Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen die am 31.Juli 1945 geborene Christine A und die am 8. Februar 1943 geborene Christine B des Verbrechens des teils (in drei Fällen) vollendeten, teils (in einem Fall) versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143; 15 StGB schuldig erkannt. Zum weiteren Anklagevorwurf wegen eines am 26.November 1980 versuchten Raubes erging ein Freispruch, der unangefochten blieb. Die Geschwornen hatten - jeweils stimmeneinhellig - die an sie nach diesem Verbrechen gerichteten, für jede der beiden Angeklagten getrennt gestellten Hauptfragen 1.) bis 8.) bejaht und lediglich die Hauptfragen 9.) und 10.), ebenso wie die diesen korrespondierenden Eventualfragen 19.) und 20.), verneint. Die Zusatzfragen 21.) bis 28.) nach Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes im Sinne des § 11 StGB, die für jeden Tatzeitpunkt und für jede Angeklagte gesondert gestellt worden waren, wurden hinsichtlich der Schuldspruchfakten, bezogen auf die bejahten Hauptfragen, verneint. Folgerichtig ließen die Geschwornen die auf das Vorliegen von Bedrängnisdiebstahl gerichteten Eventualfragen 11.) bis 18.) ebenso unbeantwortet wie die (für die den verneinten Haupt- und Eventualfragen zugrundeliegenden Fakten gestellten) Zusatzfragen 29.) und 30.).
Dem Wahrspruch der Geschwornen zufolge haben die Angeklagten in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) A/ mit Gewalt gegen Personen, nämlich durch Verabreichung betäubender Medikamente, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
- 1.) am 21.November 1980 der Alice C Bargeld in der Höhe von 2.000 S;
- 2.) am 24.November 1980 der Theresia D 65 kleine Golddukaten, 15.000
S Bargeld, einen Diamantring, ein goldenes Armband, (einen Safeschlüssel), eine große Medaille in Kupfer, zwei Kassetten, eine Handtasche mit einem Paar Handschuhe, eine Lederkassette, eine Kellnerbrieftasche, ein Manikürzeug mit Lederetui, eine Geldbörse mit 1.000 S Bargeld (Gesamtwert: 100.000 S);
3.) am 25.März 1981 der Anna E 250 S Bargeld, mindestens acht Silbermünzen aus dem 19. Jahrhundert, eine Damenarmbanduhr, mindestens vier alte Zehn-Schilling-Münzen, mehrere neue Zehn-Schilling-Münzen, sechs Schweizer Franken, ein Ketterl mit Anhänger und ein Paar goldene Ohrringe, im Wert von 5.000 S;
B/ am 24.November 1980 dadurch versucht, mit Gewalt gegen die Person der Wilhelmine F fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, daß sie sich unter Mitnahme betäubender Medikamente zu deren Wohnung begaben, unter dem Vorwand, vom Sozialreferat des Magistrates der Stadt Wien zum Besuch beauftragt zu sein, Einlaß begehrten, wobei sie beabsichtigten, ihr nach Verabreichung der angeführten Medikamente Schmuck und Bargeld wegzunehmen.
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte Christine A mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 12 (sachlich auch Z. 8) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch haben sie und die Angeklagte Christine B Berufung erhoben.
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Rechtsrüge einen Subsumtionsirrtum der Geschwornen (und des Schwurgerichtshofes - vgl. § 337, 2. Fall, StPO und EvBl. 1973/
47) wegen der Unterstellung ihrer Taten unter das Verbrechen des Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB geltend: Durch die Verabreichung betäubender Medikamente werde keine Gewalt im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB angewendet, welche die Anwendung physischer Kraft voraussetze. Richtigerweise habe sie nur Bedrängnisdiebstahl im Sinne der §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 1 StGB zu verantworten, für den es unentscheidend sei, ob der Zustand der Hilflosigkeit vom Täter (ohne Gewaltanwendung) herbeigeführt wurde oder ohne sein Zutun eingetreten sei.
Rechtliche Beurteilung
Den Beschwerdeausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon unter der Herrschaft des Strafgesetzes war es unbestritten, daß auch die listige narkotische Betäubung Gewalt darstellt (vgl. Slg. 3708; SSt. 25/68). Die Regierungsvorlage zum Strafgesetzbuch wollte (§ 77 Z. 6) klarstellen, daß 'unter Gewalt auch hier die Anwendung der Hypnose oder eines betäubenden oder berauschenden Mittels, um jemanden ohne seine Zustimmung bewußtlos oder widerstandsunfähig zu machen', zu verstehen sei. Auch der Justizausschuß (JA-Bericht, 16) war der Meinung, daß diese beiden Formen dem Begriff der Gewalt zu subsumieren seien, daß es aber, da die 'Gewalt' im Strafgesetzbuch als solche nicht definiert werde (vgl. § 74 Z. 5 StGB und Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN. 23 zu § 74), auch nicht notwendig sei, diese beiden besonderen Formen der Gewaltanwendung in den Begriffsbestimmungen anzuführen (vgl. Dokumentation StGB, 121). Wie in der Rechtsprechung (LSK. 1976/284) ist auch in der Lehre zum geltenden Strafgesetzbuch unbestritten, daß (weiterhin) Gewalt auch durch Verabreichung betäubender Mittel angewendet wird (siehe Leukauf-Steininger, RN. 6 zu § 142, RN. 24 zu § 74; Kienapfel, BT II, RN. 27 zu § 142). Bedrängnisdiebstahl (§§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 1 StGB) scheidet aus, soweit Raub anzunehmen ist. Wer daher die Hilflosigkeit des Betroffenen mit Mitteln und zum Zwecke des § 142 StGB herbeiführt, ist regelmäßig wegen Raubes zu bestrafen (LSK. 1979/340; Kienapfel, BT II, RN. 13 und 18 zu § 128 StGB; vgl. auch SSt. 13/52).
Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen der Sache nach auch gegen die den Geschwornen zum strafrechtlichen Begriff der Gewalt erteilte Rechtsbelehrung (S. 3) wendet, ist sie auf das oben Gesagte zu verweisen, wonach die - damit übereinstimmende - Rechtsbelehrung nicht unrichtig ist, sondern dem geltenden Gesetz durchaus entspricht.
Mithin ist die Unterstellung der wahrspruchmäßig festgestellten Taten der Angeklagten unter den Tatbestand des (teils vollendeten, teils versuchten) Raubes ohne Rechtsirrtum erfolgt. Es war somit die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine A zu verwerfen. Die beiden Angeklagten wurden nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu Freiheitsstrafen, Christine A in der Dauer von sieben Jahren und Christine B in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten als erschwerend die Wiederholung der Angriffe, bei Christine A eine einschlägige Vorstraftat (wegen versuchten Ladendiebstahls) und die Anstiftung der Christine B zur ersten Tat, mildernd bei beiden Angeklagten das wenn auch nur in geringem Maße reumütige Geständnis sowie, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, bei Christine B auch ihr bisher ordentlicher Wandel sowie die Anstiftung durch Christine A zur ersten Tat. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen unter Anwendung des § 41 StGB an.
Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Von einem achtbaren Motiv - wie in der Berufung behauptet - kann bei der Angeklagten A keine Rede sein, denn sie hatte ein hinreichendes Einkommen, das ihr ermöglichte, auch ohne Begehung von Straftaten ihrer schwer erkrankten Mutter Geschenke zu machen. Die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung erfüllt nicht die Voraussetzung des § 34 Z. 17 StGB Mit Recht hat das Erstgericht die Anstiftung (zur ersten Tat) bei A als erschwerend gewertet, obwohl es keiner besonderen überredungskunst bedurfte, um die Zweitangeklagte zur Mitwirkung am Raub zu bestimmen.
Bei Christine B wurde bereits vom Erstgericht als mildernd gewertet, daß sie zumindest zur ersten Straftat von A angestiftet wurde. Die durch die Einnahme von Medikamenten ('Adipex neu, R') - bedingt durch ihre abnorme Fettleibigkeit - bewirkte Enthemmung kann als weiterer Milderungsgrund herangezogen werden.
Beide Angeklagte haben die strafbaren Handlungen, obwohl sie in durchaus geregelten Lebensverhältnissen standen und auf die Beute nicht angewiesen waren, oftmals wiederholt und durch die Verabreichung von betäubenden Mitteln ihre bereits bejahrten Opfer ganz erheblich gefährdet. Auch wenn man ihr Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, höher bewertet, als es das Erstgericht tat, kann von einem überwiegen der Milderungsgründe im Sinne des § 41 StGB überhaupt keine Rede sein. Ebenso ist eine Herabsetzung der vom Geschwornengegericht gefundenen angemessenen Strafen nicht gerechtfertigt.
Den Berufungen war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
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