OGH 12Os121/03

OGH12Os121/0315.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 24. Juni 2003, GZ 20 Hv 47/03f-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Thomas S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Juli 2002 in Haag Marlene St***** dadurch außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, dass er die Widerstrebende an den Händen festhaltend gegen eine Wand drückte, ihre Unterbekleidung bis zu den Knien herunterzerrte und ihr wiederholt einen Finger in die Scheide einführte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 3, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Zwar geht die Verfahrensrüge (Z 3) fehl, weil der allein relevierte Umstand, dass die Zeugin Marlene St***** in der Hauptverhandlung ohne vorangegangene kontradiktorische Vernehmung in (darüber hinaus insoweit durch das Protokoll über die Hauptverhandlung nicht gedeckt - S 101 bis 111) Abwesenheit des (angeblich) während der Abhörung der Zeugin aus dem Sitzungssaal abgetretenen Angeklagten vernommen wurde, weder gegen eine mit Nichtigkeit bewehrte, noch gegen eine sonstige Verfahrensvorschrift verstößt.

Die Mängelrüge (Z 5) zeigt hingegen zutreffend eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe auf:

Das Schöffengericht beurteilte die belastende Darstellung der Zeugin Marlene St***** unter anderem deshalb als glaubwürdig, weil sowohl ihre - damals beim Angeklagten als Kellnerin beschäftigte Mutter, die bei Anzeigeerstattung bereits eine Klage gegen den Angeklagten beim Arbeitsgericht eingebracht hatte, als auch ihre beste Freundin Alexandra L***** deponierten, dass sich das Mädchen ihnen im Juli 2002, am Tag nach der Tat anvertraute (US 5).

Zur mehrfach betonten, als uneingeschränkt beurteilten Verlässlichkeit der Angaben der letztgenannten Zeugin (US 8 ff) verwiesen die Tatrichter darauf, dass deren "derartige genaue Erinnerungen hinsichtlich der zeitlichen Einordnung eindeutig für die Richtigkeit dieser Aussage sprachen" (US 5).

Zutreffend releviert die Beschwerde dazu, dass sich die Tatrichter nicht mit der Deposition der Zeugin Alexandra L***** auseinandergesetzt haben, wonach sie zur Zeit der Tat "im Juli" Ferien hatte und im daran anschließenden August des Jahres 2001 ihre Lehre begann (S 127, 130).

Diese - von den dem Schuldspruch zugrundegelegten Opferbekundungen zur Tatzeit (Juli 2002) divergierende - durch das einprägsame Ereignis des Beginns der Lehre untermauerte Aussagepassage ist im Hinblick auf die wiedergegebene Begründung der Überzeugung des Schöffensenates von der Beweiskraft dieser Zeugenaussage, aber auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil der leugnende Angeklagte den belastenden Angaben des mutmaßlichen Tatopfers entgegensetzte, im Juli 2002 mit ihm gar nicht zusammengetroffen zu sein, sondern ausschließlich die Nacht zum 22. April 2002 zugleich mit ihr (aber nicht in ihrer Gesellschaft) in einem Haager Lokal verbracht zu haben und gegen sieben Uhr am Morgen des in Rede stehenden Tages auf dem Heimweg mit dem Mädchen bis zu seinem Lokal gegangen zu sein, wo er sich ohne Körperkontakt verabschiedet habe.

Da sich aus den Angaben der Zeugin L***** das - insoweit zu Recht gerügte - Begründungssubstrat aktenkonform nicht ableiten lässt, ist dem Schuldspruch in einem vom Erstgericht als maßgeblich erachteten Überlegungsbereich die Grundlage entzogen. Weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung sohin nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben (§ 285e StPO) und erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) aber auch der - konstatierte Tatkomponenten prozessordnungswidrig vernachlässigenden - Rechtsrüge (Z 9 lit a). Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Kassierung des angefochtenen Urteils zu verweisen.

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