Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Angeklagten enthält, wurde Andrea W***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (iVm § 161 Abs 1) StGB (A./) und der Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat sie als geschäftsführende Gesellschafterin der R***** GmbH & Co KG, somit als leitende Angestellte (§ 161 Abs 1 StGB), in Graz
A./ am 23. August 2007 einen Bestandteil deren Vermögens beiseite geschafft, indem sie 81.238,08 Euro an die J***** GmbH überwies und dadurch die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers dieses Unternehmens schmälerte sowie einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden bewirkte,
B./ am 31. Dezember 2007, nach Eintritt deren Zahlungsunfähigkeit, einen deren Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, indem sie im Zeitraum 1. Jänner 2008 bis 7. März 2008 an im wirtschaftlichen Nahebereich der R***** GmbH & Co KG gelegene Unternehmen Zahlungen in Höhe von gesamt 61.715,32 Euro leistete, und zwar
a) 18.400 Euro an das slowenische Unternehmen P***** d.o.o.;
b) 43.315,32 Euro an die 5 ***** GmbH.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Angeklagten aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die mangelnde Effektuierung der vom Schöffensenat am 4. November 2010 beschlossenen Beischaffung des Konkursakts 26 S 30/08v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz (ON 70 S 34). Da der Mangel nicht im Zwischenerkenntnis liegt, hätte es zur Anfechtung eines auf Umsetzung des Beweisbeschlusses gerichteten Antrags bedurft, der sich dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnehmen lässt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 317; RIS-Justiz RS0117404). Im Übrigen wurde der Masseverwalter am 4. November 2010 als Zeuge vernommen. Dessen im Konkursverfahren erstellten Berichte sollten nach dem Bestreben des abgewiesenen Begehrens verlesen werden.
Der weitere Antrag auf Vernehmung des vom Masseverwalter zur Erstattung eines Gutachtens beauftragten Mag. L***** zum Beweis dafür, dass der Befund des Sachverständigen Dr. K***** unvollständig oder unzutreffend sei und sein Gutachten auf falschen Tatsachen basiere (ON 70 S 35), wurde zu Recht abgewiesen, weil das Ziehen von Fachwissen erfordernden Schlüssen aus Beweisergebnissen gerichtlich beigezogenen Experten vorbehalten ist (RIS-Justiz RS0118421). Eine Erörterung eines Privatgutachtens kann nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises sein.
Ein auf Wiedergabe des Befundes des Privatgutachtens gestütztes Begehren wurde in der Hauptverhandlung nicht gestellt. Im Rechtsmittel selbst nachgetragene Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099618). Im Übrigen setzte sich der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige auch mit den Thesen des Mag. L***** auseinander und legte die Gründe für seine von diesem abweichende Beurteilung eingehend dar (ON 65 S 217 ff). Der Sache nach zielt der Antrag demnach auf Überprüfung der gerichtlich eingeholten Expertise durch Mag. L***** ab, obwohl die Überzeugungskraft eines Gutachtens der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (RIS-Justiz RS0098347; RS0097433; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351). Mit Blick auf § 127 Abs 3 erster Satz StPO hätte die Beschwerdeführerin darlegen müssen, weshalb der Sachverständige Dr. K***** die behaupteten Bedenken in der Hauptverhandlung nicht aufklären konnte und weshalb dessen Gutachten trotz erfolgter Erörterung und Ergänzung weiterhin Mängel iSd § 127 Abs 3 StPO aufweisen würde (vgl RIS-Justiz RS0102833).
Mit dem Einwand unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zufolge mangelnder Verlesung des schriftlichen Gutachtens des Dr. K***** ist die Rechtsmittelwerberin auf das darauf Bezug nehmende mündliche Referat des Sachverständigen zu verweisen (ON 70 S 25 und ON 79 S 5).
Den das Motiv für die das Zurückbehalten von Geldmitteln betreffenden Urteilsannahmen zu einem Wechsel der Geschäftsführungsstrategie (US 8 f) kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Diese können daher mit einer Mängelrüge nicht bekämpft werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).
Soweit die Nichtigkeitswerberin das Gutachten kritisiert und gestützt darauf eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, bekämpft sie erneut unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0098347; RS0097433; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351). Nach Art und Zielrichtung stellt sich auch das weitere Vorbringen der Mängelrüge als eine im Verfahren zur Anfechtung von kollegialgerichtlichen Urteilen in der Prozessordnung nicht vorgesehene Schuldberufung dar.
Mit Bezugnahme auf die vom erkennnenden Gericht als Schutzbehauptung abgelehnte Verantwortung der Angeklagten spricht die Rüge auch der Sache nach keine vernachlässigten Beweisergebnisse (Z 5 zweiter Fall) an (US 15).
Die Höhe des die Gläubigerbegünstigung betreffenden Betrags ist für den Tatbestand des § 158 Abs 1 StGB nicht von Bedeutung und kann damit nicht Bezugspunkt einer Mängelrüge sein.
Die Kenntnis der Angeklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft leiteten die Tatrichter aus einem an die Hauptgläubigerin gerichteten Schreiben ab (US 11).
Soweit die Beschwerde die Urteilsannahmen zum Gläubigerbegünstigungsvorsatz bekämpft, spricht sie mit der Bezugnahme auf zwei Schreiben über die Führung von außergerichtlichen Vergleichsgesprächen mit einem Teil der andringenden Gläubiger nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit keine gesondert erörterungsbedürftigen Beweisergebnisse an.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus der Aussage des Zeugen Mag. U*****, dem Gutachten des Sachverständigen und der eigenen, leugnenden Einlassung der Beschwerdeführerin günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht und das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, zielt die Kritik auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund erfassten Sonderfälle ab, ohne damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 490; RIS-Justiz RS0119583).
Dem weiteren Vorbringen zuwider finden sich die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A./ vermissten Feststellungen zur Gläubigermehrheit in den Konstatierungen über ein Anwachsen von Lieferantenverbindlichkeiten im Jahr 2007 (US 9 ff), in der Bezeichnung der Hauptgläubigerin (US 16) und der der Tathandlung unmittelbar vorgelagerten Inanspruchnahme eines Kredits (US 11).
Mit der Behauptung substanzlosen Gebrauchs der verba legalia zu den Schuldsprüchen bestreitet die Beschwerdeführerin (Z 9 lit a) den in der Urteilsbegründung hergestellten Sachbezug (US 9 f, 11) und verfehlt damit den bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit gebotenen Vergleich mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).
Das Vorliegen eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zur Ursache der Insolvenz wird - obwohl der Tatbestand des § 156 StGB keine wirtschaftliche Krisensituation erfordert (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 5) - der Sache nach zwar behauptet (Z 9 lit a), aber nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Indem die Beschwerdeführerin zu B./ die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12) bestreitet, verfehlt sie erneut den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung (RIS-Justiz RS0099810).
Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) weitere Milderungsgründe reklamiert, führt sie lediglich eine Berufung aus. Gleiches gilt für die Kritik betreffend ein nach dem Urteil vorliegenden planmäßigen gläubigerschädigenden Vorgehen der Angeklagten und ihrer „gänzlich fehlenden“ Schuldeinsicht. Derartige Sachverhaltsannahmen können aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht bekämpft werden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 693).
Aus Anlass der - diesen Passus zwar im Rahmen der Sanktionsrüge, jedoch mit Blick bloß auf den Milderungsgrund einer zum Teil geständigen Verantwortung thematisierende - Nichtigkeitsbeschwerde zeigt sich aber mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der „gänzlichen fehlenden Schuldeinsicht“ als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache (US 20) eine der Angeklagten zum Nachteil gereichende, aber solcherart nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0090897). Da dem Nichtigkeitsgrund noch im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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