European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00106.18G.1011.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ferdi B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (A./) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (B./) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 5. Juli 2016 in W***** Ioana S*****
A./ durch Entziehung der persönlichen Freiheit, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich einem Oralverkehr an ihm, zu nötigen versucht, indem er sie nicht aus seinem von ihm verriegelten (US 6) Fahrzeug aussteigen ließ, ein Klappmesser in ihre Richtung hielt und ihren Kopf zu seinem Penis drückte;
B./ fremde bewegliche Sachen, nämlich 100 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen;
C./ dadurch geschädigt, dass er eine fremde bewegliche Sache aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sache sich der einem Dritten zuzueignen, indem er ihr deren Mobiltelefon im Wert von ca 30 Euro entriss und dieses aus dem fahrenden Auto warf.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche A./ und B./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die unter isolierter Hervorhebung einer Erwägung des Schöffensenats zur Begründung der subjektiven Tatseite zu Schuldspruch A./ mit der Behauptung, dieser Formulierung sei nicht zu entnehmen, „welche Feststellungen zur Begründung der objektiven Tatseite getroffen“ wurden, „Undeutlichkeit“ (Z 5 erster Fall) einwendende Mängelrüge orientiert sich schon prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).
Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (RIS‑Justiz RS0119089).
Mit dem einen „inneren Widerspruch“ relevierenden Einwand, der Angeklagte habe entgegen der Ansicht der Tatrichter zu keiner Zeit widersprüchliche Angaben getätigt (vgl US 7 ff), wird ein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall nicht einmal behauptet. Vielmehr beschränkt sich das Beschwerdevorbringen darauf, die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung zu bekämpfen.
Gleiches gilt in Ansehung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten „Widersprüche“ in den Angaben des Tatopfers. Unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Angaben der Ioana S***** dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hinreichend erörtert (US 9 ff). Das erkennende Gericht ist nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt der Aussage zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit er für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht (RIS‑Justiz RS0098778 [T6]).
Der von der Beschwerde behauptete „Widerspruch“ zwischen den Feststellungen, wonach der Angeklagte dem Opfer das Messer entgegengehalten habe (US 6) und wonach das Opfer das Messer zwar nicht gesehen, aber dessen Aufklappen gehört habe (US 6; vgl auch US 10 f), liegt keineswegs vor.
Die Kritik, in den Entscheidungsgründen würden keine Beweismittel genannt, auf deren Basis das Erstgericht zur Überzeugung vom Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale kam (Z 5 vierter Fall), ist angesichts der eingehenden beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 7 bis 11) unverständlich.
Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen oder Wollen (US 11) ist der Beschwerdeauffassung (Z 5 vierter Fall) zuwider rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882).
Die vermisste Erörterung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten in Ansehung des Schuldspruchs B./ findet sich auf US 8.
Die Kritik, die Tatrichter hätten die Aussage des Angeklagten übergangen, wonach er kein Messer oder Ähnliches im Auto gehabt hätte (ON 24 S 8), trifft nicht zu (vgl US 9).
Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).
Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).
Mit dem „Aktenwidrigkeit“ (Z 5 fünfter Fall) geltend machenden Vorbringen, „die Feststellung des Gerichts, wonach der Angeklagte ein Klappmesser in Richtung der Zeugin gehalten habe, obwohl die Zeugin laut Feststellung des Gerichts das Messer nicht gesehen hat“, wird ein Fehlzitat im dargestellten Sinn gar nicht behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass die Wertung der „fehlende[n] Schuldeinsicht“ des Angeklagten als eine für die Ablehnung der Gewährung einer (teil‑)bedingten Strafnachsicht entscheidende Tatsache (US 14) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS‑Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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