OGH 12Os113/10z

OGH12Os113/10z25.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Helmut K*****, Michael W*****, Gabriel S***** und Herbert D***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Jugendschöffengericht vom 20. Mai 2010, GZ 9 Hv 32/10d-44, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Helmut K*****, Michael W***** und Herbert D***** gegen die Beschlüsse gemäß §§ 50 Abs 1, 51 und 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert D***** wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen D./a./ und D./b./, demzufolge auch in den den Angeklagten Herbert D***** betreffenden Aussprüchen über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche sowie demzufolge der Beschluss nach §§ 50 Abs 1, 51 und 52 StGB aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Strafsache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert D***** sowie jene der Angeklagten Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** zurückgewiesen.

Der Angeklagte Herbert D***** wird mit seiner Berufung und seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** sowie über die Beschwerden der Angeklagten Helmut K***** und Michael W***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Herbert D*****, Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen - auch Teilfreisprüche der Angeklagten Gabriel S***** und Alex B*****, einen Privatbeteiligtenzuspruch sowie zu Unrecht nicht gesondert ausgefertigte (vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50) Beschlüsse gemäß §§ 50 Abs 1, 51 und 52 StGB und auf vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen Alex B***** nach § 203 StPO enthaltenden - Urteil wurden Helmut K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./1./) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (E./), Herbert D***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 12 zweiter Fall, 201 Abs 1 StGB (C./1./), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 12 zweiter Fall, 206 Abs 1 StGB (C./2./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 2, 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (D./a./) und des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 2, 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 206 Abs 1 StGB (D./b./), Michael W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (A./2./), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15 Abs 1, 206 Abs 1 StGB (B./) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (E./) sowie Gabriel S***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (E./) und die Angeklagten Helmut K*****, Herbert D*****, Michael W***** und Gabriel S***** jeweils des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (F./) schuldig erkannt.

Danach haben in E***** zwischen 10. und 11. Juli 2009

A./ den am 8. Juni 1996 geborenen Martin G***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung

1./ genötigt, nämlich Helmut K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter, indem er sich auf die Brust des am Boden liegenden Martin G***** setzte, mit den Knien dessen Schultern zu Boden drückte und es unternahm, ihn mit seinem Penis oral zu penetrieren, während der unbekannt gebliebene Mittäter dessen Kopf festhielt;

2./ zu nötigen versucht, nämlich Michael W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter, der Martin G***** festhielt, wobei Michael W***** versuchte, Martin G***** mit einem Kugelschreiber anal zu penetrieren;

B./ Michael W***** durch die zu Punkt A./2./ beschriebene Handlung mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen versucht, wobei die geschlechtliche Handlung in einer Penetration mit einem Gegenstand bestehen sollte;

C./ Herbert D***** den Helmut K***** dadurch, dass er ihn sinngemäß dazu aufforderte, Martin G***** mit seinem Penis oral zu penetrieren, und ihn wegen dessen anfänglichem Zögern als „feig“ bezeichnete, zu der unter Punkt A./1./ beschriebenen strafbaren Handlung und dazu bestimmt, mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen (1./ und 2./);

D./ Herbert D***** dadurch, dass er es unterließ, den Erfolg abzuwenden, obwohl er aufgrund seiner Eigenschaft als Betreuer der Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr R***** an der G***** am Landestreffen der Feuerwehrjugend Obhuts- bzw Schutzpflichten gegenüber dem unmündigen Martin G***** freiwillig und tatsächlich übernommen hatte, somit obwohl er zufolge einer ihn besonders treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten war und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbilds durch ein Tun gleichzuhalten ist, beigetragen, und zwar

a./ zu der unter Punkt A./2./ beschriebenen strafbaren Handlung des Michael W*****,

b./ zu der unter Punkt B./ beschriebenen strafbaren Handlung des Michael W*****,

E./ Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem strafunmündigen Martin E***** außer den Fällen des § 201 StGB Martin G***** mit Gewalt, indem Helmut K***** diesem die Hose auszog und seine Beine festhielt, während Gabriel S***** seine Hände und Michael W***** seinen Penis festhielten, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar dazu, sich die Intimbehaarung rasieren zu lassen;

F./ Helmut K*****, Herbert D*****, Michael W***** und Gabriel S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem abgesondert verfolgten Alexander W***** Martin G***** die persönliche Freiheit entzogen, indem sie ihn mit dem Kopf voran in einen Schlafsack steckten, diesen verschlossen, mit einem Klebeband umwickelten und darüber hinaus den Mund des Martin G***** mit einem Klebeband überklebten und diesen Zustand über zumindest fünf Minuten aufrecht erhielten.

Die Angeklagten bekämpfen die sie betreffenden Schuldsprüche mit auf die im Folgenden bezeichneten Nichtigkeitsgründe gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut K***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10, 10a und 11):

Mit dem in der Mängelrüge (Z 5), aber auch im Rahmen der Rechtsrüge zu A./1./ erhobenen Einwand fehlender Feststellungen zu der anlässlich der Tathandlung ausgeübten Gewalt (inhaltlich insgesamt Z 9 lit a) orientiert sich der Beschwerdeführer nicht an der Gesamtheit der im Urteil getroffenen - in der Beschwerdeschrift zum Teil ohnedies zugestandenen - Konstatierungen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584), wonach Martin G***** zur Duldung der oralen Penetration, die er nicht freiwillig über sich ergehen ließ, festgehalten wurde und man versuchte, seinen Mund weiter zu öffnen (US 19 f).

Der Beantwortung der die Schuldsprüche A./1./ und E./ betreffenden Mängelrüge ist voranzustellen, dass für die Verwirklichung der Verbrechen der Vergewaltigung und der geschlechtlichen Nötigung ein objektiver Sexualbezug ausreicht. Die Berührung unmittelbar geschlechtsspezifischer Körperpartien ist somit unabhängig von einer sexuellen Tendenz eine „geschlechtliche“ Handlung. Es spielt keine Rolle, ob der Täter aus schlechtem Scherz oder zur Demütigung des Opfers handelte (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT III² Vorbem §§ 201 ff RN 30; Philipp in WK² § 201 Rz 35, § 202 Rz 9). Zum Vorbringen, der Penis des Beschwerdeführers habe lediglich die Zähne Martin G*****s berührt, ist einerseits zu bemerken, dass die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung einer Straftat für die Entscheidung über Schuld oder Subsumtion ohne Bedeutung ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398), und andererseits darauf hinzuweisen, dass das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB - ebenso wie jenes des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen - mit dem mit Penetrationsvorsatz erfolgten Ansetzen des Penis am Mund des Opfers ohnehin bereits vollendet ist (vgl dazu die Argumentation bei Philipp in WK² § 201 Rz 44; idS Kienapfel/Schmoller, StudB BT III2 Vorbem §§ 201 ff Rz 48). Eines Eingehens auf die Rechtsmittelausführungen zum Motiv des Angeklagten und zur Entwicklungsstufe der Taten bedurfte es daher nicht.

Der Einwand fehlender bzw unzureichender Begründung der Feststellungen (Z 5 vierter Fall), der Angeklagte K***** habe den Mund des Martin G***** penetriert und sein Vorsatz sei (zu Schuldspruch A./1./) auf eine beischlafsähnliche und (zu Schuldspruch E./) auf eine geschlechtliche Handlung gerichtet gewesen, übergeht die beweiswürdigenden Ausführungen des Erstgerichts, das sich auf das Geständnis des Nichtigkeitswerbers sowie auf die Angaben des Zeugen Martin G***** und der weiteren vernommenen Zeugen stützte (US 22) und außerdem begründete, weshalb es die Feststellungen zur subjektiven Tatseite traf (US 26). Dass dem Beschwerdeführer diese Begründung nicht ausreichend erscheint, stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht her. Vielmehr unternimmt der Rechtsmittelwerber - partiell unter Darlegung eigenständiger Beweiswerterwägungen - lediglich den im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Das Aktenwidrigkeit und Undeutlichkeit reklamierende Vorbringen zum Schuldspruch F./ ist mit dem Hinweis auf vier Fakten der Anzeige, die im Zusammenhang mit einem Schlafsack stehen sollen, seinerseits aktenfremd, weil sich die festgestellten Tathandlungen nur im Faktum 4./ der Anzeige finden (S 15 ff in ON 17; Grafik S 28 f in ON 18) und das Urteil unzweifelhaft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419) den diesem Faktum zugrunde liegenden Sachverhalt konstatierte. Im Übrigen liegt eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde, auf die es seine Feststellungen stützt, in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), was der Nichtigkeitswerber aber gar nicht behauptet.

Die von der Beschwerde vermisste Begründung zur subjektiven Tatseite der Freiheitsenziehung (US 19) findet sich auf US 22, schließen die Tatrichter diese doch aus der geständigen Verantwortung auch des Angeklagten Helmut K***** (vgl S 7 und S 9 f in ON 43).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) ungeachtet der beweisbezogenen Erwägungen des erkennenden Gerichts pauschal das Fehlen aktenkundiger Beweisergebnisse für das Vorliegen eines auf eine beischlafsähnliche (Schuldspruch A./1./) bzw geschlechtliche (Schuldspruch E./) Handlung gerichteten Vorsatzes des Beschwerdeführers behauptet, nicht aber dagegen sprechende konkrete aktenkundige Beweismittel releviert, verfehlt sie die Bezugspunkte dieses Nichtigkeitsgrundes.

Zum weiteren Vorbringen mangelnden Sexualbezugs und zur Behauptung, der dem Schuldspruch F./ zu Grunde liegende Vorfall könne den Fakten der Anzeige nicht konkret zugeordnet werden, wird auf die Ausführungen zur Mängelrüge verwiesen. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen werden damit jedenfalls nicht aufgezeigt.

Welche über die ohnedies zum Schuldspruch A./1./ getroffenen Feststellungen hinausgehende Konstatierungen zur Penetration (US 19) und zur inneren Tatseite des Rechtsmittelwerbers (US 20, 26) vom Erstgericht zu treffen gewesen wären, lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unbeantwortet. Damit orientiert sie sich nicht an den Anfechtungskriterien dieses Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Das Vorbringen zum Schuldspruch E./ ignoriert die Urteilsannahmen zum Vorliegen einer geschlechtlichen Handlung - vor allem durch das nicht bloß flüchtige Festhalten des Penis (US 28) - und zu dem auf einen Eingriff in die sexuelle Integrität des Tatopfers gerichteten Vorsatz (US 21, 26).

Die Kritik unzureichender Feststellungen zum Schuldspruch F./ übergeht wiederum die Konstatierungen zur Fesselung in einem Schlafsack sowie die weiteren, die Bewegungsfreiheit einschränkenden Tatmodalitäten (US 18 f, 22 und 29; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 593). Die in der Rüge angestellten Überlegungen zu einer vom Angeklagten angenommenen Einwilligung des Tatopfers lassen schließlich die Feststellungen außer Acht, wonach Martin G***** für die Angeklagten hörbaren Widerspruch gegen die ihm angediehene, Luftnot und Platzangst hervorrufende Behandlung erhob (US 18).

Dass das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB eine Befriedigung des Geschlechtstriebs zur Voraussetzung habe, wird von der eine Unterstellung des Sachverhalts und § 105 Abs 1 StGB „oder“ § 99 Abs 1 StGB begehrenden Subsumtionsrüge (Z 10) mit dem bloßen Hinweis auf einen nicht näher konkretisierten „Teil der Lehre“ nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), gleiches gilt für das weitere, die Annahme eines Versuchs einfordernde Vorbringen, wonach das Eindringen des Penis in den Mund bis zu den Zähnen keine Penetration darstelle (Z 11 zweiter Fall; 12 Os 119/06a [verst Senat]). Im Übrigen wird auf das eingangs zur Mängelrüge Gesagte verwiesen.

Mit der Behauptung in der eine Beurteilung nach § 105 Abs 1 StGB anstrebenden Subsumtionsrüge zum Schuldspruch E./, das Schöffengericht habe das Vorliegen einer geschlechtlichen Nötigung zu Unrecht aus dem Rasieren der Schamhaare, dem Ausziehen der Hose und dem Festhalten der Beine abgeleitet, blendet der Beschwerdeführer abermals das konstatierte, nicht bloß flüchtige Festhalten des Penis des Opfers aus und hält damit nicht am gesamten Sachverhaltssubstrat fest.

Die Diversionsrüge (Z 10a) übergeht einerseits die zu den mangelnden Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung getroffenen Konstatierungen (US 30) und unterlässt es andererseits, insoweit einen Feststellungsmangel geltend zu machen (vgl RIS-Justiz RS0119091). Im Übrigen erschöpft sie sich in der bloßen Behauptung, die Schuld des Angeklagten sei nicht als schwer zu werten, sie zeigt jedoch auf Aktenbasis keine besonderen unrechts- oder schuldmildernden, ein diversionelles Vorgehen rechtfertigenden Umstände auf, zumal angesichts der herzustellenden Relation der vorliegenden Straftaten zu jenen, die insgesamt im Einzugsbereich der Diversion liegen, bereits die Tatbestandsverwirklichung einer mit fünf Jahre Freiheitsstrafe bedrohten Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) eine hohe kriminelle Energie signalisiert (Schroll in WK² JGG § 7 Rz 14 f).

Die die Anwendung der §§ 12 und 13 JGG reklamierende Sanktionsrüge (Z 11) spricht ausschließlich Berufungsgründe an (vgl Schroll in WK² JGG § 12 Rz 13, § 13 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael W***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10, 10a und 11):

Soweit die Mängelrüge (Z 5) zu der auf Verwirklichung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (zu Schuldsprüche A./2 und B./) und einer geschlechtlichen Handlung (zu Schuldspruch E./) gerichteten inneren Tatseite eine bloße Scheinbegründung ortet, übersieht sie, dass der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht gegeben ist, wenn die angeführten Gründe bloß nicht überzeugend genug erscheinen oder neben dem ohne Verstoß gegen Gesetze logischen Denkens oder allgemeiner Lebenserfahrung gezogenen Schluss auch noch andere Folgerungen denkbar sind.

Inwiefern der den Schuldspruch F./ betreffende Ausspruch, der Vorgang habe insgesamt mindestens fünf Minuten gedauert (US 19), undeutlich sei, bleibt unerfindlich.

Die Konstatierung, der Angeklagte Michael W***** habe geradezu beabsichtigt, dem Martin G***** durch Stecken in einen Schlafsack und Fesseln mit Klebebändern die persönliche Freiheit zu entziehen (US 19), stützten die Tatrichter - wie schon bei Helmut K***** - auf dessen geständige Verantwortung (vgl S 8 und S 17 f in ON 43).

Die Ableitung erheblicher Bedenken aus den Akten fordert die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel. Ohne direkten Konnex zu aktenkundigem Beweismaterial bloß Bedenken an den Erwägungen der Tatrichter darzustellen, ist lediglich im Rahmen der Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren zulässig, nicht aber in einer Tatsachenrüge (Z 5a). Daher muss der Rechtsmittelwerber die ins Treffen geführten aktenbezogenen Beweismittel in Hinsicht auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen messen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487). Diesem Erfordernis werden die in der Rüge zur Aussage des Angeklagten Michael W***** angestellten eigenständigen Beweiswerterwägungen betreffend des Fehlens der inneren Tatseite zu den Schuldsprüchen A./2./, B./ und E./ ohne jegliche Bezugnahme auf die tatrichterliche Begründung nicht gerecht.

Die die Schuldsprüche A./2./, B./ und E./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich gleichfalls nicht an den Anfechtungskriterien dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes. Zum einen leitet sie das zu den Tatbeständen nach §§ 201 Abs 1, 206 Abs 1 und 202 Abs 1 StGB behauptete Erfordernis sexueller Motivation nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, zum anderen bestreitet sie die dazu getroffenen Konstatierungen zur inneren Tatseite (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588, 593).

Auch zum Schuldspruch F./ stellt der einen Feststellungsmangel - gemeint: einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (anschaulich Jerabek, ÖJZ 2008, 799 [802]) - behauptende Nichtigkeitswerber die getroffenen Konstatierungen zur Dauer der Freiheitsentziehung und zur - ohnedies in Sachverhaltsbezug gebrachten - inneren Tatseite (US 18 f) in Abrede.

Die zu den Schuldsprüchen A./2./, B./ und E./ begründungslos „unter außer Achtlassung der sexuellen Komponente“ allenfalls eine rechtliche Beurteilung nach § 105 Abs 1 StGB einfordernde Subsumtionsrüge (Z 10) ist wiederum mangels methodisch vertretbarer Ableitung aus dem Gesetz einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Die das Vorliegen einer nicht schweren Schuld lediglich aus einem Milderungsumstand ableitende Diversionsrüge (Z 10a) übergeht die mehrfachen massiven Eingriffe in die sexuelle Integrität des Tatopfers und das vom Gesetzgeber durch die Strafdrohungen insbesondere der verwirklichten Verbrechen als hoch eingestufte Tatunrecht.

Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) die Nichtanwendung der §§ 12 und 13 JGG, kritisiert bringt sie ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (vgl dazu die Ausführungen zur Beschwerde des Angeklagten Helmut K*****).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gabriel S***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b, 10 und 10a):

Mangels Entscheidungswesentlichkeit einer sexuellen Motivation für die Verwirklichung des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung (Schuldspruch E./; vgl dazu die Erwägungen zur Beschwerde des Angeklagten Helmut K*****) gehen die darauf abstellenden Einwände in der einen Widerspruch behauptenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ins Leere.

Weder der Verweis auf das eben dargestellte Vorbringen der Mängelrüge noch der Einwand, „dass die Feststellungen und die mit diesen Feststellungen in Zusammenhang stehende Beweiswürdigung des Erstgerichts derart massiv von den Aussagen, die Eingang in das Protokoll der Hauptverhandlung vom 20. 05. 2010 gefunden haben, abweichen“, genügt den anlässlich der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael W***** dargestellten Anforderungen an die Ausführung einer Tatsachenrüge (Z 5a).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b, gemeint Z 9 lit a) erschöpft sich in der Behauptung, das erkennende Gericht hätte unzulässige Schlüsse auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite gezogen. Solcherart wird lediglich die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Soweit der während des gesamten Verfahrens durch einen Verteidiger vertretene Beschwerdeführer die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens rügt (inhaltlich Z 5a), macht er nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480; RIS-Justiz RS0115823, RS0114036).

Die den Schuldspruch E./ betreffende, eine Verurteilung nach § 99 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) lässt jegliche Ableitung aus dem Gesetz vermissen und übergeht darüber hinaus die Konstatierungen zum Festhalten des Penis des Tatopfers.

Die Diversionsrüge (Z 10a) erschöpft sich in der bloßen, nicht auf Aktenbasis entwickelten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 659) Behauptung, dem Angeklagten Gabriel S***** wäre „als absolut untergeodnetem Mitläufer ein Vorgehen nach dem elften Hauptstück anzubieten“ gewesen. Damit bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund jedoch nicht zur Darstellung. Insoweit wird auf die Ausführungen zur entsprechenden Rüge des Mitangeklagten Helmut K***** verwiesen. Im Übrigen steht dem reklamierten diversionellen Vorgehen der erhebliche Schuldgehalt der im Vordergrund stehenden, die Sexualsphäre des Opfers gravierend beeinträchtigenden Tat sowie der Umstand entgegen, dass dem Angeklagten zwei jeweils mit erheblicher Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlungen zur Last liegen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert D ***** (§ 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10a und 11):

Zutreffend zeigt der Angeklagte Herbert D***** in seiner die Schuldsprüche D./a./ und b./ betreffenden Mängelrüge (Z 5) auf, dass die Tatrichter die Angaben der Zeugen Martin G***** (S 12 ff in ON 28), Roland S***** (S 63 in ON 43; S 91 in ON 17) und Christian S***** (S 65 in ON 43; S 103 in ON 17) ungewürdigt ließen, wonach er während des inkriminierten Vorfalls nicht anwesend gewesen sei oder geschlafen habe bzw die seine Anwesenheit am Tatort nicht bestätigen konnten. Diese Verfahrensergebnisse hätten in Bezug auf die der Annahme, Herbert D***** sei die Tätigkeit des Michael W***** und das Festhalten durch einen Dritten bewusst gewesen und er habe es absichtlich unterlassen, entsprechend einzugreifen (US 21) erörtert werden müssen.

Auf das weitere diese Schuldsprüche betreffende Vorbringen der Beschwerde war daher ebenso wenig einzugehen wie - angesichts der mit der teilkassatorischen Entscheidung verbundenen Aufhebung des diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruchs - auf die Ausführungen der Sanktionsrüge (Z 11).

Der weiteren Beschwerde kommt jedoch keine Berechtigung zu:

In seiner die Schuldsprüche C./1./ und C./2./ betreffenden Mängelrüge (Z 5) bekämpft der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise mit eigenen Beweiswerterwägungen die tatrichterliche Beweiswürdigung zur Feststellung, der Rechtsmittelwerber habe Helmut K***** aufgefordert, den Zeugen Martin G***** mit dem Penis oral zu penetrieren (US 19). Dass die Begründung dem Angeklagten nicht ausreichend überzeugend erscheint, führt nicht zur Urteilsnichtigkeit.

Weshalb ein teilweises Wegschauen des unmittelbaren Täters (US 24) einer zugleich verübten oralen Penetration entgegenstehen soll, bleibt unerfindlich.

Ob die Aufforderung oder die nachfolgende Provokation ausdrücklich, schlüssig oder pantomimisch erfolgte, ist mangels Relevanz für die Schuld- oder Sanktionsfrage nicht entscheidungswesentlich.

Das Gericht war entgegen dem Vorbringen nicht verhalten, auf die verlesene (S 66 in ON 43) Aussage des Zeugen H***** (S 127 in ON 17), einzugehen, der angab, „dass G***** jedoch das ‚Ding' eines anderen in den Mund nehmen sollte, habe ich nicht gesehen“, verlangt doch das Gesetz nur eine gedrängte Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Im Übrigen steht die erwähnte Aussage den getroffenen Feststellungen nicht entgegen. Ob der Nichtigkeitswerber jemanden aufforderte, Martin G***** zu halten, ist nicht entscheidungswesentlich für die Beurteilung seiner Schuld, wusste er doch, dass das ausgewählte Tatopfer diese Handlung nicht freiwillig über sich ergehen ließ und zur Duldung festgehalten wurde (US 19 f).

Den bedingten Vorsatz des Rechtsmittelwerbers zu einer mit Gewalt durchgesetzten oralen Penetration erschlossen die Tatrichter ersichtlich aus dem im Urteil dargestellten Geschehnisablauf (US 19 f iVm US 23 f) und daraus, dass er trotz der tatsächlich vom Angeklagten Helmut K***** und dem unbekannt gebliebenen Mittäter angewendeten Gewalt nicht eingriff (US 24).

Die den Schuldspruch F./ betreffende Mängelrüge behauptet eine offenbar unzureichende sowie unvollständige Begründung zur Dauer der Fesselung bzw des Aufenthalts des Zeugen Martin G***** im Schlafsack und des Verklebens des Mundes sowie dafür, dass sich der Nichtigkeitswerber auf den Körper des Tatopfers legte. Gerade die dazu angeführten Aussagen der Angeklagten Helmut K***** und Gabriel S***** sowie des Zeugen Richard L*****, berichten - den Konstatierungen entsprechend - ohnedies von einer Fesselungsdauer von fünf Minuten (Helmut K*****: fünf bis zehn Minuten; vgl S 10 in ON 43). Dass Michael W***** das Zukleben des Mundes des Martin G***** nicht bestätigen konnte, bedurfte keiner eigenständigen Erörterung, wurde doch damit diese Tatmodalität vom Mitangeklagten nicht bestritten. Wie lange Herbert D***** auf dem Tatopfer gelegen ist, betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Zur Vermutung des Beschwerdeführers, verschiedene Fesselungen seien verwechselt worden, ist auf das zur Mängelrüge des Angeklagten Helmut K***** Gesagte zu verweisen.

Die die Schuldsprüche C./1./ und C./2./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt die getroffenen Konstatierungen zur Bestimmung des Angeklagten Helmut K*****, zum Bedeutungsinhalt der Aufforderung und zu dem auch die gewaltsame Durchsetzung der Penetration umfassenden Vorsatz des Rechtsmittelwerbers (US 19 f) in Abrede und behauptet urteilsfremd, der Angeklagte Helmut K***** sei lediglich in einem selbst gefassten Entschluss bestärkt worden. Solcherart missachtet die Beschwerde den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Soweit der Beschwerdeführer eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung durch die Penetration des Mundes mit dem Penis unter Hinweis auf eine - hier gar nicht relevante, digitale Analpenetration betreffende - Judikatur bestreitet, geht er abermals nicht von den die Intensität und Schwere des Eingriffs (US 19 und 24) und vor allem auch das Ausmaß der damit verbundenen Demütigung (US 27) zum Ausdruck bringenden Urteilsannahmen aus.

Die nur auf das Faktum F./ Bezug nehmende Diversionsrüge (Z 10a) blendet die übrigen Schuldsprüche aus und geht damit nicht von der Gesamtheit der Feststellungen aus (RIS-Justiz RS0099810; vgl auch Schroll, WK-StPO § 198 Rz 47).

Das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in seinen den Angeklagten Herbert D***** betreffenden Schuldsprüchen D./a./ und D./b./ und demzufolge im zu diesen Angeklagten ergangenen Strafausspruch und im den Beschwerdeführer verpflichtenden Privatbeteiligtenzuspruch sowie demzufolge die Beschlüsse nach §§ 50 Abs 1, 51 und 52 StGB aufzuheben und die Strafsache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Der Angeklagte Herbert D***** war mit seiner Berufung und (implizierten) Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** und - im verbleibenden Umfang - jene des Angeklagten Herbert D***** in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokurator bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Helmut K*****, Michael W***** und Gabriel S***** und über die (implizierten), gegen die Beschlüsse gemäß §§ 50 Abs 1, 52 StGB gerichteten Beschwerden der Angeklagten Helmut K***** und Michael W***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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