Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Annemarie S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Annemarie S*****, die sich während der im oben bezeichneten Verfahren (ua) gegen sie seit 29.Juni 1989 anhängigen Voruntersuchung (ON 147) zu Beginn des Jahres 1995 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitbeschuldigten Dr.Bernd Sch*****, nach Panama begeben und sich dort verborgen gehalten hatte, wurde auf Grund eines am 12.Mai 1995 erlassenen internationalen Haftbefehles (ON 5474) am 2.Juni 1995 in Amsterdam verhaftet und - nach ihrer Überstellung - am 13.Juni 1995 festgenommen (ON 5584).
Mit Beschluß vom 14.Juni 1995 verhängte die Untersuchungsrichterin über die Beschuldigte wegen des dringenden Verdachtes der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 (Abs 1 und Abs 2) StGB, des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der Untreue nach § 153 (Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall) StGB sowie des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 (Abs 1 Z 1 und 2) StGB, (teilweise) begangen als Beteiligte nach § 12 (zweiter und dritter Fall) StGB aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) die Untersuchungshaft (ON 5586), die in der Folge - zuletzt mit Beschluß vom 4.Juli 1995 - bis längstens 4.August 1995 (richtig: 4.September 1995) fortgesetzt wurde (ON 5669).
Der dagegen gerichteten Beschwerde der Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Linz unter Verlängerung der Haftfrist bis 28. September 1995 mit Entscheidung vom 28.Juli 1995, AZ 7 Bs 238,239/95 (ON 5724) im wesentlichen mit der Begründung nicht Folge, daß Annemarie S***** auf Grund der bisherigen Untersuchungsergebnisse dringend verdächtig sei, als Prokuristin der Firma "W*****" Gemeinnützige Wohnungs- und SiedlungsAG (kurz: WEB Gem.) und Geschäftsführerin mehrerer Konzernfirmen ihre Befugnisse, über fremdes Vermögen zu verfügen und andere zu verpflichten, durch Mitwirkung an dem von den Konzernmanagern, namentlich Dr.Bernd Sch*****, seit Jahren systematisch verfolgten ruinösen, eine bewußte Gläubigerschädigung durch Untreueakte vielfältiger Art miteinschließenden Wirtschaftskonzept des Gesamtkonzerns (im Sinne der mittlerweile gegen mehrere Beschuldigte eingebrachten Anklageschrift, ON 5748) wissentlich mißbraucht, dadurch den Gläubigerschaden (von insgesamt mehr als 2 Milliarden S) jedenfalls in einem 500.000 S bei weitem übersteigenden Ausmaß - unter anderem durch strafrechtlich faßbare Beteiligung an der Verpfändung eines Sparbuches mit einer Einlage von 2,2 Mio S zum Nachteil der Firma B***** GesmbH im August 1987 - mitverschuldet und somit das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB zumindest als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB begangen zu haben.
Angesichts des Gewichtes dieses - eine Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren aktualisierenden - Tatvorwurfes sah der Gerichtshof zweiter Instanz im Hinblick auf die aktenkundige Tatsache, daß sich die Beschuldigte trotz Kenntnis der gegen sie anhängigen Voruntersuchung mit ihrem Lebensgefährten Dr.Bernd Sch***** in Panama verborgen gehalten (ON 5428) und sich allein auf Grund dessen Abschiebung zu einer Rückkehr nach Österreich entschlossen hatte, den Haftgrund der Fluchtgefahr als gegeben an und verneinte die Substituierbarkeit der Haft - insbesondere durch Leistung einer durch die Beschuldigte angebotenen Kaution von 1 Mio S - ebenso wie die Unangemessenheit der bisherigen Haftdauer.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die in der angefochtenen Entscheidung zur Untermauerung des dringenden Tatverdachtes ins Treffen geführten Gründe (ON 5724, S 3-7) erweisen sich nach der derzeitigen Aktenlage (unter Berücksichtigung der mittlerweile gegen mehrere Mitbeschuldigte eingebrachten Anklageschrift, ON 5748) als durchaus tragfähig. Sie werden durch keinen der dagegen vorgebrachten Einwände in Frage gestellt.
Dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin gesellschaftsrechtliche Funktionen zunächst (nämlich ab Mitte 1986) nur in der WEB Gem. und in der Folge im sogenannten freifinanzierten Konzernbereich bekleidete (siehe hiezu S 399-401 iVm S 439, Band 124) und diese Unternehmen mit dem (hauptsächlich schadensbetroffenen) Anlagebereich des Konzerns in keiner unmittelbaren Beziehung standen, kommt angesichts der wirtschaftlich und rechtlichen Einbindung (auch) dieser Gesellschaften in den Gesamtkonzern im Wege der Firma Unternehmensgruppe W***** GmbH ("UG"), welche den Anlegern gegenüber zudem als Hauptgarantiegeber auftrat (S 437 f, Band 121), und den im Jahr 1985 abgeschlossenen Holdingvertrag (siehe S 241 f, insbesondere S 291 f, 303 f, 313 f, Band 121; sowie Anklageschrift S 28 f) keine Bedeutung zu. Der weitere Einwand, die WEB Gem. habe nicht zum Haftungsstock der Anleger gehört, kann als aktenwidrig auf sich beruhen (S 437 f, insbesondere S 455, Band 121).
Inwieweit die zahlreichen Zeichnungsberechtigungen der Beschwerdeführerin (siehe S 439, Band 124), namentlich jene im Rahmen der "Serie 20", den dringenden Tatverdacht erschüttern sollten, ist nicht erkennbar; dies umsoweniger, als die wirtschaftliche Gestion innerhalb der sogenannten Verlustserien, zu welchen das angeführte Unternehmen zählt, insgesamt bedenklich war (S 479 f, Band 121) und die "Serie 20" zudem im November 1988 weitgehend den Konzernbereich Touristik übernommen hatte (S 119 f, Band 122), welchen die Beschuldigte selbst - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten - als "extrem mittelverschlingend" bezeichnete (ON 5685, S 338).
Ein (ua) aus den gesellschaftsrechtlichen Funktionen abzuleitender zwingender Schluß auf die generelle Einbindung der Beschwerdeführerin in die Konzernstrategie und die mit dieser übereinstimmende Wahrnehmung ihrer geschäftlichen Leitungsbefugnisse, ist entgegen den Beschwerdeausführungen im gegebenen Zusammenhang nicht erforderlich. Für die erhöhte Wahrscheinlichkeit dieser Annahmen bieten allerdings nicht nur diese Funktionen, der Umfang der Zeichnungsberechtigungen, die langjährige Tätigkeit im Rahmen der WEB Gem. (wenn auch seit 1978 zunächst als Sekretärin des Dr.Sch*****), das seit vielen Jahren bestehende persönliche Naheverhältnis zu diesem führenden Konzernmanager und die Aussagen der Mitbeschuldigten (ON 30, 41, 70, 71 sowie S 365, Band 124) eine tragfähige Basis, sondern nicht zuletzt auch die Behauptungen der Beschuldigten selbst, wonach die Erteilung der Prokura für die WEB Gem. und die mehrfachen Geschäftsführerbestellungen in anderen Unternehmen von Dr.Sch***** allein auf Grund des zu ihr bestehenden Vertrauensverhältnisses angeordnet worden seien, sie "reine Platzhalterin" für ihn gewesen sei und lediglich seine Weisungen befolgt habe (ON 5685). Soweit die Beschwerde die Aussagen der Mitbeschuldigten als unrichtig bzw übertrieben bezeichnet, ist dies als reine Frage der Beweiswürdigung einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entzogen.
Am dringenden Tatverdacht ändert auch der Umstand nichts, daß die Beschwerdeführerin vom Sachverständigenteam im Rahmen der Verantwortungsebenen als eher untergeordnet eingestuft (S 347, Band 121), die Firmenvielzahl den Gutachtern zufolge zunehmend unüberschaubar und die WEB Gem. in die Verrechnungsräder nicht wesentlich (vgl 235, Band 122) eingebunden wurde. Die Behauptung, Dr.Sch***** habe seit 1984 auf den Anlagebereich (überhaupt) nicht Einfluß genommen, widerspricht der Aktenlage (S 313, 315, Band 121). Daß der Beschuldigten eine - formelle - wirtschaftliche Vertretungsmacht innerhalb des Konzerns erst zu einem relativ späten Zeitpunkt (ab Juli 1986) übertragen worden war, vermag die daran geknüpfte Behauptung mangelnder (weiterer) Schadensherbeiführung nicht zu tragen, zumal der Gläubigerschaden bis Mitte 1989 (siehe ON 5748) kontinuierlich anstieg und schließlich zu einer Serie von Konkurseröffnungen führte (S 441 f, Band 122).
Auch was den Vorwurf einer Tatbeteiligung an der vorsätzlichen Schädigung der Firma B***** GesmbH durch Verpfändung eines dieser gehörenden Sparbuches im Wert von 2,2 Mio S betrifft, vermögen die Beschwerdeausführungen, die sich überdies an falschen rechtlichen Voraussetzungen orientieren, die Dringlichkeit der Verdachtslage nicht zu entkräften:
Der Einwand, es habe sich (formell) gar nicht um ein Sparbuch der Firma B***** GesmbH, sondern um ein Überbringersparbuch gehandelt, ist angesichts der - von der Beschwerde auch gar nicht in Zweifel gezogenen - Tatsache, daß der auf dem Sparbuch erliegende Geldbetrag jedenfalls aus dem Vermögen dieser Kapitalgesellschaft stammte und in deren Eigentum stand (S 167, Band 138), im gegebenen Zusammenhang unschlüssig.
Daß Dr.Sch*****, welcher die Ausfolgung des Sparbuches an Katharina R***** - insoweit auf höchster Konzernebene - angeordnet haben soll (S 219, 221, Band 138), formell nicht Geschäftsführer der Firma B***** GesmbH war, kann im Hinblick auf die ihm auf Grund des Holdingvertrages - wenn auch teilweise nur mündlich - eingeräumte rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht über den gesamten Konzernbereich als rechtlich bedeutungslos (Leukauf-Steininger Komm3 § 153 RN 12) dahingestellt bleiben. Der Einwand, es sei der Firma B***** GesmbH letztlich deshalb kein Schaden entstanden, weil Josef R***** (ein "Fischerfreund" des Dr.Sch*****; ON 5685, S 12) im Rahmen der von ihm bzw seiner Ehegattin vertretenen Firma A*****-Aushub-Kies- und SandverwertungsGesmbH den Kredit, dessen Besicherung dieses Sparbuch dienen sollte, ohnehin zurückbezahlt habe, geht ins Leere, weil der objektive Tatbestand der Untreue keinen dauernden Schaden erfordert, weshalb auch eine bloß vorübergehende Verpfändung eines Sparbuches zur Deliktsverwirklichung genügen kann (Leukauf-Steininger aaO RN 28).
Die auf Grund der konkreten Modalitäten dieses (unter anderem mit Falschbuchungen verbundenen - S 166 f, Band 138) Kapitaltransfers naheliegende Annahme, daß für die Beschwerdeführerin bei Übergabe des Sparbuches an Katharina R***** der fehlende Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich der Firma B***** GesmbH und damit deren Schädigung klar erkennbar war, wird schließlich auch durch den Beschwerdehinweis auf die den Wissensstand der Beschuldigten nicht tangierende Aussage der Zeugin Katharina R***** nicht in Frage gestellt.
Insgesamt vermag die Beschuldigte somit keine dem dringenden Tatverdacht entgegenstehende und solcherart in der angefochtenen Entscheidung erörterungsbedürftige Beweisergebnisse aufzuzeigen.
Unbedenklich und schlüssig begründete das Oberlandesgericht aber auch den Haftgrund der Fluchtgefahr und dessen - zum damaligen Zeitpunkt - mangelnde Substituierbarkeit durch gelindere Mittel (ON 5724, S 7 f). Der Beschwerdeargumentation, die Aufenthaltnahme in Panama "sei keiner Eigeninitiative entsprungen", habe ausschließlich der Begleitung des dorthin geflüchteten Mitbeschuldigten Dr.Sch***** gedient und sei deshalb nicht als Flucht zu werten, kann nicht gefolgt werden, hat sich die Beschwerdeführerin mit dieser Vorgangsweise doch zwangsläufig und bewußt auch der strafrechtlichen Verfolgung ihrer eigenen Person entzogen. Der weitere Einwand, es gelte die Unschuldsvermutung und der Beschuldigten stehe trotz der gegen sie anhängigen Voruntersuchung das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Freizügigkeit des Aufenthaltes zu, vermag auf der Basis der Aktenlage den angenommenen Haftgrund ebensowenig zu entkräften wie die Behauptung, mit der Verhaftung des Dr.Sch***** sei jeder Fluchtanreiz für die Beschwerdeführerin weggefallen, überdies wäre die Beschuldigte ohnehin (irgendwann) nach Österreich zurückgekehrt. Die Behauptung, weder Dr.Sch*****, noch die Beschuldigte hätten ihren Aufenthaltsort verschwiegen, ist aktenwidrig (ON 5428).
Daß Annemarie S***** mittlerweile - nach (tatsächlicher) Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse - (ua) gegen Erlag einer nunmehr in Höhe von 2 Mio S angebotenen Kaution enthaftet wurde, nachdem sie überdies die Redlichkeit dieser Mittel nachgewiesen hatte, ändert schließlich an der Richtigkeit jener Erwägungen nichts, mit welchen das Oberlandesgericht die Substituierbarkeit der Haft zum damaligen Zeitpunkt verneinte.
Unter Bedachtnahme auf das Gewicht des Tatvorwurfes versagt die Beschwerde aber auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 193 Abs 2 StPO), zumal - ihrem Standpunkt zuwider - derzeit weder aus spezial- noch generalpräventiver Sicht mit einigermaßen objektiv begründbarer Wahrscheinlichkeit eine (gänzlich) bedingte Strafnachsicht erwartet werden kann. Dies umsoweniger, als gegen die Beschuldigte zum Aktenzeichen 26 Vr 367/91 des Landesgerichtes Salzburg im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen im Rahmen der Firma WEB Gem. ein weiteres Strafverfahren anhängig ist.
Mangels einer Grundrechtsverletzung war die Beschwerde mithin - ohne den beantragten Kostenzuspruch - abzuweisen.
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