OGH 12Os107/11v

OGH12Os107/11v18.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bilinska als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerfried H***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Renata H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 11. April 2011, GZ 602 Hv 4/10m-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Renata H***** betreffenden Schuldsprüchen B./I./ und II./ und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Gerfried H***** sowie rechtskräftige Freisprüche des Genannten und der Renata H***** sowie einen Gerfried H***** betreffenden Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs 2 StPO enthält, wurde Renata H***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (B./I./) sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB (B./II./) schuldig erkannt.

Danach hat sie

B./I./ zu der strafbaren Handlung des Gerfried H*****, der Bestandteile des Vermögens der G***** GmbH beiseite schaffte und veräußerte und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der genannten GmbH vereitelte, indem er im Zeitraum zwischen 28. Dezember 2008 bis 2. Jänner 2009 in Laa an der Thaya vier im Eigentum der G***** GmbH stehende Fahrzeuge im Wert von rund 12.000 Euro an Renata H***** übergab, ohne dass diese eine Gegenleistung dafür erbrachte, wobei die Veräußerung der vier Fahrzeuge jeweils durch eine Scheinrechnung als ordnungsgemäßer Verkauf getarnt wurde, indem sie als Käuferin der Fahrzeuge auftrat, diese entgegennahm und auf ihren Namen anmeldete;

B./II./ am 13. November 2009 in Poysdorf als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem sie wahrheitswidrig behauptete, die an sie bezahlten 22.800 Euro seien das Entgelt für LKW-Vermietungen an die G***** GmbH gewesen, wobei sie tatsächlich das Geld ausbezahlt bekam, ohne dafür an die genannte Gesellschaft eine Gegenleistung erbracht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf Z 3, Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich teilweise als berechtigt erweist.

Betreffend Faktum B./I./ zeigt die Nichtigkeitswerberin zutreffend auf, dass die Feststellungen zu ihrer subjektiven Tatseite (US 12) insoweit offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) begründet sind, als sich die Erwägungen der Tatrichter dazu auf die „Art der Tatbegehung“ und einen nicht näher erörterten Informationsstand der Angeklagten bei ihrer ersten Aussage vor der Polizei beschränken (US 17). Denn die Zweitangeklagte hatte bei dieser Aussage keinerlei Angaben in Bezug auf ein allfälliges „Wissen“ (US 12) um die finanzielle Situation der GmbH oder eine mit der Übernahme der Fahrzeuge einhergehende Gläubigerschädigung gemacht, sondern im Wesentlichen deponiert, sie sei nur auf dem Papier Gesellschafterin gewesen, habe tatsächlich jedoch keinen Einblick in die von ihrem Ehemann geführten Geschäfte der GmbH gehabt (ON 3 S 35 und 41). Sie habe der Anmeldung der inkriminierten Fahrzeuge auf ihren Namen über Vorschlag des Erstangeklagten ohne nähere Hinterfragung deshalb zugestimmt, weil sie die ihr solcherart schenkungsweise zugekommenen Fahrzeuge der GmbH als Teil der im Zusammenhang mit der geplanten Scheidung erforderlichen vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der bereits getrennt lebenden Ehegatten angesehen habe (ON 3 S 43).

Ungeachtet des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) hält die von den Tatrichtern mit einem lapidaren Verweis auf diese Aussage sowie auf „die Art der Tatbegehung“ (also die schenkungsweise Übernahme der Fahrzeuge) gestützte Annahme eines Vorsatzes der Zweitangeklagten zur Beteiligung an einer nach § 156 StGB strafbaren Handlung des Erstangeklagten grundlegenden Erfahrungssätzen nicht stand und erweist sich damit als unzureichend begründet.

Die gegen den Schuldspruch wegen falscher Beweisaussage gerichtete Verfahrensrüge (Z 3), bei Ablegung der inkriminierten Zeugenaussage sei die damals vor der Polizei im Ermittlungsverfahren als Zeugin vernommene Angeklagte bloß nach § 156 Abs 1 Z 2 StPO, nicht jedoch über ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO wegen Selbstbelastungsgefahr belehrt worden, versagt, weil damit von vornherein keine in § 281 Abs 1 Z 3 StPO angeführte Verletzung prozessualer Vorschriften in der Hauptverhandlung dargetan wird (14 Os 2/01). Im Übrigen stünde eine Missachtung dieser Belehrungsvorschrift im Ermittlungsverfahren oder in der Hauptverhandlung unter keiner Nichtigkeitssanktion (vgl § 159 Abs 3 StPO). Der erfolgreichen Geltendmachung oder der Sache nach angesprochenen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO stünde überdies der fehlende Widerspruch der Beschwerdeführerin entgegen.

Im Hinblick auf die erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB war jedoch auch der (allenfalls) allein verbleibende Schuldspruch wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB zu beheben, um im Fall einer anders als durch Schuldspruch folgenden Erledigung des Vorwurfs der betrügerischen Krida im zweiten Rechtsgang bei der Angeklagten die Möglichkeit eines diversionellen Vorgehens nach dem 11. Hauptstück der StPO zu eröffnen (RIS-Justiz RS0119278; vgl Plöchl/Seidl in WK² § 288 Rz 72).

Insofern erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen der Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) zu Schuldspruch B./II./.

Damit zeigt sich bereits bei nichtöffentlicher Beratung das Erfordernis einer nochmaligen Verhandlung und Entscheidung (§ 285e erster Satz StPO).

Weil der gesamte Schuldspruch und damit auch der vom Erstgericht gefällte Kostenersatzanspruch nach § 389 StPO zu kassieren war, fallen der Angeklagten auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Sinn des § 390a Abs 1 StPO zur Last (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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