European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00111.16I.0302.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 11. Februar 2016, GZ 14 Hv 172/15z‑86, wurde– soweit hier von Relevanz – Kemal R***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.
Der wegen des Ausspruchs über die Strafe erhobenen Berufung des Genannten gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 20. Juli 2016, AZ 8 Bs 221/16k (ON 109), nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Gegen das letztgenannte Urteil richtet sich der Antrag des Verurteilten Kemal R***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO.
Für einen – wie hier vorliegenden – nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 EMRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737). Demnach hat – da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein – auch ein Erneuerungsantrag nach § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]).
In seinem Erneuerungsantrag releviert Kemal R*****, das Oberlandesgericht habe zwar ausdrücklich eine erstgerichtliche Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots des § 9 Abs 2 StPO durch das Überschreiten der von § 270 Abs 1 StPO für die Urteilsausfertigung vorgesehenen Frist von vier Wochen bejaht, eine (spür‑ und messbare) Strafreduktion aber dennoch nicht vorgenommen.
Soweit der Beschwerdeführer allein darin eine Verletzung des Rechts auf Entscheidung in angemessener Frist (Art 6 Abs 1 EMRK) sieht, mangelt es an methodengerechter (das heißt, nach Maßgabe juristisch geordneter Gedankenführung zumindest vertretbarer, wenngleich nicht notwendigerweise zutreffender) Ableitung der aufgestellten Rechtsbehauptung aus der reklamierten Grundrechtsverheißung (vgl RIS‑Justiz RS0128394 [T1]). Die Garantie des Art 6 Abs 1 EMRK bezieht sich nämlich in Bezug auf Strafverfahren auf die Angemessenheit der Frist zwischen dem Zeitpunkt der Kenntnis des Betroffenen von dem gegen ihn geführten Verfahren und der letzten und rechtskräftigen Entscheidung (vgl Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer‑Ladewig/Nettesheim/von Raumer , EMRK 4 Art 6 Rz 188 f; Kier , WK‑StPO § 9 Rz 45). Dass eine in diesem Sinn nicht mehr angemessene Verfahrensdauer vorliege, wird vom Antragsteller jedoch gar nicht behauptet.
Das Vorbringen, das Oberlandesgericht sei seiner Verpflichtung, zum Ausgleich für die vorliegende Rechtsverletzung eine Strafmilderung vorzunehmen, nicht nachgekommen, orientiert sich zudem nicht an den Urteilserwägungen des Berufungsgerichts. Denn danach war eine Strafmilderung zum Ausgleich für die Rechtsverletzung „dennoch nicht vorzunehmen“, weil die vom Erstgericht verhängte Strafe „auch unter Berücksichtigung einer Strafreduktion“ nach § 34 Abs 2 StGB, also dem Milderungsgrund der unverhältnismäßigen Verfahrensdauer, immer noch als schuld‑ und tatangemessen erachtet wurde (US 5). Die Bemessung von Strafen ist aber nicht Gegenstand eines Erneuerungsantrags (RIS-Justiz RS0123350 [T6]).
Die vom Antragsteller weiters der Sache nach aufgestellte Behauptung einer Verletzung des Art 5 Abs 3 zweiter Satz EMRK kann nicht zum Gegenstand eines (subsidiären) Erneuerungsantrags nach § 363a StPO gemacht werden. Die Befugnis zur Anfechtung wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit regelt das GRBG, das einen Grundrechtsschutz durch den Obersten Gerichtshof im Betreff der – hier gegenständlichen – Verhängung einer Freiheitsstrafe wegen gerichtlich strafbarer Handlungen aber nicht vorsieht (§ 1 Abs 2 GRBG), abschließend (vgl RIS‑Justiz RS0123350, RS0061089).
Der solcherart unzulässige Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0128394).
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