OGH 12Os124/94

OGH12Os124/9420.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hradil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl P* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 30. März 1994, GZ 19 Vr 581/93‑23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten Karl P* und des Verteidigers Dr. Friedberg, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00124.9400000.1020.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Karl P* wurde (I.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG sowie (II./1. und 2.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Teil von acht Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Darnach hat er in Strallegg bzw in Leoben den bestehenden Vorschriften zuwider (I.) von Frühjahr bis Mitte Juli 1992 mit dem abgesondert verfolgten Johann G* Suchtgift in einer großen Menge erzeugt, deren Weitergabe geeignet gewesen wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, indem er insgesamt 30 Marihuanapflanzen aufzog und in seinem Garten aussetzte, wobei Johann G* den Samen zur Verfügung gestellt hatte und die Ernte vereinbarungsgemäß geteilt werden sollte sowie (II.) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a Suchtgift erworben, besessen und anderen überlassen, indem er (1.) von Sommer 1990 bis Ende Juni 1992 in zahlreichen Angriffen von Johann G* zumindest 100 Gramm Cannabisharz ankaufte, eine unbekannte Menge Kokain kostenlos übernahm und 1 Gramm Kokain um 1.600 S ankaufte (US 7) sowie (2.) Ende 1991‑Anfang 1992 Johann G* einen Teil der zuletzt bezeichneten Kokainmenge kostenlos überließ.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Nach den wesentlichen Feststellungen (zu I.) vereinbarte der Angeklagte mit Johann G*, welcher ihm nach Anzahl und Art der sich über Jahre erstreckenden Suchtgiftverkäufe (Punkt II.) als professioneller Suchtgifthändler bekannt geworden war (US 5 f), Hanf zur Gewinnung von Marihuana in Eigenproduktion herzustellen. Nachdem ihm G* gegen Vereinbarung eines Hälfteanteiles an der Ernte hiezu den Samen zur Verfügung gestellt hatte, zog der Angeklagte zunächst 20 bis 30 Marihuanapflanzen auf und setzte diese schließlich in seinem Garten aus, wo die Gendarmerie am 29. Juli 1992 eine Pflanzenmenge von insgesamt 10,8 kg mit zumindest 81 Gramm reinem THC sicherstellte (US 5 f). Aus diesen Feststellungen folgerte das Erstgericht den zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf das in § 12 Abs 1 SGG umschriebene tatbildliche Verhalten (US 16), den es formal mängelfrei sinngemäß damit begründete, daß dem Angeklagten als langjährigem und erfahrenem Suchtgiftkonsumenten die Eignung der tatverfangenen Suchtgiftmenge, im Fall der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, zwangsläufig bekannt war. Dazu hat es ‑ der nur diesen Schuldspruch betreffenden Mängelrüge (Z 5) zuwider ‑ ausdrücklich klargestellt, daß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Angeklagten auch auf die Erzeugung einer großen Menge Suchtgift (wie im übrigen auch auf die Herbeiführung einer Gemeingefahr durch Weiterverbreitung des Suchtgiftes; vgl die Ausführungen der Subsumtionsrüge) gerichtet war (US 16).

Keine entscheidende Tatsache betrifft der vom Beschwerdeführer gerügte Ausspruch des Gerichtshofes über die Anzahl der von ihm aufgezogenen und im Garten ausgesetzten Marihuanapflanzen. Entscheidend für die Qualifikation der Tat als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG ist allein die Menge des erzeugten Wirkstoffes, welche im gegebenen Fall mit zumindest 81 Gramm reinem THC festgestellt wurde, wobei dem Umstand, aus welcher Anzahl von Pflanzen diese Wirkstoffmenge gewonnen wurde, keine rechtliche Bedeutung zukommt.

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 5 a) ergeben sich aus den Akten auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen. Das Erstgericht hat sich mit der mehrmals geänderten Verantwortung des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt und eingehend begründet, warum es seinem im Vorverfahren abgelegten Geständnis (auch zu II/1 b und 2; 33 f, 72 f) Glauben schenkte. Am Ergebnis dieser Erwägungen vermag der Einwand, daß die betreffenden Angaben unter Druck zustande gekommen und unrichtig seien, keine objektiv begründeten Zweifel zu erwecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer zunächst mit dem Vorbringen (zu I.), der Vorsatz des Angeklagten habe sich weder auf die Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge, noch auf die Herbeiführung einer Gemeingefahr erstreckt und sei in dieser Form auch nicht festgestellt worden, eine Verurteilung nach § 16 Abs 1 SGG anstrebt, ist in diesem Umfang nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie die Konstatierungen zur ‑ wie bereits dargelegt ‑ alle Tatbildmerkmale einschließenden subjektiven Tatseite vernachlässigt.

Soweit sie darüber hinaus die Beurteilung des zu Punkt I. angenommenen Sachverhaltes bloß als Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG reklamiert, ist sie unberechtigt. Das Erzeugen von Suchtgift im Sinne dieser Bestimmung setzt als umfassender Begriff beim Anbau ein und reicht über die Aufzucht bis zur Erntereife (EvBl 1980/9), sodaß das Erstgericht den als erwiesen angenommenen Sachverhalt rechtsrichtig als vollendetes Verbrechen beurteilte.

Schließlich geht auch der Einwand ins Leere, das Erstgericht habe dadurch eine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache unrichtig beurteilt (Z 11), daß es die bei Urteilsfällung bereits getilgte Vorstrafe als erschwerend wertete. Zwar trifft es zu, daß diese Verurteilung (US 4) auf Grund der nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG bestehenden fünfjährigen Tilgungsfrist, die mit dem Vollzug der Geldstrafe am 23. Dezember 1988 (141) zu laufen begonnen hatte, zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vom 30. März 1994 bereits getilgt war. Zur Tatzeit (Sommer 1990 bis Mitte Juli 1992) war der Beschwerdeführer jedoch ‑ einschlägig (Leukauf‑Steininger Komm3 § 71 RN 6) - vorbestraft, weshalb dieser Umstand bei Urteilsfällung ungeachtet der inzwischen eingetretenen Tilgung auch zu berücksichtigen war; rückwirkende Kraft kommt der Tilgung nämlich nicht zu (§ 1 Abs 4 TilgG; Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 33 ENr 20).

Mit dem übrigen Beschwerdevorbringen reklamiert der Angeklagte lediglich die Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe, führt damit die Strafzumessungsrüge jedoch nicht gesetzmäßig aus (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 11 ENr 6 und 7), sondern macht bloß einen Berufungsgrund geltend.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die vielfache Überschreitung der Grenzmenge, das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen verschiedener Art und die einschlägige Vorstrafe als erschwerend, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und deren bedingte Nachsicht (zur Gänze) anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Zwar hat der zuerst genannte Erschwerungsgrund zu entfallen, weil die zu I. tatverfangene Suchtgiftmenge insgesamt nicht dem oberen Bereich denkbarer Tatbestandsverwirklichung nach § 12 Abs 1 SGG zuzuordnen ist und ist der Berufung auch darin beizupflichten, daß das Erstgericht das im Vorverfahren abgelehnte Geständnis des Angeklagten, das auch zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, zu Unrecht nicht als mildernd gewertet hat (Leukauf‑Steininger Komm3 § 34 RN 26).

Bei Gewichtung der im übrigen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe ‑ von einer als Milderungsgrund reklamierten untergeordneten Rolle des Angeklagten (zu I.) kann ebensowenig die Rede sein, wie von einem Handeln aus Unbesonnenheit ‑ und Mitbewertung des Umstandes, daß der Erschwerungsgrund der Wiederholung der nach § 16 SGG strafbaren Handlungen über einen längeren Zeitraum unberücksichtigt geblieben ist, erweist sich die vom Schöffengericht verhängte Strafe bei einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen als tatschuldadäquat. Sie nimmt auch auf die im Bereich der Suchtgiftkriminalität im Vordergrund stehenden Belange der Generalprävention, denen im konkreten Fall wegen des der Suchtgiftszene teilweise nahestehenden persönlichen Umfeldes des Angeklagten akzentuierte Bedeutung zukommt, gebührend Rücksicht.

Nach Prüfung aller Umstände des Falles erweist sich somit die ausgesprochene Strafsanktion als der angestrebten Reduktion unzugänglich.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

 

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