Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre erhöht.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Jänner 1946 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Günther A (neben anderer Straftaten) zu Punkt I./ des Schuldspruchs - abweichend von der insoweit auf das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB lautenden Anklage - des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil er am 6. März 1981 in Salzburg dadurch, daß er aus einer Pistole Marke Sig-Sauer, Kaliber 9 mm, aus cirka 4 m Entfernung einen Schuß gegen die Beine des im Dienst befindlichen Polizeibeamten Josef B, der im Begriffe war, ihn anzuhalten, abgab, den Genannten durch einen Schußtrümmerbruch des rechten Oberschenkels schwer verletzt hat.
Während der Angeklagte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtete, bekämpft die Staatsanwaltschaft diesen Teil des Schuldspruchs (Punkt I./) mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie im Sinne der Anklage die Beurteilung der betreffenden Tat als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
In der Mängelrüge macht die Staatsanwaltschaft aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund zunächst Aktenwidrigkeit geltend, weil die Feststellung des Erstgerichtes, 'A hatte die Waffe zu Boden gerichtet, der am Tatort einen Asphaltbelag aufwies' (S 348 d.A), den Eindruck erwecke, als sei die Waffe im Augenblick der Abgabe des Schusses zu Boden gerichtet gewesen, was in den Angaben des Angeklagten keine Deckung finde.
Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes läge jedoch nur vor, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine gerichtliche Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht. Vom Erstgericht ist aber keineswegs die Verantwortung des Angeklagten (unrichtig) wiedergegeben, sondern eine Feststellung über den als erwiesen angenommenen Ablauf der Ereignisse getroffen worden, die sich im übrigen als (denkmögliche) Schlußfolgerung aus den Angaben des Angeklagten darstellt, wonach er zuerst 'in den Boden treffen' (S 309 d.A), dem Anderen 'vor die Füße ballern' (S 308 d.A) habe wollen. Davon abgesehen betrifft diese Feststellung keine entscheidende Tatsache, denn sie schildert lediglich die Situation vor Abgabe des Schusses durch den Angeklagten, was schon durch die (sprachliche) Verwendung der Vorvergangenheit gegenüber der Mitvergangenheit im folgenden Satz in bezug auf den Schuß selbst deutlich gemacht wird (S 348 d.A). Hingegen ist den Urteilskonstatierungen nicht zu entnehmen - was auch weder aus der Verantwortung des Angeklagten noch aus den sonstigen Verfahrensergebnissen (Spuren am Tatort) abzuleiten gewesen wäre -, daß der Angeklagte den Schuß tatsächlich gegen den Boden abgegeben hat und der Kriminalbeamte etwa durch das von dort abprallende Geschoß verletzt wurde. Die Verantwortung des Angeklagten ging, was auch die Anklagebehörde einräumt, dahin, daß es unter dem Eindruck der von ihm behaupteten Handbewegung seines Gegenübers zur Waffe in Abänderung seines ursprünglichen Planes, nur einen Schreckschuß abzugeben, 'bei ihm ausgesetzt habe' und er reflexartig einen Schuß abgegeben habe, ohne zu denken (S 309, 312 d. A).
Ersichtlich nur hilfsweise hielt das Erstgericht in diesem Zusammenhang fest, der Zeuge B hätte auch von einem vor seine Füße abgegebenen Schuß durch dessen Abprall vom Asphaltstraßenbelag schwer verletzt werden können, womit dargetan werden sollte, daß ein Schuldspruch auch unter Zugrundelegung dieser Verantwortung des Angeklagten gerechtfertigt gewesen wäre (S 357 d.A). Als unzutreffend erweist sich daher auch das weitere Beschwerdevorbringen, die Entscheidungsgründe seien deshalb mit sich im Widerspruch, weil die Annahme eines Schusses vor die Füße des Zeugen B mit der (weiteren) Feststellung eines gezielten Schusses gegen seine Beine (S 349 d.A) unvereinbar sei. Denn dem angefochtenen Urteil läßt sich, wie gesagt, die Konstatierung eines nicht gegen den Kriminalbeamten selbst, sondern nur vor dessen Füße abgegebenen Schusses nicht entnehmen.
Schließlich erachtet die Anklagebehörde den Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen insofern für unvollständig, als nicht festgestellt worden sei, daß der Zeuge B seinen Mantel offen trug, sodaß der Angeklagte dessen Pistolenhalfter sehen konnte; zur Feststellung der subjektiven Tatseite sei entscheidend, ob der Angeklagte die Bewaffnung des ihm gegenüberstehenden Mannes erkannt hat oder nicht.
Dem Ersturteil ist aber ohnehin deutlich zu entnehmen, daß der Angeklagte sein Gegenüber als Kriminalbeamten erkannt hat, mit dessen Bewaffnung er daher füglich rechnen konnte, und es geht das Erstgericht auch davon aus, daß der Angeklagte die Bewaffnung des Zeugen B einkalkuliert hat, zumal er sich mit einer Bewegung des Beamten zu seiner Waffe hin verantwortet, welcher Darstellung allerdings vom Schöffensenat der Glauben versagt wurde. Die Beschwerdeführerin vermag somit insgesamt formelle Begründungsmängel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes in bezug auf den Ausspruch, daß es dem Angeklagten bei Abgabe des Schusses nicht geradezu darauf angekommen ist (§ 5 Abs 2 StGB), den Zeugen B schwer zu verletzen, nicht darzutun. Daß das Schöffengericht jenen (von ihm ausdrücklich festgestellten und daher in den Kreis seiner Erwägungen einbezogenen) belastenden Umständen, die auch den Schluß auf eine absichtliche schwere Körperverletzung zugelassen hätten, nicht gefolgt ist und letztlich ein absichtliches Handeln negiert hat, stellt einen Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) dar, der im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden kann. Daß die Beweisführung logisch zwingend und die aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlußfolgerungen denkgesetzlich die einzig möglichen sein müssen, wird vom Gesetz nicht gefordert; genug daran, daß die für die überzeugung des Gerichts maßgebenden Schlüsse als solche mit den Denkgesetzen in Einklang stehen und auf im Beweisverfahren gedeckten Prämissen beruhen.
In ihrer Rechtsrüge versucht die Staatsanwaltschaft, gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1
StPO, darzutun, daß vorliegend Idealkonkurrenz zwischen den Tatbeständen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 4 StGB und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB nicht möglich sei, weil im konkreten Fall die für § 269 Abs 1 StGB angenommene Begehungsform der Gewalt gegen einen bewaffneten Beamten nur in der Absicht, diesen schwer zu verletzen, habe geübt werden können; nur so hätte nämlich der Täter sein Ziel, seine Festnahme zu verhindern und zu flüchten, sicher erreichen können.
Soweit die Staatsanwaltschaft damit zugunsten des Angeklagten dessen Schuldspruch wegen § 269 Abs 1 StGB laut Punkt VI/ des Urteilssatzes zu bekämpfen und die Ausschaltung dieses Schuldspruches aus dem Urteil anzustreben scheint - welcher Annahme allerdings der ausdrückliche Rechtsmittelantrag 'hinsichtich des Vorwurfes der Körperverletzung auf Schuldspruch im Sinne des § 87 Abs 1 StGB' nicht gerecht wird - so liegt ihrer Argumentation der Rechtsirrtum zugrunde, daß zur Verwirklichung eines Tatbestandes nur Begehungsformen in Betracht kommen, die sicher zum angestrebten Erfolg führen, was im übrigen zur Folge hätte, daß ein Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen des Deliktes nach § 269 Abs 1 StGB die Annahme seines Tötungsvorsatzes voraussetzen würde, da ja selbst eine schwere Verletzung des Beamten diesen, wie vorliegend ersichtlich, noch nicht sicher aktionsunfähig machen muß. Von einem solchen Erfordernis zur Tatbestandsverwirklichung kann aber keine Rede sein.
Sind die Beschwerdeausführungen aber dahin zu verstehen, daß in bezug auf den subjektiven Tatbestand der inkriminierten Körperverletzung eingewendet wird, der andererseits festgestellte Vorsatz, eine Amtshandlung mit Gewalt zu hindern, müsse (rechtlich) zur Annahme der Absichtlichkeit hinsichtlich der Zufügung einer schweren Körperverletzung (im Sinne des § 87 Abs 1 StGB) führen, so wird insoweit Tatsächliches mit Rechtlichem (unzulässig) vermengt und die Tatsachenfeststellung zur subjektiven Tatseite der Körperverletzung negiert. Ein Rechtsirrtum in Ansehung des subjektiven Tatbestands der Körperverletzung wird damit jedenfalls nicht aufgezeigt.
Soweit das bezügliche Vorbringen (erneut) den Vorwurf eines Begründungsmangels dahin erkennen läßt, daß die Konstatierungen des Erstgerichtes zur subjektiven Tatseite in den Fakten Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt nach den Denkgesetzen miteinander unvereinbar seien, genügt es, darauf zu verweisen, daß der Tatbestand des § 269 Abs 1 StGB - auf den konkreten Fall bezogen - durch jede vorsätzliche, gegen einen Beamten geübte Gewalt erfüllt ist, mit der nach der Vorstellung des Täters die Amtshandlung gehindert werden kann, ohne daß geradezu überwältigung oder Herbeiführung der Kampfunfähigkeit des Beamten vorausgesetzt wird.
Gegen die Annahme einer Idealkonkurrenz zwischen den beiden in Rede stehenden Tatbeständen (§ 83 Abs 1, 84
Abs 2 Z 4; 269 Abs 1 StGB) bestehen daher in rechtlicher Beziehung keine Bedenken (vgl EvBl 1976/45 und 120), und es sind die zum Vorsatz des Angeklagten in beiden Fakten getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes durchaus denkrichtig und miteinander vereinbar. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, die überaus schweren Verletzungsfolgen beim Zeugen B und die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen das Teilgeständnis und die Sicherstellung des Fahrrades an. Die Berufung der Staatsanwaltschaft, welche eine Straferhöhung begehrt, ist im Ergebnis begründet.
Zu den vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsumständen kommt noch die zweifache Qualifikation nach § 84 StGB (schwere Verletzung und Begehung der Tat an einem Beamten) hinzu. Da im übrigen den Milderungsgründen nur geringes Gewicht beizumessen ist, der bedenkenlose Gebrauch einer Schußwaffe aber auch eine gleichgültige, wenn nicht ablehnende Einstellung des Täters gegenüber dem rechtlich geschützten Wert des Lebens und damit ein hohes Maß an Schuld erkennen läßt, erscheint nach Lage des Falles bei dem beträchtlichen überwiegen der Erschwerungsgründe die Erhöhung der Strafe auf das im Spruch angeführte Ausmaß geboten und notwendig, um dem vollen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat gerecht zu werden. Es war daher wie im Spruche zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO
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