Spruch:
'Der Angeklagte Heinz A wird für die ihm nach den unberührt bleibenden Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB und unter Bedachtnahme auf die §§ 28 und 29 StGB sowie auf § 11 JGG zu einer Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt.
Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung nach § 38 StGB und über den Kostenersatz werden aus dem Ersturteil übernommen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.'
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6. März 1963 geborene, zu den Tatzeiten noch jugendliche, Angeklagte Heinz A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143, erster und zweiter Deliktsfall, 15 StGB (Punkt A des Schuldspruches), des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (Punkt B des Schuldspruches), des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1 StGB (Punkt C des Schuldspruches), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (Punkt D des Schuldspruches), des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB (Punkt E des Schuldspruches) und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Der Sache nach bekämpft der Angeklagte dieses Urteil nur in den Schuldsprüchen Punkt B I 1) wegen Diebstahls sowie Punkte C und D wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der Körperverletzung mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO.
In den Punkten C und D des Schuldspruches liegt dem Angeklagten zur Last, am 28. Februar 1981 während der Untersuchungshaft die Justizwachebeamten Alois B und Helmut C, die im Begriffe waren, ihn abzusondern, mit Gewalt, nämlich durch einen Faustschlag ins Gesicht bzw einen Fußtritt gegen die linke Hand, an der Amtshandlung gehindert und dabei durc den erwähnten Fußtritt den Justizwachebeamten C, welcher hiedurch eine Prellung an der linken Hand erlitt, während und wegen der Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich verletzt zu haben.
Mit Beziehung auf diesen Sachverhalt beantragte der Verteidiger in der Hauptverhandlung (wortwörtlich) 'Beischaffung des vom Zeugen C erwähnten ärztlichen Aufzeichnungsblattes bezüglich der Medikamente, die dem Angeklagten in der Haft zur Verfügung standen, die Einholung eines Gutachtens der Pharmakologie über die Wirkung der zur Verfügung stehenden Medikamente, zu den Fakten D und E (gemeint: der Anklageschrift), daß eine die Zurechnungsfähigkeit ausschliessende Vergiftung vorlag, und die Einvernahme der zu diesem Zeitpunkt mitinhaftierten Zellengenossen des Angeklagten' (Band III ON 55 S 45 d. A).
Das Erstgericht wies diese Beweisanträge ab, weil der Sachverhalt bereits hinlänglich geklärt sei (Band III ON 55 S 46 d.A), und trug hiezu im Urteil als Begründung noch nach, daß ein Rauschzustand des Angeklagten zur Tatzeit auszuschließen sei, weil er auf die beiden Justizwachebeamten einen völlig normalen Eindruck gemacht habe und dies durch den Umstand, daß der Angeklagte, trotz der von ihm behaupteten Einnahme einer Überdosis von Medikamenten am Vorabend, in der Folge mehrere Stunden mit Mithäftlingen Karten spielte, gestützt werde (Band III/58 f).
Durch die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahmen wurden entgegen den Einwendungen der Verfahrensrüge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt.
Welche Medikamente dem Angeklagten zur Verfügung standen und welche toxische Wirkung diese haben konnten, ist an sich nicht entscheidend, weil aus der Verfügbarkeit bestimmter Medikamente für den Angeklagten sich noch nicht darauf schließen läßt, ob und welche Medikamente er tatsächlich zu sich nahm. Überdies hätte durch das beantragte pharmakologische Gutachten nur die Frage der toxischen Wirkung bestimmter Medikamente gewisser Mengen nicht aber jene der allein entscheidungswesentlichen allfälligen Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Täters infolge einer gegebenenfalls durch Medikamentenmißbrauch verursachten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung und der solcherart bewirkten Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 dritter Fall StGB) gelöst werden können.
Ob aber Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit bestehen und deshalb ein (nötigenfalls zwei) Sachverständige aus dem Gebiet der Medizin (nämlich der Psychiatrie) und nicht, wie der Angeklagte beantragt hatte, der Pharmakologie) beizuziehen gewesen wären (§ 134 StPO), war nicht davon abhängig, ob von irgendeiner Seite, insbesondere vom Angeklagten selbst, Zweifel ausgesprochen wurden, sondern einzig und allein davon, ob im Verfahren objektive Symptome, die bei gewissenhafter Prüfung die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit in Frage stellen könnten, hervorgekommen sind (vgl Mayerhofer/Rieder, E Nr 2 ff zu § 134, Nr 121 f zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO).
Solche objektive Momente hat das Erstgericht aber aber im Rahmen der auch insoweit geltenden freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO; vgl neuerlich Mayerhofer/
Rieder, E Nr 2 zu § 134 StPO) mängelfrei verneint.
Denn das von den Justizwachebeamten geschilderte Verhalten des Angeklagten der, nachdem er einen sogenannten Gesuchsbogen (auf dem die Häftlinge Gesuche und Beschwerden schreiben können) verlangt hatte und ihm ein solcher verweigert worden war, seine Zelle verließ, in Richtung des Wachkommandos ging, sich dann von dem ihn an der Hand erfassenden Justizwachebeamten C losriß, eine kampfbereite Haltung gegen diesen einnahm und schließlich während der nun folgenden Eskorte, bei welcher er jedoch frei gehen konnte, zielstrebig den neben ihm gehenden Justizwachebeamten B mit der Faust ins Gesicht schlug und dem Justizwachebeamten C einen Tritt in die Hoden zu versetzen trachtete, wobei er jedoch, weil dieser auswich, dessen Hand traf, schließt nach forensischer Erfahrung eine, Zurechnungsunfähigkeit bewirkende, tiefgreifende Bewußtseinsstörung im Sinne des Gesetzes aus, weshalb kein Anlaß zur Beiziehung eines (psychiatrischen) Sachverständigen bestand und auch die Frage, ob und welche Medikamente der Angeklagte tatsächlich zu sich genommen hatte, ohne jede Bedeutung war. Entgegen dem Beschwerdeeinwand haben sich auch aus den, dem Beschwerdevorbringen zufolge in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen, Aussagen von Mithäftlingen (ON 45, 46) Anhaltspunkte für eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung des Angeklagten nicht ergeben. Die, insoweit aber unpräzisen, Angaben dieser Mithäftlinge, die beide nicht Tatzeugen waren, betreffen nämlich nur den, vorliegend an sich noch nicht entscheidenden, Medikamentenkonsum sowie das Austrinken eines Fläschchens Zahnfleischtinktur durch den Angeklagten. Den Aussagen des Zeugen D nach hatte der Angeklagte mit diesem die Nacht über (bis 3.00 Uhr morgens; vgl Band II ON 44 S 989 f) Karten gespielt, ein Verhalten das das Erstgericht, der Beschwerdeansicht zuwider, mit Fug aber ebenfalls als Kontraindikation für einen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (auch) zur Tatzeit (etwa 7.30 Uhr; vgl Band II ON 44 S 993) werten konnte. Somit schlägt die Verfahrensrüge fehl.
Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO und zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO.
Die Beschwerdeausführungen unter diesem Nichtigkeitsgrund betreffen den Schuldspruch wegen Diebstahls Punkt B I 1), in welchem dem Angeklagten zur Last liegt, am 24. September 1980 in St. Margarethen in Gesellschaft zweier abgesondert verfolgter Beteiligter einen PKW im Werte von 15.000 Sfr durch Einsteigen über einen Zaun in einen Lagerplatz mit Bereicherungsvorsatz an sich gebracht zu haben. Auf die, an sich nicht gesetzmäßigen, weil lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zur Feststellung der Deliktsbegehung durch Einsteigen bekämpfenden, Ausführungen der Mängelrüge braucht indes nicht näher eingegangen werden, weil die rechtliche Annahme der Qualifikation des Diebstahls nach § 129 Z 1 StGB, welche, wie in der Beschwerde an sich zutreffend hervorgehoben wird, allein auf dem Faktum B I 1) des Schuldspruches beruht, verfehlt ist.
Aus den Aussagen des Beteiligten Harald E, auf welche das Erstgericht die Feststellung des Einsteigens stützt (Band II, S 868 und III, S 55 f), ergibt sich nämlich, daß der überstiegene Zaun nur etwa einen Meter hoch war. Nach Lage des Falles bedeutete das Übersteigen dieses Zaunes durch die ersichtlich körperlich gewandten Täter keine, eine gewisse Anstrengung und wesentliche Veränderung der gewÄhnlichen Körperhaltung erfordernde, Überwindung eines ins Gewicht fallenden Hindernisses, in der sich eine dem Einbruch vergleichbare Energie manifestiert hätte, wie dies die Qualifikationsnorm des Einsteigens nach § 129 Z 1 StGB aber voraussetzt (Leukauf-Steininger2, RN 12; Kienapfel BT II RZ 33 f, jeweils zu § 129 StGB).
Durch die irrige Annahme dieser Qualifikation ist sohin das Ersturteil in Ansehung des Diebstahlsschuldspruches mit Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs 1
StPO behaftet, die, weil sie sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, deshalb gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.
Es war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen, im übrigen gemäß § 288 Abs 2 Z 3
StPO in Verbindung mit § 290 Abs 1 StPO die zu Unrecht angenommene Qualifikation des schweren Diebstahls zum Verbrechen nach § 129 Z 1 StGB aus dem Schuldspruch auszuscheiden.
Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe konnte der Oberste Gerichtshof von den im wesentlichen vollständig und richtig angeführten Strafzumessungsgründen des Erstgerichtes ausgehen, zu welcher der Berufungswerber keine zusätzlichen mildernden Umstände darzutun vermag. Denn daß der Vorschlag zum Raubüberfall auf Roland F von Marcel G, der allein den Genannten persönlich kannte, herrührt, hat das Erstgericht ohnedies festgestellt (siehe III/56 d.A). Daß es aber zu dieser Tat einer besonderen Verleitung des Angeklagten im Sinne des behaupteten Milderungsgrundes bedurfte, ergibt sich weder aus den bindenden Feststellungen des Erstgerichtes, noch sonst aus der Aktenlage. Vielmehr hat der Angeklagte bei den Raubtaten und bei den Diebstählen eine durchaus aktive, zum Teil über jene der Mittäter hinausgehende Rolle gespielt (vgl III/55, 66 und 58 d.A), sodaß von einer untergeordneten Position bei Begehung der strafbaren Handlungen nicht die Rede sein kann.
Da die mehrfache Qualifikation des schweren Diebstahls zum Verbrechen überdies vom Erstgericht nicht gesondert als erschwerend berücksichtigt wurde, bedeutet die getroffene Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO auch nicht den Wegfall eines erschwerenden Umstandes, sodaß eine Strafe von dreieinhalb Jahren als schuld- und tätergerecht neuerlich zu verhängen war.
Mit seiner im übrigen gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390 a StPO.
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