OGH 12Os12/82

OGH12Os12/8225.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juli 1981, GZ 7 b Vr 2.538/81-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Rustler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das in den Punkten I./A und C des Schuldspruches sowie in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt - im Punkt I./B und gemäß § 290 Abs. 1 StPO außerdem im Punkt II./ des Schuldspruches sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Josef A ist weiters schuldig, am 23. Feber 1981

in Wien aus Not Sachen geringen Wertes, nämlich zwei Tafeln Kochschokolade und eine Kaffeeroulade im Gesamtwert von S 47,90 einem anderen, nämlich einem Verfügungsberechtigten der C AG, zu entziehen versucht zu haben, indem er die Sachen an sich nahm und unter seinem Sakko versteckte, um das Geschäft ohne Entrichtung des Kaufpreises zu verlassen.

Er hat hiedurch das Vergehen der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm laut den unberührt gebliebenen Punkten I./A und C des erstinstanzlichen Schuldspruches zur Last fallende Vergehen des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127

Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB gemäß §§ 28, 128 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB wird die Vorhaft vom 30. Jänner 1981, 18,05 Uhr bis 30. Jänner 1981, 21,00 Uhr, vom 23. Feber 1981, 13,20 Uhr bis 23. Feber 1981, 21,45 Uhr und vom 12. März 1981, 18,35 Uhr bis 1. Juli 1981, 10,10 Uhr auf die Freiheitsstrafe angerechnet. Hingegen wird Josef A von der Anklage, im März 1980 (richtig: 1981) in Wien ein von ihm gefundenes fremdes Gut, nämlich einen Schlüssel, sich mit dem Vosatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und hiedurch das Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.'

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. September 1928 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene kaufmännische Angestellte Josef A der Vergehen des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, 128

Abs. 1 Z 4 StGB (Punkt I./A, B und C des Urteilssatzes) und der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB (Punkt II./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Ihm liegt darnach zur Last, I./ fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Gesamtwert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, anderen wegzunehmen versucht zu haben, und zwar A) am 30. Jänner 1981 in Wien einen Schachcomputer im Wert von 8.800 S, einen Karton mit Süßwaren und Goldschmuck dem Kaufhaus D sowie eine Handtasche einer unbekannten Verkäuferin;

B) am 23. Feber 1981 in Wien zwei Tafeln Kochschokolade und eine Kaffeeroulade im Gesamtwert von 47,90 S der Firma C;

C) am 12. März 1981 in Vösendorf ein Etui im Wert von 200 S der Eveline E;

II./ im März 1980 (richtig: 1981) in Wien ein von ihm gefundenes fremdes Gut, nämlich einen Schlüssel, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Mit seiner auf die Z 5, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Josef A das Urteil in den Punkten I./B und C sowie II./, während er den Punkt I./A des Schuldspruches unangefochten läßt. Gegen den Schuldspruch zu Punkt I./B des Urteilssatzes wendet der Beschwerdeführer ziffernmäßig unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO - nach der Zielsetzung der Rechtsrüge aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (s EvBl 1978/174) -

ein, daß die festgestellte Tat als Vergehen der Entwendung nach § 141 Abs. 1 StGB (richtig: der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 Abs. 1 StGB) zu beurteilen wäre, woraus er in der Annahme, eine Verfolgungsermächtigung im Sinne des § 141 Abs. 2 StGB liege nicht vor, das Bestehen eines die Fällung eines Freispruches erfordernden Verfolgungshindernisses ableitet.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen kommt nur insoweit Berechtigung zu, als der Beschwerdeführer die Beurteilung der Tat als Diebstahlsversuch bekämpft.

Das Vergehen der Entwendung nach § 141 Abs. 1

StGB begeht unter anderem ein Täter, der sich aus Not eine Sache geringen Wertes aneignet, wenn die Tat sonst als Diebstahl strafbar wäre und es sich nicht um einen der Fälle der §§ 129 und 131 StGB handelt. Gemäß § 141 Abs. 2

StGB ist ein solcher Täter nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen.

Das Erstgericht begründete den Schuldspruch in diesem Punkt mit dem Geständnis des Angeklagten, wobei es in die Entscheidungsgründe auch dessen unwiderlegt gebliebene Verantwortung bei einer sicherheitsbehördlichen Befragung über die Tat aufnahm, deshalb versucht zu haben, sich die Lebensmittel im Gesamtwert von 47,90 S anzueignen, weil er seit drei Tagen keine Arbeit und daher auch nichts zu essen gehabt habe (S 61 und 133 d.A). Aus diesem auf einem akuten Mangel an Nahrungsmitteln beruhenden Tatmotiv folgt aber in Verbindung mit dem geringen Wert der Angriffsobjekte, daß die Tat rechtlich nicht als Vergehen des versuchten Diebstahls, sondern als das gegenüber diesem Delikt privilegierte Vergehen der versuchten Entwendung nach den §§ 15, 141 Abs. 1 StGB zu beurteilen ist. Es stellt nämlich einen klassischen Fall des im § 141 Abs. 1 StGB bezeichneten Beweggrundes der Not dar, wenn ein mittelloser Täter, dessen Ernährungsbedarf nicht gesichert ist, durch ein länger anhaltendes Hungergefühl zur rechtswidrigen Aneignung von Lebensmitteln bestimmt wird (s hiezu Leukauf-Steininger, Komm z StGB2, RN 12 zu § 141; EvBl 1958/341).

Da jedoch dem Vorbringen des Beschwerdeführers zuwider, die durch diese versuchte Entwendung in ihrem Eigentumsrecht verletzte C AG eine Ermächtigung zu seiner Strafverfolgung erteilt hat (S 57 d.A), war der öffentliche Ankläger zur Verfolgung dieser Tat berechtigt, sodaß dem Schuldspruch der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO nicht anhaftet.

Hingegen zieht die Beurteilung der Tat als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB statt als Vergehen der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141

Abs. 1 StGB, welches mit milderer Strafe bedroht ist und mit den gleichzeitig abgeurteilten (versuchten) Diebstählen mangels der auf Taten derselben Art beschränkten Anwendbarkeit des für § 141 Abs. 1 StGB überhaupt nicht geltenden (EvBl 1978/169) Zusammenrechnungsprinzipes (Leukauf-Steininger, Komm z StGB2, RN 1 und 2 zu § 29) keine rechtliche Einheit bildet, in diesem Punkte Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO nach sich.

Den Schuldspruch zu Punkt I./C des Urteilssatzes bekämpft der Beschwerdeführer - abermals gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO -

mit dem Einwand, daß ihm der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue

gemäß § 167 StGB zugute komme.

Diese Rüge versagt.

Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte am 12. März 1981 in Vösendorf im Konsumgroßmarkt mit Diebstahlsvorsatz aus dem in einem Einkaufswagen stehenden Einkaufskorb der Eveline E ein Lederetui im Werte von 200 S und steckte es schnell ein. Dabei wurde er jedoch von Eveline E beobachtet und zur Rede gestellt, worauf er das Etui zurückgab.

Der vom Erstgericht rechtsrichtig als versuchter Diebstahl beurteilte Sachverhalt (s Mayerhofer-Rieder, StGB2, E Nr 85 zu § 127) ist der Annahme einer tätigen Reue nach § 167 StGB nicht zugänglich, weil dieser Strafaufhebungsgrund eine Schadensgutmachung nach vollendetem Delikt zur Voraussetzung hat (s hiezu Leukauf-Steininger, Komm z StGB2, RN 4 zu § 167, Kienapfel BT II RN 12 zu § 167). Ein auf die Tat zurückzuführender Schadenserfolg war jedoch noch gar nicht eingetreten, es fand vielmehr ein Rücktritt vom Versuch statt, dem - wie der Vollständigkeit halber festgehalten sei - mangels Freiwilligkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB strafaufhebende Wirkung nach letzterer Bestimmung nicht zukam, weil die Tatvollendung nur wegen Mißlingens des auf heimliche Sachentziehung abgestellten ursprünglichen Tatplans und Aussichtslosigkeit einer Fortsetzung der Sachwegnahme unterblieben ist (SSt 49/26).

Gegen den Schuldspruch zu Punkt II./ wendet der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO ein, daß die Annahme eines Bereicherungsvorsatzes undeutlich und unvollständig begründet sei, zumal keine eindeutige Konstatierung über seine Kenntnis vom Gebrauchswert des gefundenen Schlüssels getroffen worden sei.

Es erübrigt sich, auf diese Mängelrüge näher einzugehen, weil der betreffende Schuldspruch mit dem vom Angeklagten zwar nicht geltend gemachten, aber gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmenden materiellrechtlichen

Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO behaftet ist.

Den Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte im März 1980 (richtig: 1981) in Wien in der Kärntnerstraße einen Schlüsel gefunden, den er nicht beim Fundamt abgab, sondern für sich behielt. Polizeiliche Erhebungen nach Sicherstellung des Schlüssels beim Angeklagten ergaben, daß es sich hiebei um einen Haustorschlüssel zum Hause Wien 17., Wurlitzergasse 92 handelte.

Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB begeht (unter anderem), wer ein fremdes Gut, das er gefunden hat, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Zugeeignet ist das Gut, wenn es zumindest zeitweilig in das Vermögen des Täters (oder eines Dritten) überführt wird (Kienapfel BT II RN 27 zu § 134; Leukauf-Steininger, Kommentar2 RN 20 zu § 134). Auf eine solche Zueignung des gefundenen Gutes ist idR dann zu schließen, wenn der Täter die Sache behält und den Fund bei einer Nachfrage verschweigt bzw den Vorschriften des § 389 ABGB zuwiderhandelt. Denn in derartigen Verhaltensweisen manifestiert sich im Regelfall die überführung der gefundenen Sache in das eigene Vermögen.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat der Beschwerdeführer den gefundenen Schlüssel zwar behalten, jedoch weder den Fund bei einer Nachfrage verschwiegen noch den Vorschriften des § 389 ABGB zuwidergehandelt (noch sonst sich die Fundsache in objektiv erkennbarer Weise zugeeignet). Eine Nachfrage hat nicht stattgefunden, sodaß ein Verschweigen des Fundes nicht in Betracht kam. Gemäß § 389

ABGB ist der Finder verpflichtet, die gefundene Sache dem früheren Besitzer zurückzugeben, wenn dieser aus den Merkmalen der Sache oder aus anderen Umständen deutlich erkannt wird. Auch dieser Fall ist hier nicht gegeben. Ist die Person des Verlustträgers nicht bekannt, muß der Finder nach der zitierten Gesetzesstelle bei einem Wert des Fundgegenstands von über 50 S den Fund innerhalb von acht Tagen auf die ortsübliche Art bekanntmachen lassen, und bei einem Wert eines Fundgegenstands von über 200 S den Vorfall der Behörde anzeigen. Daraus folgt, daß ein Fundgegenstand im Werte bis zu 50 S, dessen vorheriger Besitzer nicht ersichtlich ist, vom Finder an sich genommen werden darf, ohne daß ihn eine Bekanntmachungs- oder Anzeigeverpflichtung trifft. Ein derartiger Kleinfund darf somit vom Finder verwahrt werden, ohne daß er besonders kundgetan werden müßte; bei einer Nachfrage darf er allerdings nicht verheimlicht werden (vgl Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts5 II, 55).

Eine Feststellung, wonach der Wert des gefundenen Schlüssels 50 S oder mehr betragen hat, wurde vom Erstgericht nicht getroffen und hätte nach Lage des Falles auch nicht getroffen werden können (vgl zum Erhaltungszustand des Schlüssels Beilage zu ON 15 sowie auch S 73, 87 und 107 d.A). Der Beschwerdeführer durfte daher den Schlüssel, ohne gegen § 389 ABGB zu verstoßen, bei sich verwahren, wobei ihn weder eine Bekanntmachungs- noch eine Anzeigepflicht traf. Da auch sonst eine Zueignungshandlung nach den Urteilskonstatierungen nicht ersichtlich ist, erfüllte daher das Behalten des gefundenen Schlüssels schon mangels Zueignung weder den Tatbestand der Unterschlagung noch den einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung.

überdies war gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen noch wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil insofern auch an einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO leidet, als dem Angeklagten nach der Aktenlage ein weiterer Vorhaftzeitraum vom 23. Feber 1981, 13,20 Uhr bis 23. Feber 1981, 21,45 Uhr (s S 41 und S 55 f d.A) entgegen § 38 Abs. 1 Z 1 StGB nicht auf die Strafe angerechnet worden ist.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef A teilweise Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen; im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe nach §§ 28, 128 Abs. 1 StGB nahm der Oberste Gerichtshof als erschwerend die zahlreichen einschlägigen, auch die Annahme des § 39 StGB rechtfertigenden Vorstrafen, die Wiederholung des versuchten Diebstahls, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen von zwei Vergehen, als mildernd das Teilgeständnis und den Umstand an, daß es in allen Fällen beim Versuch geblieben ist.

Im Hinblick auf das überwiegen der erschwerenden Umstände und die Rückfallsbereitschaft des Angeklagten trotz wiederholter Abstrafungen ist eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten trotz des Mißlingens der versuchten Angriffe und des relativ geringen Schadens tatschuldangemessen und persönlichkeitskonform. Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

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