European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00109.19Z.1107.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Adam M***** und Raman D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unangefochten gebliebene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurden Adam M***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A./I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (B./I./) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (E./) und Raman D***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A./II./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (B./II./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (D./I./) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (E./) schuldig erkannt.
Danach haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – in W***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift
A./ von Tschechien nach Österreich eingeführt
I./ Adam M***** im Zeitraum von Ende 2017 bis 26. September 2018 in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
1./ als Bestimmungstäter, und zwar
a/ am 16. September 2018, indem er Ferat J***** den Auftrag für den unter A./III./1./ angeführten Suchtgifttransport betreffend 1.000 Gramm Cannabiskraut (58 Gramm Delta-9-THC) gab;
b/ am 26. September 2018, indem er „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Raman D***** Ferat J***** unter Androhung, ansonsten ihn oder seine Familie umzubringen, zu dem unter A./III./2./ angeführten Suchtgifttransport betreffend 4.260,90 Gramm Cannabiskraut (247 Gramm Delta-9-THC) nötigte;
2./ teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Raman D*****, in mehrfachen Angriffen, indem er mindestens 67.450 Gramm Cannabiskraut (3.925 Gramm Delta-9-THC), teils über Vermittlung des Ferat J*****, von unbekannten Lieferanten in Tschechien übernahm und mit seinem Pkw nach Österreich verbrachte;
II./ Raman D***** im Zeitraum von Anfang Juli bis 26. September 2018 in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
1./ als Bestimmungstäter am 26. September 2018, indem er „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Adam M***** Ferat J***** unter Androhung, ansonsten ihn oder seine Familie umzubringen, zu dem unter A./III./2./ angeführten Suchtgifttransport betreffend 4.260,90 Gramm Cannabiskraut (247 Gramm Delta-9-THC) nötigte;
2./ teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Adam M***** in zumindest vier Angriffen, indem er mindestens 5.000 Gramm Cannabiskraut (291 Gramm Delta-9-THC) von unbekannten Lieferanten in Tschechien übernahm und nach Österreich verbrachte,
III./ Ferat J***** in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, indem er in zumindest zwei Angriffen mindestens 5.260,90 Gramm Cannabiskraut (306 Gramm Delta‑9‑THC) im Auftrag von Adam M***** mit seinem Pkw von Tschechien über die Grenze nach Österreich verbrachte, und zwar
1. …
2. am 26. September 2018 4.260,90 Gramm Cannabiskraut (247 Gramm Delta‑9‑THC),
„wobei der Vorsatz der Angeklagten M*****, D***** und J***** jeweils auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Zeitraum sowie den daran anknüpfenden Additionseffekt und bei M***** und D***** die Überschreitung des 25‑fachen und bei J***** des 15‑fachen der Grenzmenge des § 28b SMG mitumfasste“;
E./ Adam M***** und Raman D***** durch die zu A./I./1./b/ beschriebene Tat Ferat J***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung an seinem oder am Körper einer Sympathieperson zur Einfuhr von Suchtgift nach Österreich genötigt.
Den jeweils aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adam M***** und Raman D***** kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:
Die gesetzmäßige Darstellung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den zum Tatsächlichen getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und (abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall eines Feststellungsmangels) die auf dieser Grundlage zu führende Behauptung, dass dem Gericht bei der Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (RIS‑Justiz RS0099810).
Die gegen den Schuldspruch A./I./1./b/ (somit inhaltlich auch gegen E./) gerichtete Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), die das Vorliegen eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zur „Art und Weise der Drohung“ des Adam M***** gegen Ferat J***** releviert, geht – sofern mit diesem Vorbringen der Bedeutungsinhalt der Äußerung angesprochen wird – nicht von den getroffenen Urteilskonstatierungen aus und verfehlt solcherart den dargestellten Anfechtungsrahmen materieller Nichtigkeit.
Das Erstgericht stellte nämlich fest, dass der gewollte Sinn der Äußerung des Angeklagten M*****, Ferat J***** oder seine Familie „umzubringen“, darin lag, bei Ferat J***** den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung einer bevorstehenden Verletzung an seinem oder am Körper einer Sympathieperson zu erwecken (US 11; vgl RIS-Justiz RS0092588, RS0092538 [T3, T4]). Welche – über die zum Wortlaut, Bedeutungsinhalt und zur Ernstlichkeit der inkriminierten Äußerung getroffenen Feststellungen (US 11) – hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion noch erforderlich gewesen wären, legt der Beschwerdeführer nicht dar (RIS-Justiz RS0116565).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*****:
Am 20. Mai 2019 meldete der durch einen Wahlverteidiger (vgl ON 214) vertretene Angeklagte D***** gegen das am 17. Mai 2019 verkündete Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen (ON 253).
Die Urteilsausfertigung wurde dem Wahlverteidiger am 14. Juni 2019 zugestellt (ERV‑Zustellnachweis bei ON 251).
Mit am 3. Juli 2019 eingebrachtem Schriftsatz teilte der Wahlverteidiger dem Erstgericht mit, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst worden sei und der Angeklagte D***** um Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Ausführung des Rechtsmittels ersuche (ON 258).
Am 5. Juli 2019 beschloss die Vorsitzende die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers „gemäß § 61 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 StPO“ (ON 259). Der in der Folge mit Bescheid der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 8. Juli 2019 bestellte Verfahrenshelfer (ON 259 S 5) brachte am 4. Oktober 2019 eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ein (Nachhangstück vom 4. Oktober 2019).
Diese Rechtsmittelausführung erweist sich als verspätet.
Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen (hier) nach Zustellung der Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO).
Diese vierwöchige, durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Wahlverteidiger und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht beeinflusste Frist (§ 63 Abs 2 erster Satz StPO; vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 6.74; RIS-Justiz RS0125686 [insb T1 und T2]), begann mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger am 14. Juni 2019 zu laufen und endete demzufolge (§ 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des 12. Juli 2019.
Auf die am 4. Oktober 2019 (verspätet) eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Die handschriftliche, am 15. Oktober 2019 beim Oberlandesgericht Graz eingelangte Rechtsmittelausführung des Angeklagten D***** war desgleichen unbeachtlich (vgl Ratz , WK-StPO § 285 Rz 7; RIS-Justiz RS0100046 [T2], RS0100175).
Im Übrigen haftet dem Urteil die in der verspätet eingebrachten Rechtsmittelausführung geltend gemachte Nichtigkeit ebenso wenig an, wie eine von Amts wegen wahrzunehmende.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adam M***** und Raman D***** waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO, hinsichtlich D***** iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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