OGH 12Os123/02

OGH12Os123/028.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut Ö***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Helmut Ö***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 4. September 2002, GZ 603 Hv 20/02k-27, sowie über den Antrag des Genannten auf Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und der Antrag auf Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Helmut Ö***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut Ö***** der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB an den von den rechtskräftig mitverurteilten Herbert A***** und Bettina S***** begangenen Straftaten schuldig erkannt.

Darnach "haben mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich und Margarete P***** an ihrem Recht auf Abfrage von elektronischen Daten ausschließlich bei Vorliegen der Voraussetzungen und Verhinderung der Weitergabe an Unberechtigte unter Wahrung der Geheimhaltung von personenbezogenen Daten (§ 1 Abs 1 DSG) bzw die Stadtgemeinde Stockerau auf Ahndung von Übertretungen nach § 6 Abs 2 NÖ Kurzparkzonenabgabengesetz durch gemäß § 50 VStG ermächtigte Organe bzw im konkreten Recht auf Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens auf Grundlage der bestehenden Bestimmungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar:

Herbert A***** am 30. April 2002 in Tulln als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens Tulln, indem er eine Abfrage im Kfz-Zentralregister (KZR) des elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystemes (EKIS) hinsichtlich des Personenkrafwagens, Kennzeichen TU-740AK, ohne zu Grunde liegende Anzeige und unter Verwendung der Geschäftszahl: Al/2310/02, die in keinerlei Zusammenhang mit dem angefragten Kennzeichen stand, durchführte und die personenbezogenen Daten der Zulassungsbesitzerin Margarete P***** am 1. Mai 2002 Helmut Ö***** mitteilte;

Bettina S***** am 20. Februar 2002 in Stockerau als beeidetes Aufsichtsorgan nach dem NÖ Kurzparkzonenabgabengesetz (§ 7 b Abs 3 leg cit), indem sie die bereits ausgestellte Organstrafverfügung Nummer 24350 durchstrich und darunter fälschlicherweise notierte "Storno Gend. im Dienst";

Helmut Ö***** am 30. April 2002 in Korneuburg bzw am 20. Februar 2002 in Stockerau als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens Korneuburg die unter Punkt 1 und 2 angeführten Beamten zu den in diesen Punkten inkriminierten Taten bestimmt, indem er

Herbert A***** zu der gegenständlichen Kennzeichenregister KZR-Abfrage und zur Mitteilung des Inhaltes aufforderte; Bettina S***** aufforderte, die Organstrafverfügung zurückzunehmen, weil er ansonsten, sollte er sie bei einer Verwaltungsübertretung erwischen, auch bei ihr eine höhere Strafe ansetzen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten Helmut Ö***** gegen den Schuldspruch Punkt 3/a und b aus den Gründen der Z 1, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die behauptete Befangenheit des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vermag - wie sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut ergibt - den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO nicht herzustellen. Soweit sie auch aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO releviert wird, fehlt dem Beschwerdeführer mangels darauf abzielender Antragstellung in der Hauptverhandlung die Beschwerdelegitimation (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 EGr 1).

Die darüber hinaus erhobene Verfahrensrüge (Z 3), der Beschwerdeführer sei entgegen § 250 Abs 1 StPO von den Verantwortungen der beiden in seiner Abwesenheit vernommenen Mitangeklagten nicht in Kenntnis gesetzt worden, ist krass aktenwidrig, weil durch das Hauptverhandlungsprotokoll widerlegt (vgl S 243, 245, 256-258, 260 f, 266).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider waren die Tatrichter mangels Entscheidungswesentlichkeit (Steininger Komm3 § 105 RN 11) nicht verpflichtet, die Frage, wie der Angeklagte die als Bestimmungsaktivität angenommene Drohung gegenüber der Mitangeklagten S***** "wahrmachen könne", zu erörtern. Die weitere Frage, "mit welchem Übel die Drohung ausgesprochen wird", hat der Schöffensenat - entgegen der Beschwerdeargumentation - ohnehin in seine Überlegungen mit einbezogen (US 9 f), sodass das weitere dazu erstattete Vorbringen auf sich zu beruhen hat.

Die Feststellungen, wonach der Angeklagte Ö***** seinen Komplizen A***** wahrheitswidrig dahingehend informierte, er sei am Vortag durch knappes Vorbeifahren mit dem Personenkraftwagen von der Lenkerin gefährdet, aber nicht verletzt worden und diesem ferner erklärte, er wolle keine Anzeige erstatten, weshalb Letzterer "damit wusste", dass die Datenabfrage ausschließlich dem privaten Interesse des Angeklagten diente und "unzulässig" war (US 13), stehen - der Beschwerde zuwider - nicht im Widerspruch zueinander. Auch der Einwand, die die vorstehenden Mitteilungen betreffenden Feststellungen des Erstgerichtes seien aktenwidrig, weil "durch kein Beweisergebnis gedeckt, ist seinerseits aktenfremd, weil sie auf die Angaben des mitverurteilten A***** gegründet sind (US 22 iVm 269). Das darüber hinausgehende Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich in Gestalt eigenständiger Interpretationen von Verfahrensergebnissen, wie etwa Spekulationen über mögliche Schlussfolgerungen des Herbert A***** auf Grund der Erklärungen des Angeklagten in einer - hier unzulässigen - Kritik an der erstinstanzlichen Lösung der Beweisfrage nach Art einer Schuldberufung.

Nach Prüfung der Akten an Hand des Vorbringens zur Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine Bedenken, geschweige denn solche erheblichen Gewichts, gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen. Die Rechts- und Subsumtionsrügen (Z 9 lit a, 9 lit b und 10) verfehlen zur Gänze den notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozessordnungsgemäße Darstellung des jeweils angezogenen materiellen Nichtigkeitsgrundes:

Zunächst übergeht die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, sachlich Z 10) prozessordnungswidrig die konstantierte Kausalität der Bestimmungshandlungen für die Erweckung des Tatentschlusses der Bettina S***** (Punkt 3/b). Weiters vernachlässigt die Rüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5) die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich aller Tatbeteiligten (US 9 f, 13, 14, 25 und 26), aus denen sich auch deren Schädigungsvorsatz unmissverständlich ergibt. Der Einwand, infolge seiner Vorinformation über den Namen und den Wohnort der PKW-Lenkerin Margarete P***** seien diese Daten kein Geheimnis gewesen, geht schon deshalb fehl, weil sich der Beschwerdeführer nach den - insoweit von der Beschwerde vernachlässigten - Urteilsannahmen durch die Datenabfrage erst Gewissheit darüber verschaffen wollte (US 12, 23).

Die gegen den Schuldspruchpunkt 3/b gerichtete Beschwerde (Z 9 lit b) setzt sich nicht bloß über die Feststellung hinweg, wonach die Angeklagte S***** zur Erteilung einer bloßen Ermahnung nicht berechtigt war, sondern übersieht auch unter Hinweis darauf, dass "das Erstgericht eine Nötigung als Bestimmungshandlung feststellte", im Zusammenhang mit der Forderung tatrichterlicher Berücksichtigung des Rechtfertigungsgrundes nach § 105 Abs 2 StGB, dass der Angeklagte Ö***** gar nicht wegen Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig gesprochen wurde.

Indem die Rüge (Z 10) schließlich zum Schuldspruchfaktum 3/a unter Bestreitung der Schädigungsmöglichkeit und des Schädigungsvorsatzes eine Tatbeurteilung als Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB bzw der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB anstrebt, vernachlässigt sie einmal mehr die konträren Urteilsfeststellungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie der in den Prozessgesetzen nicht vorgesehene Antrag auf Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens - bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Ö***** und der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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