Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried D***** der Verbrechen
(1) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und (2) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB "jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. 1. 1974" schuldig erkannt. Demnach wird ihm zur Last gelegt, "zu nicht näher bekannten Zeitpunkten in den Jahren 1986 bis 1989 in Geistthal, Bezirk Voitsberg (1) mit der am 26. 5. 1976 geborenen, unmündigen Martina S***** in zumindest fünf Übergriffen den außerehelichen Beischlaf unternommen, (2) die zu 1 genannte unmündige Martina S***** auf andere Weise als durch Beischlaf in zumindest 25 Übergriffen zur Unzucht missbraucht" zu haben, "indem er seine Finger in ihre Scheidenöffnung und ihren After einführte, sie an der Scheide leckte, sein Geschlechtsteil Martina S***** in den Mund steckte und sie aufforderte, ihn oral zu befriedigen, was diese auch tat". Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg festzuhalten ist zunächst, dass nach der laut BGBl I 1998/153 mit Wirksamkeit ab 1. Oktober 1998 normierten Bestimmung des § 58 Abs 3 Z 3 StGB die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit des Verletzten einer strafbaren Handlung nach §§ 201, 202, 205, 206, 207, 212 oder 213 StGB in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, wobei diese Regelung auch auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Straftaten anzuwenden ist, wenn deren Strafbarkeit im Zeitpunkt des Geltungsbeginns der neuen Bestimmung noch nicht erloschen ist. Aus der Sicht dieser ab 1. Oktober 1998 geänderten Rechtslage liegt es daher auf der Hand, dass der zeitlichen Zuordnung der letzten Wiederholung einer Tathandlung, deren Strafbarkeit - wie hier aktuell - nach Ablauf einer zehnjährigen Verjährungsfrist erlischt, insbesondere dann für den Verfahrensausgang maßgebende Entscheidungsrelevanz zukommt, wenn widerstreitende Verfahrensergebnisse einerseits das Jahr 1988, andererseits das Folgejahr als jenen Zeitraum nahelegen, in dem sich der für den Beginn der Verjährungsfrist auschlaggebende letzte Deliktsakt ereignete. Richtig ist, dass bei der hier in Rede stehenden Fallkonstellation eine Zuordnung des Deliktsabschlusses in das Jahr 1989 im Hinblick auf die mit 26. Mai 1995 eingetretene Großjährigkeit des Tatopfers nach neuer Rechtslage im Sinn der erstgerichtlichen Erwägungen wirksame Tatverjährung ausschließt, während ein allenfalls vor Oktober 1988 gelegenes Tatende verjährungsbedingtes Erlöschen in der Strafbarkeit nach sich gezogen hätte. Vor dem Hintergrund gerade dieser exzeptionell sensiblen zeitlichen Konstellation wäre das Erstgericht aber - wie im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) zutreffend geltend gemacht wird - verhalten gewesen, die dazu divergierenden Verfahrensergebnisse eingehend und vollständig zu würdigen. Der Beschwerdeführer ist demnach im Recht, wenn er das stillschweigende Übergehen der Aussage seiner geschiedenen Ehegattin Margit D*****, wonach sie und ihr damaliger Ehegatte, der Angeklagte Siegfried D*****, bereits "Mitte 1988" das (als Tatort nach Lage des Falles allein in Betracht kommende) mütterliche Anwesen in Geistthal verlassen hätten, als wesentlichen Begründungsmangel der zeitlichen Eingrenzung des Tatzeitraums laut bekämpftem Schuldspruch geltend macht. Wenn in den Urteilsgründen im Anschluss an die Würdigung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen Andreas H***** ausgeführt wird "... Die übrigen Zeugen, alle mit dem Angeklagten verwandt, haben durch ihre Aussagen durchwegs versucht den Angeklagten zu entlasten; ihre Aussagen sind im Lichte der eindeutigen Behandlungen der Martina S***** jedoch als Schutzbehauptungen zu werten ...", so stellt dies keinen tauglichen Ersatz für jene konkrete Auseinandersetzung mit den (der tatrichterlichen Eingrenzung des Tatzeitraums widerstreitenden) Angaben der - im Übrigen als geschiedene Ehegattin mit dem Angeklagten nicht "verwandten" - Zeugin Margit D***** dar, zu der das erkennende Gericht nach Lage des Falles in Entsprechung seiner auf § 270 Abs 2 Z 5 StPO beruhenden Begründungspflicht verhalten war. Ohne dass es eines Eingehens auf weitere Beschwerdeeinwände bedarf, zeigt sich sohin bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die vom Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde, dass das angefochtene Urteil mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO behaftet ist, eine (verfahrensfinalisierende) Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst vorliegend nicht in Betracht kommt und demgemäß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und mit Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen war.
Im zweiten Rechtsgang wird neben der Frage, ob die Verfahrensergebnisse eine hinreichend sichere Zuordnung der zeitlich letzten der hier inkriminierten Tathandlungen zum Auszug des damaligen Ehepaares D***** aus dem Anwesen in Geistthal mit hinreichender Gewissheit zulassen, zur Datierung dieses Auszuges insbesondere auch zu klären sein, ob sich der sicherheitsbehördliche Erhebungsbericht vom 27. April 2000 (ON 8) hinsichtlich der dort bezogenen Übersiedlungen auf die amtlichen Meldedaten oder zusätzliche Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung der tatsächlichen Vorgänge stützt bzw ob nach Lage des Falles eine im gegebenen Zusammenhang relevante Verzögerung bei der amtlichen Meldung des allenfalls früher erfolgten Umzugs in Betracht kommt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)