Spruch:
In der Strafsache AZ 14 E Vr 217/90 des Kreisgerichtes Wels verletzt der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 14.August 1991, AZ 7 Bs 198/91, das Gesetz in der Bestimmung des § 395 Abs. 1 StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Gründe:
In der im Spruch genannten Strafsache war der Privatankläger zur (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 13.Dezember 1990 zum Verhandlungstermin nicht erschienen, worauf das Gericht nach Aufruf der Sache durch den Schriftführer (S 104) das Verfahren gemäß § 46 Abs. 3 StPO einstellte (sachgerecht wäre ein Freispruch nach § 259 Z 2 StPO gewesen), die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers gemäß § 390 Abs. 1 StPO aussprach und gemäß § 381 StPO die Pauschalkosten bestimmte (ON 16). In der Folge beantragte der seinerzeitige Beschuldigte die Bestimmung der für diese Hauptverhandlung aufgelaufenen Verteidigungskosten, weil der Privatankläger lediglich bereit sei, für die am 13. Dezember 1990 begonnene Hauptverhandlung nur die Gebühr für eine frustrierte Hauptverhandlung in Gesamthöhe von 1.209,60 S anstatt 4.794 S zu bezahlen. Die übrigen Verteidigungskosten habe der Privatankläger anerkannt (ON 17).
Der Privatankläger wies in seiner Äußerung als Antragsgegner hiezu nach, daß er die übrigen Verteidigungskosten (einschließlich des von ihm anerkannten Betrages für die Hauptverhandlung am 13.Dezember 1990) schon bezahlt hat. Da am 13. Dezember 1990 eine Hauptverhandlung nicht stattgefunden, sondern das Gericht sofort den Beschluß auf Verfahrenseinstellung gefaßt habe, stünden dem Beschuldigten hiefür höhere Verteidigungskosten nicht zu (ON 18).
Das Erstgericht bestimmte mit Beschluß vom 14.Mai 1991 (ON 19) die strittigen Verteidigungskosten antragsgemäß und begründete dies damit, daß die Hauptverhandlung eingeleitet wurde (§ 239 StPO). Das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht gab mit Beschluß vom 14.August 1991, 7 Bs 198/91 (ON 22), der Beschwerde des Privatanklägers Folge und wies den Kostenbestimmungsantrag zurück. Es ließ die meritorische Frage, wie die Teilnahme des Verteidigers an der mehrfach erwähnten Hauptverhandlung zu honorieren sei, offen und meinte, es sei nicht Aufgabe des Strafgerichtes "im einzelnen" über die Höhe des Kostenersatzes zu befinden, wenn ein Übereinkommen zwischen den Streitteilen "ausreichend indiziert" (S 133) sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung nach § 395 Abs. 1 StPO seien vorliegend deshalb nicht gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz verletzt - wie die Generalprokuratur richtig darlegt - das Gesetz in der Bestimmung des § 395 Abs. 1 StPO. Nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle steht es jedem Teil frei, die nach § 393 Abs. 3 StPO zu ersetzenden Kosten vom (Straf-) Gericht bestimmen zu lassen, wenn über deren Höhe kein Übereinkommen erzielt wurde. Daß über die Höhe der Kosten der Verteidigung in der Hauptverhandlung am 13.Dezember 1990 und damit auch über die Gesamtkosten der Verteidigung kein Übereinkommen erzielt wurde, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Vorbringen beider Streitteile. Das Gericht hat nach § 395 Abs. 1 StPO nicht etwa über die Kostenersatzpflicht im Grunde zu befinden - darüber wurde anläßlich der Verfahrenseinstellung erkannt (§ 390 Abs. 1 StPO) - auch nicht über die Möglichkeit eines Übereinkommens, sondern unter Beachtung der Grundsätze des Abs. 2 und 3 des § 395 StPO ausschließlich über die Höhe der Kosten. Es kann dem Oberlandesgericht Linz daher in seiner Argumentation nicht gefolgt werden, wenn es meint, es sei nicht Aufgabe des Strafgerichtes, über die Höhe der Verteidigungskosten "im einzelnen" zu befinden. Gerade darin liegt ja der gesetzliche Auftrag des § 395 StPO, der (unter Ausklammerung des Zivilgerichtes) zwecks Schaffung eines Exekutionstitels (§ 1 Z 8 EO) an das Strafgericht gerichtet ist.
Der somit zum Nachteil des (seinerzeitigen) Beschuldigten ergangene gesetzwidrige Beschluß war sohin in sinngemäßer Anwendung des § 292 letzter Satz StPO aufzuheben, jedoch nicht - wie die Generalprokuratur beantragte - in der Sache selbst zu erkennen, sondern dem Beschwerdegericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen, wobei auch auf das Vorbringen in der Gegenschrift zur Wahrungsbeschwerde Bedacht zu nehmen sein wird.
Grundsätzlich wird zu beachten sein, daß gemäß § 239 StPO, welche Bestimmung auch im Einzelrichterverfahren gilt (§ 488 StPO), die Hauptverhandlung schon mit dem Aufruf der Sache durch den Schriftführer beginnt, sodaß im Gegensatz zum bezirksgerichtlichen Verfahren, wo die Hauptverhandlung erst mit dem Vortrag der Anklage beginnt (§ 457 StPO), im Gerichtshofverfahren der vermutete Rücktritt des Privatanklägers von der Anklage (§ 46 Abs. 3 StPO) zum Freispruch nach § 259 Z 2 StPO führt (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder3 E 179, 180 zu § 46 StPO). Der Umstand, daß der Einzelrichter im vorliegenden Verfahren (rechtsirrtümlich) die Verfahrenseinstellung und Kostenersatzpflicht des Privatanklägers mit Beschluß verfügte (S 104), ändert nichts daran, daß am 13.Dezember 1990 eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, nicht etwa abberaumt oder nicht abgehalten wurde, wie dies in der Anmerkung 2 zu Tarifpost 4 RAT als Grundlage für einen geringeren Kostenersatzanspruch angeführt wird. Das Beschwerdegericht wird aber weiters auf die schon in der Äußerung zum Kostenbestimmungsantrag (ON 18) nachgewiesene, auch einen Teil der Kosten der Hauptverhandlung vom 13.Dezember 1990 beinhaltende Zahlung Bedacht zu nehmen haben, weil dies für die Höhe des (strittigen) Kostenanspruches insoferne von Bedeutung ist, als für den Fall der (notwendig werdenden) Exekutionsführung auf vor Schaffung des Exekutionstitels geleistete Zahlungen ein Oppositionsbegehren nicht gestützt werden könnte (§ 35 Abs. 1 EO).
Es war daher der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß stattzugeben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)