es hat damit mit ihrer Feststellung sein Bewenden (§ 292 vorletzter Satz StPO; vgl zum begünstigenden Ermessen nach festgestellter Gesetzesverletzung Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 43 ff sowie zum Verbot der Schlechterstellung gegenüber der angefochtenen Entscheidung RIS‑Justiz RS0115530).

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