OGH 12Os121/89

OGH12Os121/899.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz R*** wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB aF und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Mai 1989, GZ 13 Vr 3087/88-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten Franz R*** und des Verteidigers Dr. Stenitzer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des zu II festgestellten Verhaltens zusätzlich als Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Franz R*** hat (auch) durch das zu II festgestellte Verhalten (in Verbindung mit dem zu I 1 festgestellten Verhalten insgesamt) das ihm laut den unberührt gebliebenen Schuldsprüchen I 1 und 2 zur Last liegende Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB aF begangen und wird hiefür nach § 202 Abs. 1 StGB aF zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wird ein Teil dieser Strafe im Ausmaß von 8 (acht) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Jänner 1961 geborene Staplerfahrer Franz R*** des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB aF (I) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat er am 5.November 1988 in Deutschfeistritz und Peggau versucht,

I. Personen weiblichen Geschlechts mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, und zwar

1. Dagmar G*** dadurch, daß er sie am Körper erfaßte, sie gegen ein Brückengeländer drängte und mit offenem Hosenschlitz aufforderte, sein Glied anzugreifen und mit ihm geschlechtlich zu verkehren,

2. Sylvia M*** durch die drohend vorgebrachte Aufforderung, mit ihm freiwillig einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, weil er ihretwegen nicht zum Verbrecher werden wolle, wobei er zur Untermauerung der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens begann, seine Hose herunter zu ziehen, sowie

II. Dagmar G*** im Zuge der zu I 1 angeführten Tat durch die Äußerung, sie solle aufhören, vorbeifahrenden Autolenkern zuzuwinken, sonst werfe er sie über die Brücke in die Mur, mithin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Körperverletzung, zur Abstandnahme von der Herbeiholung von Hilfe zu nötigen. Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit Berufung.

Sowohl mit der Mängelrüge (Z 5) als auch mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a und b) wendet sich der Angeklagte gegen die auf den Aussagen der Tatopfer und auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (S 101 iVm ON 13) beruhende Urteilskonstatierung, daß er wohl seit Jahren an chronischem Exhibitionismus im Sinne einer echten Perversion leide, diese Krankheit aber auch unter Berücksichtigung des von ihm genannten Alkoholkonsums zu keiner Aufhebung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit zur Tatzeit (5.November 1988) geführt habe. Der Beschwerdeführer vermißt dazu eine Auseinandersetzung darüber, daß derselbe Sachverständige in einem vorangegangenen Strafverfahren wegen § 218 StGB (AZ U 190/86 des Bezirksgerichtes Frohnleiten) die Anwendung des § 11 StGB empfohlen und nunmehr unter Mißachtung vorgelegter fachärztlicher Bestätigungen dem Angeklagten keine Zurechnungsunfähigkeit zugebilligt habe.

Diesem Einwand ist zunächst entgegenzuhalten, daß im Urteil diese Vorgeschichte dargestellt (S 105), dann aber klar festgestellt wurde, daß dessen ungeachtet zur nunmehr aktuellen Tatzeit die Voraussetzungen des § 11 StGB nicht vorlagen (S 106). Da aber im Nichtigkeitsverfahren die rechtliche Beurteilung immer nur auf der Basis der getroffenen, nicht aber der vom Beschwerdeführer - aus welchen Gründen immer - reklamierten Feststellungen überprüft werden kann, entbehrt die Rechtsrüge einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Der Mängelrüge (Z 5) ist zu erwidern, daß das Schöffengericht dazu verhalten ist, wenn auch in nur gedrängter Darstellung, (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO), so doch mit Bestimmtheit anzugeben, aus welchen Gründen es die strafrechtliche Verantwortlichkeit bejaht hat. Diesem Erfordernis entsprach es, wenn es sich hiezu auf das ihm unbedenklich erscheinende Gutachten des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen und auf die beigeschafften Krankengeschichten berief (S 111). Keinesfalls bedurfte es einer detaillierten Erörterung des Inhalts dieses Gutachtens, das übrigens eingehend darlegt, weshalb seinerzeit bezüglich des Exhibitionismus (§ 218 StGB) die Aufhebung der Bewußtseinslage im Zweifel für möglich gehalten worden war, nunmehr aber bei den weit darüber hinausgehenden sexuell motivierten Attacken auf Frauen lediglich eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit, nicht aber die Aufhebung der strafrechtlichen Dispositionsfähigkeit anerkannt werden konnte (S 86, 87, 89, 90). Der behauptete formelle Begründungsmangel liegt sohin nicht vor, zumal die diesbezüglichen Ausführungen in ihrer Zielsetzung bloß darauf hinauslaufen, unzulässigerweise die auf diesem Gutachten beruhende Beweiswürdigung zu bekämpfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Der Oberste Gerichtshof konnte sich jedoch aus deren Anlaß davon überzeugen (§ 290 Abs. 1 StPO), daß das Urteil insoweit mit einem Subsumtionsfehler (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) behaftet ist, als Franz R*** Verhalten gegenüber Dagmar G*** sowohl als Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf (I 1) wie auch als Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB (II) beurteilt wurde. Gefährliche Drohungen und Gewaltakte im Zuge einer noch nicht vollendeten Nötigung zum Beischlaf, die dazu dienen, das Tatopfer davon abzuhalten, fremde Hilfe herbeizuholen, sohin Mittel zur Begehung des Primärdelikts sind, gehen als straflose Vortaten in der Haupttat auf. Sie stellen bei einem auf die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gerichteten Täterwillen in der Regel auf dessen Durchsetzung zielende Teilakte der Nötigung zum Beischlaf dar (Leukauf-Steininger2 RN 27 und Pallin im WK Rz 28 jeweils zu § 201 StGB, jüngst 12 Os 85/89). Die im Zuge der Attacke gegen Dagmar G*** mit dem Vorsatz, sie zum Geschlechtsverkehr zu nötigen, ausgestoßene weitere Drohung, sie über die Brücke in die Mur zu werfen, falls sie nicht sofort mit dem Winken zwecks Herbeiholung fremder Hilfe aufhöre, ist dem Angeklagten in Anbetracht der unmittelbar darauffolgenden neuerlichen Aufforderung an die Frau, in einen Geschlechtsverkehr mit ihm einzuwilligen (S 106 bis 107), demnach nicht gesondert als in Realkonkurrenz mit der versuchten Nötigung zum Beischlaf begangene versuchte Nötigung nach §§ 15, 105 StGB zuzurechnen, sondern schon durch den Tatbestand der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB aF strafrechtlich voll erfaßt. Bei dieser Subsumtion hat es - abgesehen davon, daß § 201 Abs. 2 StGB nF eine idente Strafdrohung aufweist und daher nicht günstiger wäre (§ 61 StGB) - auch zu bleiben, weil dieser Schuldspruch von der kassatorischen Entscheidung unberührt bleibt (13 Os 45/88, 12 Os 85/89 ua). Es war daher die rechtliche Beurteilung des zu II festgestellten Verhaltens zusätzlich als Vergehen nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB ersatzlos aufzuheben und die Strafe nach den aufrecht gebliebenen und sachverhaltsmäßig ergänzten Schuldsprüchen wegen §§ 15, 202 Abs. 1 StGB aF (I 1 samt dem zu II festgestellten Tatsachensubstrat und I 2) nach dem § 202 Abs. 1 StGB aF neu zu bemessen.

Dabei war erschwerend, daß der Angeklagte trotz Kenntnis seiner Veranlagung und ärztlicher Beratung wieder dem Alkohol zusprach, sowie die Begehung zweier gleichartiger Taten knapp hintereinander. Mildernd war hingegen, daß der Angeklagte im Hinblick auf die zwischenzeitige Tilgung seiner Vorstrafen (§§ 3 Abs. 1 Z 1, 4 Abs. 3 TilgG) als unbescholten zu gelten hat, auch daß er ferner krankhaft veranlagt und dadurch seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist und schließlich, daß sich die Gewaltanwendung in Grenzen hielt, sodaß es in beiden Fällen beim Versuch blieb und die Opfer keinen körperlichen Schaden davontrugen.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß die Neigung des Franz R*** zum Exhibitionismus zwar im allgemeinen als eher harmlos eingestuft wird, jetzt, wo er erstmalig gegen Frauen aggressiv wurde, aber doch zu eskalieren droht (siehe hiezu S 34 im Akt U 190/86 des Bezirksgerichtes Frohnleiten), vermeint auch der Oberste Gerichtshof, daß es des Ausspruches einer über der Strafuntergrenze liegenden Sanktion bedarf, um dem Täter den Unwert und die Folgen seiner Handlungsweise deutlich vor Augen zu führen. Entgegen der Anklagebehörde ist allerdings nicht der Vollzug einer exzeptionell langen (empfindlichen) Freiheitsstrafe geboten, um den krankhaft veranlagten Täter zu beeindrucken. Es kann vielmehr der Ansicht des Schöffengerichts gefolgt werden, daß es nur des partiellen Vollzuges der mit zwölf Monaten als tat- und tätergerecht erachteten Freiheitsstrafe bedarf, weshalb unter Anwendung des § 43 a Abs. 3 StGB ein Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen war.

Mit ihren Berufungen waren die Prozeßparteien auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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