OGH 12Os109/88

OGH12Os109/8813.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ernst Maria George P*** wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Jänner 1988, GZ 3 c Vr 2372/87-48, nach öffentlicher Verhandlung, in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kern, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde der 37-jährige Ernst Maria George (auch Georg Ernst) P*** (zu 1.) des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB, (zu 2.) des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB, (zu 3. und 4.) des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und Z 2 sowie Abs. 2 StGB und (zu 5.) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien (zu 1.) im Feber 1987 versucht, den am 27.Jänner 1975 geborenen, sohin noch unmündigen Jörg J*** dadurch zur Unzucht zu mißbrauchen, daß er sich anschickte, dessen Hose herabzuziehen, um den Geschlechtsteil zu berühren;

(zu 2.) im April 1985 den am 7.Juli 1972 geborenen, sohin unmündigen Zlatko I*** durch Gewährung von Unterkunft und Verpflegung vor den Erziehungsberechtigten verborgen gehalten;

(zu 3.) im Mai 1985 den Zlatko I*** und den Boban L*** nach dem von ihnen am 26.April 1985 zum Nachteil des Robert R*** und des Hubert Z*** begangenen Diebstahl von zwei Fahrrädern dabei unterstützt, das Diebsgut, dessen Wert 5.000 S nicht überstieg, dadurch zu verheimlichen, daß er ihnen Werkzeug und Material zur Veränderung der Fahrräder zur Verfügung stellte;

(zu 4.) im Oktober 1986 eine Sache in einem 5.000 S übersteigenden Wert, die ein anderer durch ein Vergehen gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, nämlich einen von Rene J*** seinem Vater gestohlenen Bargeldbetrag (von 17.000 S), dadurch an sich gebracht und verheimlicht, daß er einen (5.000 S übersteigenden) Teil davon in Verwahrung nahm und zum Teil für sich und zum Teil für Rene J*** ausgab;

(zu 5.) im September 1986 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der CA-BV unter dem Anschein eines (rück-)zahlungsfähigen und (rück-)zahlungswilligen Bankkunden, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Eröffnung eines Studentenkontos (und Gewährung eines Überziehungskredites) und damit zu Handlungen verleitet, die dieses Kreditinstitut an seinem Vermögen durch Kontoüberziehungen (in der Höhe von rund 20.000 S) in einem 5.000 S übersteigenden Betrag schädigten.

Der Sache nach nur die Punkte 1., 3. und (irrig als 4. bezeichnet) 5. des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 9 lit. a, sachlich auch 9 lit. b, und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die indes zur Gänze nicht berechtigt ist.

Als Verfahrensmangel (Z 4) zum Schuldspruch wegen schweren Betruges (Punkt 5. des Urteilssatzes) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme eines informierten Vertreters des Arbeitsamtes zum Beweis dafür, daß beim Besuch eines Umschulungskurses ein monatlicher Unterstützungsbeitrag gewährt worden wäre, der so hoch gewesen wäre, daß dem Angeklagten eine Rückzahlung seiner Verbindlichkeiten (bei der CA-BV) in kleinen Raten möglich gewesen wäre (S 311). Durch die Ablehnung dieser Beweisaufnahme - wobei allerdings nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles (S 328) unter Verletzung der Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO die für die Abweisung maßgebenden Erwägungen des Schöffengerichtes im Protokoll nicht ersichtlich gemacht (und überdies auch in der schriftlichen Urteilsausfertigung nicht nachgeholt) wurden - konnten jedoch Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt werden (§ 281 Abs. 3 StPO). Denn abgesehen davon, daß sich der (zur Tatzeit beschäftigungs- und einkommenslose) Angeklagte nach seinen eigenen Angaben erst ab Mai 1987, also für einen Zeitpunkt rund 8 Monate nach Überziehung seines Kontos bei der CA-BV (in der Größenordnung von mehr als 20.000 S; vgl. S 190), einen Unterstützungsbeitrag (durch das Arbeitsamt) im Zusammenhang mit einem (angeblich) von ihm angestrebten Besuch eines Umschulungskurses erhofft haben will (S 256) und zugeben mußte, daß ihm die Höhe dieses Beitrages gar nicht bekannt war und er im übrigen darauf angewiesen wäre, davon auch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (S 279, 271), hat das Erstgericht - das unter Berücksichtigung der tatsächlichen (eher prekären) wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen der Angeklagte, der von Sozialunterstützungen lebte (S 254), seine Kreditverbindlichkeiten bei der CA-BV begründet hatte, nicht bloß eine Rückzahlungsunfähigkeit, sondern auch eine von vornherein bestehende Rückzahlungsunwilligkeit als erwiesen annahm - der bezüglichen Verantwortung zur Gänze den Glauben versagt und festgestellt, daß der Angeklagte von Anfang an eine geordnete Kontoabwicklung gar nicht ins Auge gefaßt hatte (S 343). Damit war es aber nicht verhalten, den angestrebten Beweis aufzunehmen (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 67 zu § 281 Z 4).

Rechtliche Beurteilung

In der gegen den Schuldspruch wegen versuchter Unzucht mit Unmündigen (Punkt 1. des Urteilssatzes) gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit. a, der Sache nach auch Z 9 lit. b) wendet der Beschwerdeführer zum einen ein, das festgestellte Berühren des unmündigen Jörg J*** im Bereich der Hüfte und des Oberschenkels sei objektiv noch nicht als eine spezifisch sexualbezogene Handlung und daher noch nicht als Deliktsversuch zu beurteilen; zum anderen beruft er sich auf strafaufhebenden Rücktritt vom Versuch.

Beide Einwände sind nicht zielführend.

Nach den bezüglichen Konstatierungen griff der Angeklagte nach der Hose des - neben ihm im Bett liegenden - unmündigen Jörg J***, um sie herabzuziehen und sodann den Unmündigen am Geschlechtsteil zu betasten, wobei sein auf diese Unzuchtshandlung gerichtetes Vorhaben am Widerstand des Unmündigen scheiterte (S 335; Zeuge J*** S 283, 287).

Die gegen die rechtliche Beurteilung gerichtete Rüge übersieht zunächst, daß Versuch iS des § 15 Abs. 2 StGB keineswegs erst mit (deliktstypischen) Ausführungshandlungen gegeben ist; es genügt vielmehr, daß der Täter seinen Tatentschluß durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Für die demnach maßgebende aktionsmäßige Ausführungsnähe kommt es nur darauf an, ob es nach dem Tatplan noch weiterer deliktstypisch wesentlicher Zwischenakte des Täters bedarf, ehe er mit der Tatausführung beginnt, oder ob er manipulativ bereits die letzte Phase seines Vorhabens vor dem geplanten Ausführungsbeginn erreicht hat. Letzteres trifft für das festgestellte Tatverhalten des Beschwerdeführers zu; denn das Erfassen der Hose des Unmündigen (wobei es ihm sogar gelang, die Hose bis zur Mitte der Oberschenkel des Knaben herabzustreifen; vgl. S 289, 290) war, bezogen auf das als erwiesen angenommene Vorhaben, den Unmündigen am Geschlechtsteil zu betasten, sowohl in zeitlicher wie auch in örtlicher und aktionsmäßiger Beziehung zur spezifischen Tatbildverwirklichung ausführungsnah und der angestrebten Unzucht mit dem Unmündigen unmittelbar vorgelagert (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 15 RN 9 und 10), wobei nicht zweifelhaft sein kann, daß der Beschwerdeführer in subjektiver Beziehung die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung bereits überwunden hatte. Der Beurteilung des festgestellten Sachverhalts als Deliktsversuch haftet somit ein Rechtsirrtum nicht an.

Ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch iS § 16 Abs. 1 StGB hinwieder kommt nicht in Betracht, wenn dem Täter - wie dies das Schöffengericht vorliegend konstatierte - die Tatvollendung nur deshalb nicht gelingt, weil das Tatopfer sich der Unzuchtshandlung widersetzt und damit zu erkennen gibt, daß es zu deren Duldung keinesfalls bereit ist (EvBl. 1986/184); für die Annahme eines freiwilligen Rücktritts bleibt in einem solchen Fall kein Raum (Leukauf-Steininger aaO § 16 RN 3).

Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist schließlich die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch wegen Hehlerei (zu Punkt 3. des Urteilssatzes), mit welcher eine Tatbeurteilung nur nach § 165 StGB angestrebt wird. Denn die Beschwerde setzt sich dabei über jene Urteilskonstatierungen hinweg, denenzufolge der Beschwerdeführer von der diebischen Herkunft der beiden Fahrräder nicht nur auf Grund der äußeren Tatumstände (vgl. S 339, 340), sondern auch durch ausdrückliche Mitteilung der beiden Vortäter Kenntnis hatte (S 341). Damit bleibt aber für ein bloß fahrlässiges Handeln iS des § 165 StGB kein Raum.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von Delikten, den zum Teil raschen Rückfall, die Wiederholung der Hehlerei und die in Ansehung der Vermögensdelikte über die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB noch hinausgehenden Vorverurteilungen, als mildernd hingegen den Umstand, daß es in Ansehung des zu Punkt 1. des Schuldspruchs beschriebenen Verbrechens beim Versuch geblieben ist, weiters daß sich der Angeklagte zu den Punkten 2. und 3. einer Verantwortung befleißigte, die als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertet werden kann, und die Sicherstellung der beiden verhehlten Fahrräder. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Entgegen dem Berufungsvorbringen kann darin, daß es sich bei dem vom Punkt 3. des Urteilssatzes erfaßten Tatverhalten nicht um eine eigennützige, sondern um eine fremdnützige Hehlerei gehandelt hat und der Berufungswerber deshalb keinen eigenen Vorteil hatte, ein besonderer Milderungsgrund nicht erblickt werden. Das gilt gleichermaßen auch für den Umstand, daß die Unterstützung der Vortäter "nur" im Bereitstellen von Farbe und Werkzeug bestanden hat. Zu Punkt 4. des Urteilssatzes hinwieder ergibt die Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, daß der Berufungswerber (lediglich) durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage zur Tat bestimmt worden wäre. Somit vermag die Berufung insgesamt weitere Milderungsgründe nicht aufzuzeigen.

Wird bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld des Angeklagten nicht nur das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Wiederholung der Hehlerei, sondern vor allem auch der Umstand berücksichtigt, daß der Berufungswerber mehrfach wegen Vermögensdelikten vorbestraft ist, wobei ihn die zum Teil sehr empfindlichen Abstrafungen (ua einmal zu 3 Jahren und zweimal zu je 2 Jahren Freiheitsstrafe) nicht davon abgehalten haben, rund 7 Monate nach Verbüßung der letzten (zweijährigen) Freiheitsstrafe abermals straffällig zu werden, so erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß nicht als überhöht. Es entspricht vielmehr der Schwere der personalen Täterschuld, weshalb eine Strafreduzierung nicht in Betracht kam.

Soweit im Gerichtstag auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt wurde, so steht dem schon die Höhe der verhängten Strafe zwingend entgegen.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war demnach insgesamt wie im Spruche zu erkennen.

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