Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Finanzstrafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Gernot M***** im zweiten Rechtsgang von der Anklage des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gegenstand des Freispruches war der Vorwurf, der Angeklagte habe im Bereich des Finanzamtes Baden vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe von Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1994 und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1993 eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben infolge Unkenntnis der Abgabebehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist festgesetzt wurden.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Finanzamt Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz aus den Gründen der Z 5 und 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu. Zutreffend releviert die Mängelrüge (Z 5) , dass das Erstgericht durch isoliertes Abstellen auf die vom Angeklagten zugestandenen kurzzeitigen Inlandsaufenthalte zum Zweck familiärer Kontaktpflege, von Pkw- und Grundstücksankäufen, von Verhandlungen mit Handwerkern und ähnlichem, den Genannten belastende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen und damit die Urteilsannahme, der Angeklagte habe im Deliktszeitraum 1986 bis 1994 über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften in Österreich verfügt, nur unvollständig begründet hat. Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person nach § 1 Abs 2 EStG ist deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. Nach der Legaldefinition des § 26 Abs 1 BAO hat jemand seinen Wohnsitz dort, "wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benützen wird". Unter dem „Innehaben einer Wohnung" ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit über die Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen (VwGH 14. November 1996, 94/16/0033). Der Annahme eines inländischen Wohnsitzes stehen weder Wohnsitze im Ausland noch längere Auslandsaufenthalte entgegen. Nicht maßgeblich ist, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen befindet (VwGH 16. September 1992, 90/13/0299). Nach § 26 Abs 2 BAO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.
Das Tatbestandsmerkmal "gewöhnlicher Aufenthalt" verlangt körperliche Anwesenheit. Weiters müssen die Umstände (Absicht hat dabei keine Bedeutung) dafür sprechen, dass Anwesenheiten nicht nur vorübergehend sein sollen, dass also eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort bestehen soll, wobei die Lebensverhältnisse, die geschäftliche Betätigung am Aufenthaltsort usw zu berücksichtigen sind. Ein mehr als sechs Monate dauernder Aufenthalt, der allerdings stets unbeschränkte Abgabepflicht zur Folge hat (§ 26 Abs 2 BAO), ist nicht erforderlich. Vielmehr kann gewöhnlicher Aufenthalt auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer vorliegen, sofern nur Umstände gegeben sind, die erkennen lassen, dass es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt. Überdies ist keineswegs ununterbrochene Anwesenheit erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (VwGH 31. März 1992. 87/14/0096).
Den entscheidungswesentlichen Umstand der Innehabung mehrerer, in der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsgewalt des Angeklagten stehender Wohnungen im Inland überging das Erstgericht mit Stillschweigen. Nach den vom Angeklagten insoweit nicht bestrittenen Ergebnissen des finanzbehördlichen Ermittlungsverfahrens verfügte der Angeklagte im Zeitraum 1984 bis zumindest April 1988 über eine in *****, angemietete Wohnung, an deren Anschrift er mehrmals polizeilich gemeldet war. Im Zeitraum 1986 bis 1987 errichtete er in *****, eine in seinem Eigentum stehende Villa, welche im Herbst 1987 von seinem Sohn und seiner späteren Ehefrau Andrea M***** bezogen wurde. Dem Angeklagten stand ein weiteres 1991 - 1992 in ***** gebautes Haus als Eigentümer zur Verfügung (S 293 bis 297/III). Des weiteren ließ das Erstgericht die gleichfalls für die Frage des Bestehens eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes des Angeklagten bedeutsamen Aussagen der Zeugen Johann L***** (S 387 ff/II), Dkfm Winfried K***** (S 40l ff/II) und Jakob K***** (S 27 ff/II) unberücksichtigt, wonach die Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten regelmäßig unter einer Badener Telefonnummer stattgefunden habe. Der Zeuge Kremser deponierte darüber hinaus, Fakturen und Auftragsbestätigungen zwar mit der Anschrift der Firma P***** T***** in Vaduz versehen, sie aber auf Wunsch des Angeklagten jeweils nach ***** gesandt zu haben.
Ebenso übergangen wurden die finanzbehördlichen Erhebungsergebnisse betreffend den regen Telefaxverkehr unter den dem Angeklagten zuzuordnenden Anschlüssen in Baden.
Die Tatrichter haben demnach - ohne dem Mindeststandard gerichtlicher Begründungspflicht zu entsprechen - den Angeklagten belastende wesentliche Verfahrensergebnisse vernachlässigt, die bei der gegebenen Sachlage jedoch von Einfluss auf die Lösung der Beweisfrage sein können. Die dadurch bewirkte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen (im Rahmen der Rechtsrüge [Z 9 lit a) wird zudem nicht an den Urteilskonstatierungen festgehalten) war daher entbehrlich.
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