Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dervis A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 30.April 1984 in Wien den Richter des Landesgerichtes Innsbruck Dr. Ludwig B dadurch der Gefahr einer behördlichen
Verfolgung ausgesetzt hat, daß er beim Journalstaatsanwalt Anzeige erstattete und behauptete, er habe den Arbeitsgerichtsprozeß AZ. Cr 242/78 des Arbeitsgerichtes Innsbruck gegen seine frühere Dienstgeberin, der Firma C, nur deshalb verloren, weil Richter Dr. B von der Firma C ein Auto geschenkt bekommen
habe, mithin Dr. Ludwig B einer von Amts wegen zu
verfolgenden, mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. falsch verdächtigt, wobei er wußte, daß diese Verdächtigung falsch war.
Nach den wesentlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ist der Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger, seit 1972 in Österreich tätig. Zwei Klagen, die er beim Arbeitsgericht Innsbruck - Vorsitzender war der Richter Dr. Ludwig B - gegen seinen früheren Dienstgeber, die Firma C, einbrachte, wurden abgewiesen. Am 30.April 1984 erstattete er beim Journalstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien Dr. Friedrich D trotz wiederholter und eingehender Rechtsbelehrung Anzeige gegen Dr. B. Auch nach Rechtsbelehrung führte er an, daß dieser Richter von der Firma C für die Klagsabweisung ein Auto geschenkt bzw. Geld für ein solches erhalten hatte. Er blieb auch in der Hauptverhandlung bei seinen Angaben und verantwortete sich dahin, daß er gehört habe, daß ein Meister der Firma C namens 'TRINDL' (oder 'TRINGIL', bzw. 'TRINDIL') vorgeschlagen hätte, das Geld, welches man ihm nicht gab, dem Richter zu geben. Er sei sicher, daß der Richter bestochen war; nähere Gründe dafür konnte er jedoch nicht nennen. Der Angeklagte hat bewußt wahrheitswidrig Dr. B einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung, nämlich des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt geziehen, mit dem Vorsatz, den Richter der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen.
Der Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufung angefochten.
Mit erstgenanntem Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, daß seinem Antrag, den Meister der Firma C namens 'TRINGIL' darüber zu vernehmen, daß dieser Zeuge vorgeschlagen habe, das Geld, das dem Angeklagten vorenthalten wurde, dem Richter zu geben, nicht Folge gegeben wurde.
Der Angeklagte hat seinen in der Hauptverhandlung am 21. November 1984 (S. 63) gestellten Antrag auf Vernehmung des Meisters 'TRINDIL' (und fünf weiterer, namentlich nicht genannter Zeugen) in der am 15.April 1985 gemäß § 276 a StPO. neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht wiederholt (ON. 26 insbes. S. 100), sodaß schon aus diesem Grund die formellen Voraussetzungen des angerufenen Nichtigkeitsgrundes, nämlich die Stellung eines Antrages des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung, nicht vorliegen (Mayerhofer-Rieder 2 § 281 Z. 4 StPO. 30-32 und § 276 a StPO. E. 5 und 6), die Verfahrensrüge somit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. macht der Beschwerdeführer geltend, die Urteilsfeststellung, er sei bei der Anzeigeerstattung von Staatsanwalt Dr. Friedrich D ausreichend über die Tragweite und die rechtlichen Folgen seiner Anzeige gegen einen Richter, Bestechungsgelder angenommen zu haben, belehrt worden, sei unzureichend begründet, weil sich das Erstgericht nicht damit auseinandersetze, warum der Angeklagte, obwohl der deutschen Sprache nicht mächtig, die Belehrung ohne Beiziehung eines Dolmetschers der türkischen Sprache verstanden haben soll.
Das Schöffengericht hat als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte aus freiem Entschluß bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige gegen den Vorsitzenden des Arbeitsgerichtes Innsbruck Dr. B, Bestechungsgelder angenommen zu haben, bewußt wahrheitswidrig erstattete. Daß der Inhalt der Anzeige wegen Sprachschwierigkeiten vom Staatsanwalt mißverstanden worden sei, wurde vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Ob aber der Angeklagte die Belehrung über die Tragweite und die Rechtsfolgen einer solchen Anzeige verstanden hat, ist nicht von Bedeutung. Es genügt, und das hat das Erstgericht unangefochten festgestellt, daß der Vorsatz des Angeklagten in bezug auf die angedichtete Straftat den konkreten Unrechtssachverhalt, der dem dem Verleumdeten zur Last gelegten Deliktstypus und seinen Modalitäten entspricht, mit allen seinen strafrechtlich relevanten Einzelheiten umfaßt. Hingegen ist die Kenntnis davon, daß die fälschlich angelastete Tat mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, nicht notwendig; es genügt auch hier, daß der Täter jene Tatumstände kennt, die die strengere Bestrafung des Verleumdeten nach sich ziehen können (Leukauf-Steininger Komm. 2 § 297 RN. 13). Unerheblich ist auch, ob dem Angeklagten bekannt war, welche rechtliche Folgen die Verleumdung für ihn selbst haben kann, insbesonders welche Strafe auf dieses Verbrechen angedroht ist. Die Urteilsannahme, daß der Angeklagte ferner mit dem Vorsatz gehandelt hat, den Richter der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, wird von der Beschwerde keineswegs bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Ob der Inhalt der vom Staatsanwalt dem Angeklagten erteilten Rechtsbelehrung von diesem voll verstanden wurde, betrifft somit keine entscheidende Tatsache im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., sodaß das Schöffengericht nicht verpflichtet war, sich mit dieser Frage näher auseinanderzusetzen. Das Beschwerdevorbringen, von einem bewußten längeren Aufrechterhalten des strafbaren Tatbestandes könne nicht ausgegangen werden, bezieht sich nur auf das Vorliegen eines (vom Erstgericht angenommenen) Erschwerungsgrundes, somit auf die dem richterlichen Ermessen unterliegende Straffrage, sodaß insoweit kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird.
Die zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. bereits in einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
In sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO. waren die Akten dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten.
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