OGH 12Os112/20t

OGH12Os112/20t12.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Kleinschuster, LL.M., in der Strafsache gegen Mohamed I***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 22. Juli 2020, GZ 79 Hv 49/20t-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00112.20T.1112.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mohamed I***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 StGB (I./), der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (II./) und der Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in V***** in der Zeit vom 1. Juli 2017 bis 1. Juli 2019 Patricia R*****

I./ mit Gewalt zur Vornahme oder zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, und zwar

1./ durch Öffnen seiner Hose, festes Ergreifen ihrer Hand und Führen zu seinem erigierten Penis mit der Aufforderung ihm „einen runter zu holen“ oder „einen zu blasen“;

2./ durch festes Drücken ihres Körpers gegen einen Eisschrank, gefolgt von einem massiven Griff zwischen ihre Beine im Vaginalbereich und festes Erfassen beider Brüste mit den Worten, „sie solle sich nicht so anstellen“, ihn „ranlassen und ficken“;

II./ außer den Fällen des § 201 StGB wiederholt durch nachstehendes Verhalten mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1./ durch Festhalten mit beiden Armen von hinten und Reiben seines erregten Penis an ihrem Gesäß;

2./ durch massives Drücken ihres Körpers gegen einen Gefrierschrank und Erfassen sowie festes Drücken ihrer beiden Brüste unter deren T-Shirt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die – eine Subsumtion der zu I./ und II./ inkriminierten Taten unter § 218 Abs 1 Z 1 StGB anstrebenden – Beschwerde, soweit sie einen auf „die Verwirklichung des Tatbildes nach §§ 15, 201 StGB“ gerichteten Vorsatz des Angeklagten bestreitet, aber die genau dazu getroffenen Feststellungen der Tatrichter außer Acht lässt (vgl US 4).

Der (zum Schuldspruch I./1./ erhobene) Einwand, das feste Ergreifen der Hand des Opfers stelle keine Gewaltanwendung im Sinne des Einsatzes einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands dar (vgl RIS-Justiz RS0095232), erschöpft sich in einer bloßen Rechtsbehauptung, die ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bleibt (vgl RIS-Justiz RS0118429).

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer im „festen Drücken des Opfers gegen den Eisschrank“ (I./2./) keine Gewaltanwendung erblicken will.

Die mehrfache Rechtsmittelbeteuerung, der Angeklagte habe niemals beabsichtigt, seinen Willen durchzusetzen und Patricia R***** zu irgendetwas zu zwingen, entfernt sich erneut vom Urteilssachverhalt.

Von welcher rechtlichen Relevanz der Umstand sein soll, dass die Tathandlungen für das Opfer „bis auf einen kleinen blauen Fleck“ folgenlos geblieben seien (vgl aber erneut RIS-Justiz RS0095232), gibt der Rechtsmittelwerber nicht bekannt.

Ebensowenig erklärt er, weshalb die Tathandlungen nur § 218 Abs 1 Z 1 StGB zu unterstellen sein sollen.

Soweit der Beschwerdeführer seine leugnende Verantwortung sowie Verfahrensergebnisse hervorkehrt, wonach er sein Glied nicht aus der Hose genommen habe, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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